Stimmung in Kärnten ist am Tiefpunkt
Von Thomas Martinz
Hypo-Pleite, Heta-Desaster, Hexachlorbenzol-Umweltskandal – kaum scheint Kärnten ein Problem so halbwegs im Griff zu haben, folgt sofort die nächste Krise. Die Gürtel werden noch enger geschnallt, aber Hilfe von außerhalb ist unumgänglich. Angesichts der drohenden Insolvenz des Landes ist die Stimmung in Kärnten auf dem Tiefpunkt.
Insolvenz – das Wort hört man dieser Tage oft in Kärnten, es ist allgegenwärtig an den Stammtischen und in den Cafés. "Die Menschen sind angefressen, weil sie nicht einsehen, dass ein Land gegen die Wand fährt, nur weil sich irgendwer irgendwann verzockt hat", sagt Kellnerin Desiree Rutz, die die Leute im "Café Herzig" am Neuen Platz in Klagenfurt bewirtet – also dort, wo der mächtigen Herkules vor dem Lindwurm seine Keule schultert, als wolle er dem Land den alles entscheidenden Schlag versetzen.
"Kärnten kann sich selbst nicht mehr helfen. Der Bund ist gefordert, muss für uns einspringen", ist Gerhard Simtschitsch überzeugt. "Ich bin Pensionist und mit meiner kleinen Rente von 1200 Euro zufrieden. Aber die Jugend hat ja heutzutage überhaupt keine Perspektive mehr."
Lukas Dreier ist ein solcher junger Mensch. Er schimpft in Richtung Wien: "Die werfen eher den Griechen das Geld in den Schlund, als den Kärntnern zu helfen."
Ein "One-Way-Ticket"
Viele Studenten und Jungfamilien wandern ab, kehren ihrer Heimat den Rücken zu – aber nie zurück. Kärnten ist das einzige Bundesland Österreichs, das in den kommenden Jahren schrumpfen wird. Laut Statistik Austria soll die Bevölkerung von aktuell 555.589 bis zum Jahr 2060 auf 518.335 sinken – das wäre ein Minus von sieben Prozent. "Die besseren Ausbildungschancen sowie der größere Arbeitsmarkt veranlassen die Kärntner zum Schritt in andere Bundesländer", berichtet Robert Klinglmair, Volkswirt an der Uni Klagenfurt. Skurrilität am Rande: die Universitätsstadt Klagenfurt hat angehende Akademiker mit Benefits wie Gratis-Freifahrt für öffentliche Verkehrsmittel oder Strandbad-Abos angelockt, sofern sie sich für den Hauptwohnsitz Klagenfurt entscheiden. Plötzlich gibt es aufgrund der Gemeinderatswahl kein Budget 2015 – und folglich keine "Zuckerln".
Die Landespolitik scheint ebenfalls ratlos. Nach fast zwei Jahren "Zukunftskoalition" aus SPÖ, ÖVP und Grünen muss diese einmal mehr den Sparstift ansetzen. Das Landesmuseum, seit Monaten wegen eines Wasserschadens geräumt und geschlossen, wird wohl irgendwann saniert: statt 30 werden aber nur acht Millionen fließen. "Wir müssen bei den Ausgaben jeden Cent überdenken", lässt der zuständige Landesrat Christian Benger (ÖVP) wissen.
Regionale Spitäler sind bedroht
Was die Landesspitäler betrifft, spricht Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) von einer "Leistungskonzentration im Zentralraum". Ende März soll bekannt werden, was diese Worte für die regionalen Häuser bedeuten. Für Spitalserhalter KABEG benötigt das Land jedenfalls 30 Millionen Euro von der Bundesfinanzierungsagentur.
Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) kündigt "nur mehr moderate Gehaltsrunden im Landesdienst" an. Und dass er das "Schulstandortkonzept mit den neu gewählten Bürgermeistern in naher Zukunft erörtern" wolle.
Vorläufiger Höhepunkt der neuen Sparwelle ist, dass die Reitwege (!) nicht mehr in bisheriger Form finanziert werden. Jahrelang wurde das 1500 Kilometer lange Kärntner Reitwegenetz beworben, um den Reittourismus anzukurbeln. "Angesichts der angespannten Finanzlage fehlen 75.000 Euro. Reiter und Betriebe müssen über einen Wegkostenbeitrag mehr mitzahlen", teilt Finanzreferentin Gaby Schaunig (SPÖ) mit.
Die Kärntner "Zukunftskoalition" kämpft weiter mit den Sünden der Vergangenheit.