Bayern baut "Grenzkontrolle light" aus
Von Evelyn Peternel
Sie dürfen entlang der Grenzen, auf Fernstraßen, an Bahnhöfen und Flughäfen kontrollieren – ohne jeglichen Verdacht, ohne Anlass: Schleierfahnder nennt die deutsche Exekutive Beamte, die – meist in Zivil – ihnen verdächtig erscheinende Menschen aufhalten, um sie nach ihren Papieren zu fragen. Eine "Grenzkontrolle light" quasi, die im eigentlich reisefreien Schengen-Raum durchgeführt wird.
Derartige Einsätze hat es in Deutschland immer wieder gegeben, zuletzt beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau – Bayern hat dabei wegen der vielen Staatsgäste die Schengen-Ausnahmeregelung genutzt und an der Grenze nach Pässen gefragt.
500 zusätzliche Beamte
Weil man dabei einen derart großen Fahndungserfolg vorweisen konnte, will der Freistaat nun wieder verstärkt kontrollieren: "Besorgniserregend" seien die Aufgriffszahlen gewesen, argumentierte man in München – 150 Straftaten wurden aufgedeckt, 430 Personen die Einreise verweigert. Ab Juli werden deshalb 500 zusätzliche Beamte für die Schleierfahndung abgestellt, allein 100 davon sollen an der deutsch-österreichischen Grenze postiert werden, um Einbrecher, Schleuser, Drogen- und Menschenhändler abzufangen.
Unumstritten ist dieser Vorstoß nicht. Andere Bundesländer haben so ihre Probleme mit der Maßnahme – bei der Innenministerkonferenz am Freitag blockten die SPD-regierten Länder deshalb auch die von CSU vorgeschlagene Ausweitung der Maßnahme auf das Bundesgebiet ab. Vor allem die SPD, die Linke und die Grünen haben die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser anlasslosen Kontrollen immer wieder hinterfragt; auch Juristen und NGOs äußerten wiederholt Kritik. Denn: Kontrolliert würden in der Praxis meist Personen, die "ausländisch" aussähen – und das sei "Racial profiling", wie das Deutsche Institut für Menschenrechte diese Polizeipraxis nennt.
Tschechische Busse
Auch außerhalb Deutschlands steht man der Schleierfahndung nicht überall positiv gegenüber. Aus Prag kam etwa Ablehnung, weil oftmals tschechische Reisebusse kontrolliert wurden, deren Insassen wenig Freude mit den Fahndern hatten. Die EU-Kommission hatte 2004 sogar angekündigt, gegen die Maßnahme in Bayern vorgehen zu wollen – man sah darin verdeckte Grenzkontrollen, die Reisefreiheit einschränken. Später verständigte man sich darauf, dass Fahndungen in Grenznähe durchgeführt werden dürfen – solange sie nicht systematisch sind.
Angesichts der jüngsten Flüchtlingsströme stehen die Bayern mit ihrer Idee aber nicht ganz alleine da. Auch in anderen EU-Ländern hat man zuletzt – zumindest kurzfristig – wieder Kontrollen eingeführt; Frankreich etwa hat Beamte an der Grenze zu Italien eingesetzt, Rom wiederum welche an den Übergängen zu Slowenien und Österreich stationiert. Und in Dänemark überlegen die Rechtspopulisten lautstark, generelle Grenzkontrollen zu Deutschland und Schweden wieder einzuführen. Der derzeit über eine Regierungsbeteiligung verhandelnden Dänischen Volkspartei ist dabei auch egal, dass das im Widerspruch zu EU-Recht steht.