SPÖ: Mitterlehner hat nur noch "wenig Durchsetzungskraft"
Der Streit um die Mindestsicherung hat zu einem handfesten Krach in der Koalition geführt. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) erklärte am Donnerstag, er sei der ÖVP "maximal entgegen gekommen". Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wäre auch bereit zu einem Kompromiss gewesen, er habe diesen aber in seiner Partei nicht durchgebracht.
Konkret nannte Stöger Klubobmann Reinhold Lopatka und Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer. Pühringer hatte am Mittwoch erklärt, nach ersten schwarz-blauen Beratungen in seinem Land sei er "nicht guter Hoffnung, dass es zu einer Einigung kommt". Lopatka verlangte in der Kronenzeitung neuerlich ein Kürzung für Flüchtlinge.
Das war allerdings erst der Anfang. Denn das, was folgte, gleicht einem verbalen Konflikt aus Wortfetzen. Freilich nicht das erste Mal.
ÖVP solle "sich am Riemen reißen"
Während Stöger fdie ÖVP aufforderte, sie solle "sich am Riemen reißen", sich einigen und nicht ganz "Österreich in Geiselhaft" in Geiselhaft zu nehmen, kritisierte die Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely einmal mehr Vizekanzler Mitterlehner. Dass dieser den Kurs der ÖVP Niederösterreich und Oberösterreich mittrage, obwohl bereits eine Einigung am Tisch liege, zeige, "wie wenig Durchsetzungskraft er noch hat", meinte Wehsely.
Darüber, dass es angesichts der aktuellen Situation in der Mindestsicherung Veränderungen brauche, bestehe mit allen Beteiligten Einvernehmen. "Diese Veränderungen wären möglich, ohne die ureigenste Funktion der Mindestsicherung - die Existenzsicherung - infrage zu stellen", betonte Wehsely. Innerhalb der Soziallandesreferenten gebe es eine klare Mehrheit "für eine sachdienliche Lösung". "Das von der ÖVP offensichtlich provozierte Scheitern der Mindestsicherung insgesamt ist fahrlässig und ohne Not", so Wehsely.
"Mit Populismus kann man eine Republik nicht führen."
Davor hatte schon Stöger die unterschiedliche Richtungen der ÖVP als "nicht gut" bezeichnet. Auf die Frage, ob man damit Neuwahlen einen Schritt näher komme, ging Stöger nicht direkt ein, er meinte nur: "Mit Populismus kann man eine Republik nicht führen", aber mit Neuwahlen werde das auch nicht besser.
Die derzeitige 15-a-Vereinbarung mit den Ländern läuft mit Jahresende aus, ohne neuen Vertrag drohen in den Ländern neun unterschiedliche Regelungen der Sozialhilfe. Stöger betonte,
- dass er bereit gewesen sei, den von der ÖVP geforderten Deckel von 1.500 Euro inklusive Wohnkosten zu akzeptieren.
- dass dies aber auch für Menschen mit Behinderung oder für solche mit Betreuungspflichten gegolten hätte, wollte die SPÖ nicht.
- dasss er nach eigenen Angaben auch nach Vorarlberger Muster zu einer Verknüpfung mit Integrationsleistungen bereit gewesen wäre.
- dass es als Basisleistung nur 520 Euro gegeben hätte und mit der Unterzeichnung einer Integrationsvereinbarung zusätzliche 317 Euro, womit insgesamt auch 837 Euro erreicht worden wären.
"Ein sehr ausgewogenes Paket"
Für Stöger wäre das "ein sehr ausgewogenes Paket" gewesen, dem seiner Meinung nach beide Regierungspartner zustimmen müssten, "wenn sie sich als staatstragende Parteien sehen". Das Paket wäre sozial verträglich, definiere klare Pflichten und Spielregeln mit Sanktionen. Stöger betonte, dass ihm kompetenzrechtlich die Hände gebunden seien, weil die Sozialhilfe Landesrecht ist. Er könne deshalb die Länder nur auf freiwilliger Basis zu einem gemeinsamen Weg bringen. Bis 31. Dezember sei er jederzeit zu weiteren Verhandlungen bereit, auch wenn er der ÖVP schon sehr weit entgegen gekommen sei.
