Standing Ovations für FPÖ-Kritik am Heldenplatz
Von Birgit Seiser
Der 8. Mai ist seit Anfang der 1990er Jahre ein Fixtermin im Kalender linker Aktivisten. Bis vor sechs Jahren stand der Protest gegen jene Burschenschaften auf der Agenda, die an diesem historischen Datum ein Totengedenken abhielten. Die Hommage an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs musste im Jahr 2013 dann einem Festakt der Bundesregierung weichen, der – wie das Totengedenken früher – am Heldenplatz abgehalten wird. Protestiert wurde heuer aber trotzdem.
Die Offensive gegen Rechts hatte gemeinsam mit der Österreichischen Hochschülerschaft für Dienstag zum Demozug unter dem Motto „Erinnern heißt kämpfen“ aufgerufen. Mit etwa 400 Demonstranten fiel die Aktion diesmal aber eher klein aus. Aus der Riege der Politiker wurde heuer Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zum Feindbild ausgerufen: „Sobotka hat sich in seiner Zeit als Innenminister der letzten SPÖ-ÖVP-Regierung als Einpeitscher der Unmenschlichkeit in Szene gesetzt“, hieß es im Demo-Aufruf.
Eigentlich hätte nach einem kurzen Marsch über den Ring die Rede von Sobotka am Fest der Freude „gestört“ werden sollen, um die neue Regierung „nicht zu Wort kommen zu lassen“. Die Störung fiel aber ins Wasser. Ein Gewitter mit Starkregen löste die Demo frühzeitig auf. Rechtzeitig zum Beginn des Festakts hatten sich die Wolken aber gelichtet und Sobotka konnte den Abend als erster Redner eröffnen. Österreich hätte zu lange einen Opfermythos aufrechterhalten. „Wir alle sind aufgerufen, dagegen unsere Stimme zu erheben. Österreich ist ein Land, das in Europa geachtet ist, ein Brückenbauer. Österreich ist ein Land, das verbinden soll. Gegen Rassismus und Antisemitismus“, sagte der Nationalratspräsident.
Kritik an der FPÖ
Sehr im Sinne der linken Aktivisten war danach die Rede von Rudolf Gelbard. Der 87-jährige Holocaust-Überlebende war als Kind in das KZ Theresienstadt deportiert worden: „Nach der Rückkehr aus dem KZ musste ich die entsetzliche Wahrheit erkennen. 19 Mitglieder meiner großen Familie waren tot, meine Eltern sind nach der Haft jung gestorben.“
Gelbard, der extra einen Spitalsaufenthalt für die Veranstaltung unterbrochen hatte, erzählte über seinen Kampf im Widerstand in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als er gegen Versammlungen und Aktionen von Burschenschaften und rechten Studenten mobil machte. In seiner Rede machte er die FPÖ-nahe Zeitschrift Aula zum Thema. Untersuchungen würden zeigen, dass dort immer noch antisemitische Stereotype dargestellt werden. „Was mich so erschüttert, ist, dass viele Burschenschafter nichts gelernt haben. Wir mussten nach dem Krieg diesen Kampf gegen Antisemitismus führen. Ich war damals der jüngste, darum bin ich jetzt der letzte, der seit 1946 bei allen Auseinandersetzungen dabei war. Es musste sein, glauben Sie mir“, beendete der KZ-Überlebende seine Rede. Das Publikum, das nach der Wetterbesserung immer größer wurde, würdigte Gelbard mit Standing Ovations, bevor der Abend mit einem Konzert der Wiener Symphoniker endete.
Birgit Seiser