Politik/Inland

"Wir verscherbeln unser letztes Hemd"

Grau-Schwarze Wolken hängen über Kärnten. Es ist Freitag, der "Tag danach". Also jener Tag nach dem Canossagang der Kärntner Regierungsspitze im Wiener Kanzleramt, um frisches Geld fürs Budget bei der Bundesfinanzierungsagentur loszueisen. Die Temperaturen in Klagenfurt sind mild, aber die Stimmung ist frostig – weil nach dem Zahlungsstopp für Ermessensausgaben im südlichsten Bundesland bereits jetzt viele Projekte auf Eis liegen; und weil die Bevölkerung befürchtet, dass die Finanzlücke weitreichende Folgen haben wird.

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"Kärnten droht der Ausverkauf, wir verscherbeln jetzt unser letztes Hemd und mit dem Zukunftsfonds eventuell auch unsere Zukunft. Finanzminister Hans Jörg Schelling spielt den starken Mann und will uns unter Kuratel stellen – eine Frechheit", sagt der Pensionist Dieter Kolacny aus Klagenfurt. Walter Kühpacher ergänzt: "Eine traurige G’schicht, das Ganze. Wir in Kärnten sind ja so weit weg von Wien, die scheren sich nicht um uns. Arbeitsplätze sind in Gefahr, Investitionen werden nicht mehr getätigt, das Land steht still, das letzte Vermögen ist weg – doch das juckt die in Wien nicht."
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Spart sich Kärnten in die nächste Krise? Zahlungen für Hilfsleistungen und Probeuntersuchungen im Zusammenhang mit dem Hexachlorbenzol-Skandal sind offen. 500 Euro Babygeld werden nur noch für jene Neugeborenen ausbezahlt, die bis 30. April 2015 auf die Welt kommen. Der ausgerufene Zahlungsstopp betrifft Kulturinitiativen (im Museum für Moderne Kunst in Klagenfurt wurden am Freitag aus Geldmangel sämtliche Ausstellungen für Sommer 2015 storniert), Brauchtumsverbände, Sportvereine, aber primär Wohnbauprojekte und solche zur Straßen- und Brückensanierung.

Volkswirt Robert Klinglmair von der Uni Klagenfurt erwartet Konsequenzen in Form von steigenden Arbeitslosenzahlen. "Im Frühling wird die Bauwirtschaft gewöhnlich angekurbelt, jetzt liegt alles in der Warteschleife. Das trifft den Arbeitsmarkt, wirkt dämpfend auf den Konsum", ist Klinglmair überzeugt.

Kündigungen

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Größere und kleinere Unternehmen aus der Bauwirtschaft haben in Mails an die Kärntner Polit-Spitze deutlich gemacht, dass sie im Mai rund ein Drittel ihrer Mitarbeiter beim Arbeitsmarktservice anmelden müssen.

"Mich trifft’s ja nicht mehr, aber die jungen Kärntner wird die Hypo/Heta-Problematik hart in Form von Arbeitslosigkeit erwischen", blickt Kühpacher in eine düstere Zukunft. Die 22-jährige Julia Lausegger nickt zustimmend. "Eine Bekannte arbeitet bei einer Firma, die jetzt zudreht. Sie muss bis zum letzten Tag bleiben, weil sie die Kündigungen für die Kollegen ausstellt."

Peinlich ist ihr die Außenwirkung des Bittgangs der Kärntner. Lausegger: "Von meinen Freunden in Wien muss ich mir massenhaft Kärnten-Witze anhören. Wir werden vom Bund behandelt wie die Griechen von der EU. Es ist einfach nur mehr peinlich, auf Knien zu rutschen und um Geld betteln zu müssen, nur damit ein Bundesland zahlungsfähig bleibt."