Politik/Inland

"Kam Applaus, setzte er noch eins drauf"

Seit zehn Jahren ist sie nicht mehr in der Politik. Zu dieser will sie sich auch nicht äußern. Umso bemerkenswerter ist, dass Susanne Riess dies nun doch getan hat. Im NU, dem Jüdischen Magazin für Politik und Kultur, blickt die einstige FPÖ-Vizekanzlerin zurück auf Schwarz-Blau und Jörg Haider; ebenso redet sie über die jetzigen Blauen, befehligt von Heinz-Christian Strache.

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Sie habe nicht gewollt, dass die FPÖ (im Jahr 2000) in die Regierung geht, sagt Riess. Zum Einen, „weil die Partei darauf nicht gut genug vorbereitet war. Das hat sich dann leider auch bestätigt.“ Zum Anderen, „weil ich das nicht machen wollte“. Mit Haider habe sie Dispute gehabt, wegen konträrer Ansichten über die Europa- und Außenpolitik – und des Umgangs mit der Vergangenheit.

Haider habe kein „ideologisches Fundament im eigentlichen Sinne“ gehabt, befindet Riess. Seine „problematische Positionierung“ in Sachen Vergangenheit und Judentum rühre von der Familiengeschichte her. „Alles, was auch nur im Entferntesten ein Angriff auf seine Eltern war, hat reflexartige Verteidigung ausgelöst.“ Haiders Vater Robert war ja einer der ersten Gefolgsleute der NSDAP.

Haiders antisemitische Aussagen erklärt Riess so: „Das war nie geplant, sondern entstand in der Hitze des Gefechts. Kam aus dem Publikum viel Applaus, setzte er noch eins drauf – und noch eins. Das dritte Mal war dann häufig zu viel.“ Sie selbst habe geglaubt, aus der FPÖ eine rechtsliberale Partei machen zu können. Eine „vielleicht naive Vorstellung“, mit der sie „klar gescheitert“ sei. „Es war schon erstaunlich für mich, dass sie plötzlich auferstanden sind aus irgendwelchen dumpfen Ecken“, sagt Riess.

Nach dem Knittelfelder Putsch der Rechten um Haider 2002 trat sie zurück; im Jahr darauf sagte sie der Politik Adieu. Wie sieht sie die Freiheitlichen heute? „Ich kann mit dieser Gruppierung nichts anfangen, die mit mir sicher auch nicht.“

Schützengräben

Geführt hat das Interview mit Riess Martin Engelberg, Mitherausgeber der Zeitschrift NU. Er saß vor zehn Jahren als Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde in jenem „Schützengraben“, der jenem von Schwarz-Blau gegenüber lag.

Riess und ich wollten resümieren, wie wir die Situation jeweils erlebt haben“, sagt Engelberg dem KURIER. Die Tage rund um die Angelobung der auch im Ausland umfehdeten Regierung seien unglaublich gewesen, sagt Engelberg im Gespräch mit Riess: „Man bat uns, die Akkus aus den Handys rauszunehmen, weil man fürchtete, jetzt abgehört zu werden.“ Riess wiederum erzählt von späteren, informellen Kontakten mit jüdischen Organisationen in den USA. „Damals musste ich eine Art Schweigegelübde leisten – bei der ,Anti-Defamation League‘“. Jeder, der „offiziell mit uns gesprochen hätte, hätte als Verräter gegolten“.

Einmal mehr beteuert Riess, nun Generaldirektorin von Wüstenrot, nicht in die Politik zurückzukommen. „Ich bin ein Veteran.“ Also eine Polit-Versehrte.