Van der Bellen: Dürfen nicht zu unterwürfigen Verbündeten eines Diktators werden
Von Christian Böhmer
Die Warnung kam gleich am Beginn seiner Rede. "Es wird diesmal ungewohnt", sagte Alexander Van der Bellen. "Bitte verzeihen Sie mir."
Bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele hielt der amtierende Bundespräsident eine auffallend politische Rede, in der er Wladimir Putin als Kriegstreiber kritisierte, vor dem "massiven Energieproblem" im Winter warnte und vor allem eines forderte: Solidarität in Österreich und Europa.
"In Moskau herrscht ein Diktator, der es nicht ertragen kann, dass Menschen in Europa in individueller Freiheit und Unabhängigkeit leben. Der vom verweichlichten, dekadenten Westen redet, der unsere Art zu leben, zutiefst verachtet", sagte Van der Bellen. "Das ist die Wahrheit, und das ist der Kern der Sache. Weil der russische Präsident das nicht erträgt, hat er einen Krieg begonnen."
"Unerträgliche Abhängigkeit"
Gleichzeitig mit der Eröffnung der Festspiele würden Familien in ukrainischen Städten in Kellern und Luftschutzbunkern ausharren. Und weil dies für Putin nicht genug sei, drossle er die Gasversorgung nach Europa. "Diese Abhängigkeit ist unerträglich!", sagte Van der Bellen - freilich nicht ohne hinzuzufügen: "Aber es ist auch unerträglich, auch nur mit dem Gedanken zu spielen, sich zum unterwürfigen Verbündeten eines Diktators zu machen."
Bemerkenswerterweise ist das die Stelle, an der das Staatsoberhaupt zum ersten Mal anhaltenden Applaus bekommt.
Van der Bellen steht nicht an, sowohl die Versäumnisse früherer Regierungen in Europa und Österreich zu benennen. "Ja, die Politik hat hier Fehler gemacht. Und ja, auch ich selbst habe mich täuschen lassen."
Das ändere aber nichts daran, dass in der Ukraine nicht bloß um die Unabhängigkeit eines Landes, sondern um das europäische Lebensmodell insgesamt gekämpft würden. "Um politische Freiheit, persönliche Freiheit, den Rechtsstaat, Menschenrechte und Demokratie." Und die Inflation, die aus dem Krieg entstanden sei, ist für den Bundespräsidenten "ein bewusst herbeigeführter, kriegerischer Akt".
Zusammenhalt
Was also tun? Van der Bellen warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft. "Denn auch das gehört zu Putins Plan: Dass wir uns gegeneinander ausspielen und aufhetzen lassen."
Die Dramatik der Lage erfordere entschlossenes und schnelles Handeln - Neuwahlen seien deshalb kontraproduktiv. Vor allem sei aber nun Solidarität gefragt. Und das bedeute, dass "die Starken" (in einer Gesellschaft, Anm.) die Schwachen unterstützen müssten. "Wir werden all das, was jetzt passiert und passieren wird, nur bewältigen, wenn wir zusammenhalten. Wir müssen solidarisch sein. Und dann, wenn wir die kommenden Herausforderungen bewältigt haben – und wir werden sie bewältigen –müssen wir neu aufbauen. Neu, tragfähig und zukunftsträchtig."