Politik/Inland

"Wer nichts zu verbergen hat, braucht keine Angst zu haben"

Einst blickten deutsche Politiker neidvoll nach Österreich. Deutsche Medien titelten 2005: "Österreich, Du hast es besser" (TAZ) und "Warum Österreich Spitze ist" (Stern). "Mittlerweile hat sich das gedreht"; das große Nachbarland habe Österreich in Sachen Staatsfinanzen, Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit überflügelt, sagt Reinhold Lopatka.

Er ist Klubchef der ÖVP, jener Partei, die mit der SPÖ seit 2008 erneut regiert. Neben ihm im ÖVP-Klub sitzt Volker Kauder, Fraktionschef der CDU/CSU im Bundestag. Der sagt: "In Deutschland haben wir den Großteil der Hausaufgaben schon gemacht." So gibt es längst neue Regeln für parlamentarische Untersuchungsausschüsse. In Österreich wird auch darüber seit Jahren geredet, passiert ist nichts. Dieser Tage verhandeln die Nationalratsparteien wieder darüber, im Herbst soll es das Gesetz dazu geben.

Der Kern – nach deutschem Vorbild: Auch eine Minderheit von Abgeordneten kann einen U-Ausschuss beantragen (derzeit ist das der rot-schwarzen Mehrheit vorbehalten). Im Bundestag habe sich das Minderheitenrecht "bewährt, es stärkt das Parlament", sagt Kauder. Angesichts dessen, dass sich SPÖ und ÖVP bis dato gegen einen Hypo-U-Ausschuss verwahrt haben, dürfte Lopatka nicht behagen, was der Unionsfraktionsboss dann befindet: "Wer nichts zu verbergen hat, braucht vor einem Untersuchungsausschuss keine Angst zu haben." Das Parlament kontrolliere die Regierung; es solle nicht scheinen: "Die einen decken etwas – und die anderen decken etwas auf." Gerechtigkeit "im juristischen Sinne" brächten U-Ausschüsse freilich nicht: "Sie sind politische Kampfinstrumente."

Kein Lamento

Das Klagelied von SPÖ und ÖVP, die Oppositionellen machten dieses Gremium zum "Tribunal", stimmt Kauder nicht an: "Bei uns überlegt sich die Opposition sehr genau, wann sie einen U-Ausschuss fordert. Das Instrument wird nicht missbraucht." Ebenfalls gelassen sieht er, was die heimischen Regierungsparteien erregt: dass Geheimes via U-Ausschuss öffentlich werden könnte. "Wir können auch nicht ausschließen, dass ein vertraulicher Akt aus einem Ministerium direkt in die Redaktionen kommt."

Regelmäßig treffen einander Vertreter von ÖVP und CDU/CSU abwechselnd in Berlin und Wien. In der hiesigen Hauptstadt beschäftigten sie gestern die Themen Wachstum und Stabilität in Europa, Menschenrechte und Religionsfreiheit. Die ÖVP, zweitstärkste Gruppe im Nationalrat, stellt 47 der 183 Mandatare; CDU/CSU haben als stärkste Partei 311 der 631 Sitze im Bundestag. Kauder ist seit 24 Jahren Abgeordneter, Fraktionschef seit 2005.