Politik/Inland

Roma-Vertreter Sarközi ortet "Ende der Ausgrenzung"

1995 hat ein Bombenattentat auf vier Roma Österreich wachgerüttelt. Volksgruppenvertreter Rudolf Sarközi spricht im KURIER über persönliche Angst, Ausgrenzung und Politik.

KURIER: Gehört das Wort Zigeuner der Vergangenheit an?

Rudolf Sarközi: Für mich ja. In meiner Muttersprache gibt es das Wort Zigeuner nicht. Jeder, der das Wort noch verwendet, der provoziert uns oder kennt seine eigene Geschichte nicht. Wir sind in unserer Muttersprache Rom und Romni, Mann und Frau, Roma als Mehrzahl.

Vor 20 Jahren wurden die Roma als Volksgruppe anerkannt. Doch war nicht das Attentat 1995 in Oberwart, so traurig es auch ist, bedeutender für die Anerkennung?

Für mich persönlich stellte sich die Frage: Tu’ ich weiter oder bekomme ich Angst. Ich hab’ weitergemacht. Aber die Aufmerksamkeit wurde durch diesen traurigen Vorfall schon verstärkt auf uns gelenkt.

Anerkennung hin und her, wie schaut’s aus mit der Wertschätzung Ihrer Volksgruppe?

Die Wertschätzung hat einen enormen Fortschritt genommen. Für mich ist der Satz: vom Rand in die Mitte ein Begriff geworden. Ich bin nach dem Krieg in Unterschützen aufgewachsen, ich weiß, wovon ich spreche. Wir waren am Dorfrand, wir waren ausgegrenzt. Und jetzt, wenn ich nach Oberwart oder Unterschützen komme, werde ich mit größtem Respekt begrüßt. Es gibt keinen Unterschied mehr und es gibt auch keine Ausgrenzung. Aber natürlich wirst du immer jemanden finden, der Rassismus betreibt.

Warum sitzt eigentlich noch kein Roma im Parlament, wo sich doch die Parlamentspräsidenten Heinz Fischer und Barbara Prammer immer wieder gerne mit Roma abbilden lassen?

Wir haben niemanden, der sich partei-politisch engagiert. Nur ich. Die Jungen sind noch nicht so weit oder wollen nicht. Ich weiß es nicht.

Es gibt Roma, die von der Politik enttäuscht sind. Liegen die falsch oder richtig?

Die liegen genauso richtig und falsch wie die Mehrheitsbevölkerung. Da gibt es auch die Unzufriedenen. Warum rennens zum Stronach? Das kann man an Volksgruppen nicht festmachen.

Wie schätzen Sie die Situation der Roma in Osteuropa ein?

Sie leben in ärmster Armut. Sie sind 50 Jahre zurück. Ich, als politisch denkender Mensch, fordere seit neun Jahren einen EU-Kommissar für Minderheiten. Wenn sich in dieser Richtung nichts tut, dann wird sich in Europa nichts ändern.

Sind Sie stolz, Roma zu sein?

Für mich hat das mit Stolz nichts zu tun. Es ist aber keine Schande, ein Roma zu sein. Ich bin ein Mensch wie jeder andere.

Geschichte

Die Volksgruppen der Roma und Sinti leben heute vor allem in Ostösterreich. Erste Vorfahren sind schon im 15. Jahrhundert aus Indien Richtung Südosteuropa immigriert. In einer zweiten Einwanderungswelle ab 1900 zog es vor allem Roma aus den Ostländern der Monarchie Richtung Österreich. Heute leben rund 25.000 Menschen der Volksgruppe im Land. Während der NS-Herrschaft wurde die Volksgruppe verfolgt, viele Mitglieder deportiert und getötet. 1993 wurden die Roma als Volksgruppe anerkannt.