"Untergehen tu’ ich deshalb nicht"
Manchmal passiert’s, dass doch alles anders kommt, als geplant. Kaum wer weiß das derzeit besser, als Alexander Van der Bellen. Die Wanderstiefel sind geschnürt, das Objektiv der Fotokamera streifenfrei poliert, Aufnahmegerät und Notizblock griffbereit. Der KURIER will mit dem Grünen wandern, rund um den malerischen Gleinkersee im Pyhrn-Gebiet in Oberösterreich. Wir könnten zur Quelle der Pießling, der größten Karstquelle Österreichs, marschieren, oder gleich hinauf zum Seespitz (1574 Meter) oder das Warscheneck (2388 Meter) bezwingen.
Aus der KURIER-Serie: Politiker nach Dienstschluss
Aber nach einer dreistündigen Anreise steigen wir aus dem Wagen – und es beginnt zu regnen. Nein, es schüttet, und es schaut auch nicht danach aus, dass es bald wieder aufhören wird.
Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidauer kommen gerade von einer Runde um den See mit den beiden Hunden Chico und Kita. Der Präsidentschaftskandidat kann nicht gleich die Hand geben, erst will er das Gackerl-Sackerl in seiner linken Hand entsorgen und sich die Hände waschen. So haben wir den Professor auch noch nicht gesehen.
Sechs Jahre Zeit
Kann man als Präsidentschaftskandidat, den zuletzt eine 50,3-Prozent Mehrheit von 2.251.517 Österreich gewählt haben, eigentlich noch unbemerkt und in Ruhe am See entspannen? "Gestern war noch herrliches Wetter, und wir sind da im Schatten gelegen mit den Hunden. Das respektieren die Leute schon. Ich habe im ganzen Wahlkampf, der jetzt bald acht Monate lang dauert, fast keine einzige negative Begegnung gehabt."
Daheim lesen die Van der Bellens gerne, erzählt der Professor. "Weniger Sachbücher, das war früher an der Uni. Derzeit begeistert mich die sozialkritische Krimi-Literatur von Dennis Lehane, von dem zwei Bücher, Mystic River und Shutter Island erst kürzlich verfilmt wurden." Oder er hört Musik, nicht mehr so viel Jazz wie früher ("Mit Ornette Coleman hört meine Jazz-Entwicklung auf") sondern Barock und Klassische Musik.
Peinliche Karriere
"Ich habe ja früher auch selbst musiziert. Zuerst Klavier, dann Zugposaune. Mein Klavierlehrer fand, ich sollte mich einmal in ein Orchester einfügen. Eine peinliche Karriere war das", muss er zugeben, "Vor Weihnachten spielten wir im evangelischen Posaunenchor ein kurzes Stück von einem Kirchturm aus in Innsbruck. Das Stück war ja nur drei Minuten lang. Und doch habe ich es geschafft, fünfzehn Sekunden vor allen anderen das Stück zu beenden." Er habe dann aufgehört mit der Zugposaune. "Das konnte ich den anderen Musikern ja nicht antun. Und den Innsbruckern auch nicht."