Dann kam Mitterlehner. Dieser wies die Kritik von Stöger zurück, denn der Sozialminister sei schuld, wenn es zu keiner Einigung der 15a-Vereinbarung mit den Ländern komme. "Der Sozialminister verkennt ganz offensichtlich die Dinge. Er hat mit den Bundesländern eine Vereinbarung zu finden. Wir haben ihn dabei unterstützt, eine gemeinsame Lösung zu finden. Das war ein Entgegenkommen von uns", betonte Mittelehner. Wenn Stöger auf das "vernünftige ÖVP-Paket" mit Deckelung und Mindestsicherung-Light mit Basisbezug nicht eingehe, "gibt es eben in Zukunft länderweise Regelungen.
Lopakta weist Darstellung zurück
Und natürlich reagierte VP-Klubobmann Lopatka auf die Darstellung, er hätte - mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Pühringer - die Koalitionseinigung über die Mindestsicherung verhindert. "Der Sozialminister hat Verhandlungen mit den Landeshauptleuten zu führen. Pühringer, Pröll, Schützenhöfer, Platter und Wallner sind die Ansprechpartner, nicht ich", sagte er.
Gelingt dies nicht, geht Lopatka davon aus, dass "wohl auch irgendwann die Bundeshauptstadt bemerkt, dass sie Druck für eine Einigung ausüben muss, denn Wien wäre das haupt-betroffene Land". Lopatka bekräftigte diese Forderungen einmal mehr. Alle EU-Staaten, die von der Flüchtlingswelle betroffen sind, hätten schon Kürzungen bei den Sozialleistungen vorgenommen - Dänemark verlange etwa sogar sieben Jahre Aufenthalt in den letzten acht Jahren für den vollen Bezug -, nur Österreich nicht.
Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) und Niederösterreichs ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger haben ihre Regelungen zur Mindestsicherung und ihr Nein zu den Vorschlägen von Sozialminister Alois Stöger verteidigt. Oberösterreich hat bereits seit Sommer eine eigene Regelung in Kraft, in Niederösterreich soll eine heute in den Landtag eingebracht und Mitte November beschlossen werden.
Pühringer sieht beim Modell Stögers (SPÖ) keine Einsparungen: "Unterm Strich kommt wieder das Gleiche heraus", meinte Pühringer am Donnerstag Rande eine Pressekonferenz in Linz. Stöger könne auch nicht erwarten, das "wir unsere Reform wieder in den Abfallkübel werfen". Das schwarz-blaue Oberösterreich hat bereits im Sommer eine Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte beschlossen und nicht abgewartet, bis zwischen Bund und Ländern eine neue 15a-Vereinbarung für alle Bezieher ausverhandelt wurde.
Zu Stögers Beurteilung, das oberösterreichische Modell sei verfassungswidrig, meinte er nur knapp: "Wir überlassen es den Richtern, was hält und was nicht." Zurückgewiesen hat er, dass ÖVP-Chef Reinhold Mittelehner zu einem Kompromiss in Sachen Mindestsicherung bereit gewesen wäre: "Davon weiß ich nichts", so der Landeshauptmann.
Gerechtigkeit ist "oberstes Gebot"
Neue soziale Gerechtigkeit sei in Niederösterreich "oberstes Gebot", stellte ÖVP-Klubobmann Schneeberger zum Plan Niederösterreichs fest, ab 1. Jänner die Mindestsicherung zu deckeln und sie für Personen zu reduzieren, die in den letzten sechs Jahren weniger als fünf Jahre hier gelebt haben. Jeder in Österreich verstehe, "dass jemand, der arbeiten geht, nicht der Dumme sein darf". Nur Stöger "verschließt beharrlich seine Augen vor der Realität".
Schneeberger bezeichnete es zudem als "nicht gerecht, dass jemandem, der sich in den letzten sechs Jahren nicht mindestens fünf Jahre davon in Österreich aufgehalten hat, schon der volle Betrag der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zusteht". Aber statt Gerechtigkeit herzustellen, vertrete Stöger einen Standpunkt, der rechtlich nicht nachvollziehbar sei. Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen würden vorsehen, "dass jedem Bürger eine Grundsicherung zusteht. Wie hoch die ist, obliegt dem Gesetzgeber", merkte Schneeberger an. Weil Niederösterreich nicht zwischen In- und Ausländern unterscheide, sei die Wartefrist bei der "Mindestsicherung light" auch nicht verfassungswidrig, entgegnete der Klubobmann.