Politik/Inland

Putin-Besuch: Kurz sprach sich mit Merkel ab

Mit weniger als Minus 20 Grad war es gestern in Moskau um einiges kälter als in Österreich. Es ist zudem eine andere Kälte, die in alle Ritzen des Körpers dringt und es schier unmöglich macht, länger auf den Straßen zu bleiben. Überall sieht man dick eingemummte Menschen, manche mit Gesichtsmasken und dicken festen Stiefeln, die schnellen Schrittes den nächsten wärmenden Ort aufsuchen.

"Rebell der EU"

Wie jeden Tag stößt zur Rushhour der Verkehr in Moskau an seine Grenzen, die Abgase der Autos und die klirrende Kälte machen das Atmen schwer. Dass der österreichische Kanzler zu Besuch ist, wissen nur wenige Passanten unweit des Roten Platzes vor dem Kreml, aber viele haben schon gehört vom jüngsten Regierungschef Europas. Einige Medien berichteten im Vorfeld, dass der "Rebell der EU" zu Putin reist und dass sich Russland viel vom jungen Kanzler hinsichtlich Lockerung der EU-Sanktionen erhoffe. Kurz wollte die Medienberichte im Interview nicht kommentieren, "da man weiß, was von russischen Medien zu halten ist".

Gut geheizt war es später im Kreml, wo der russische Präsident und der österreichische Kanzler nach einem dreistündigen Arbeitsgespräch und einem gemeinsamen Mittagessen eine Pressekonferenz gaben. Nach unzähligen Sicherheitskontrollen, die eher ob ihrer Laschheit ein Unsicherheitsgefühl erzeugen, traten Putin und Kurz knapp vor 17.00 Uhr vor die Presse. Die Anzahl der Fragen wurde auf vier begrenzt. Neben einer Handvoll mitgereister österreichischer Journalisten fanden sich auch rund zwei Dutzend russischer und internationaler Medienvertreter ein. Die meisten kamen weniger wegen Kurz, sondern mehr wegen Putin, in der Hoffnung, ein rares Statement zum Krieg in Syrien zu bekommen.

Brisantes Thema Ukraine-Konflikt

Ein etwas grimmig wirkender Putin, der sich in drei Wochen der Wiederwahl stellt, betonte in seinem Statement die guten Beziehungen zu Österreich und lobte das freundschaftliche Verhältnis der beiden Länder und bekannte sich zu gemeinsamen Projekten wie dem Ausbau der Breitspur-Eisenbahn und der Gaspipline Nord Stream 2.

Kurz wurde konkreter und sagte einmal mehr zu den EU-Sanktionen, die nach der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ostukraine von der EU über Russland verhängt wurden, "dass sie solange aufrecht erhalten bleiben, bis sich Russland im Ukraine-Konflikt zu einer klaren Friedenslösung bekennt und auch die entsprechenden Schritte setzt". Putin erwidert, dass man durchaus bereit sei, Schritte für eine Lösung in der Ukraine setzen zu wollen, allerdings dürfe das keine Einbahnstraße sein, die Schuld sehe er in Kiew, aber er werde sich weiter dafür einsetzen, dass das Minsker Abkommen für einen dauerhaften Frieden durchgesetzt wird.

Österreichische Soldaten in Ostukraine möglich

Besprochen wurde auch ein möglicher UNO-Einsatz zur Friedenssicherung in der Ostukraine, bei dem sich auch Österreich mit Soldaten beteiligen könnte. "Wir stehen grundsätzlich bereit und haben das auch schon in der Bundesregierung besprochen", erklärte Kurz.

Zum Bürgerkrieg in Syrien unter russischer Beteiligung, der in den vergangenen Wochen hunderte Tote - vor allem Zivilisten - forderte, vertrat Kurz ebenso eine klare EU-Position. "Ich habe mich vorab mit Kanzlerin Angela Merkel abgesprochen. Russland hat hier eine Verantwortung, dass das Blutvergießen beendet wird. Ich habe an ihn appelliert, dass er seinen Einfluss auf Assad geltend macht und die Kampfhandlungen beendet", sagte er.

Putin begrüßte die UNO-Resolution zu Ost-Goutha, verwies aber drauf, dass sich in dieser Region viele terroristische Gruppierungen aufhalten, die einen Waffenstillstand unmöglich machen würden. "Sie greifen unsere Einrichtungen in Syrien an, unsere Botschaft und unsere Handelsmission, deshalb ist es nur logisch, dass wir uns wehren", sagt Putin.

Kurz traf NGO-Vertreter

Abseits des offiziellen Programms hat sich Kurz in der österreichischen Botschaft auch mit Vertretern der russischen Zivilgesellschaft getroffen. Den russischen Organisatoren habe man das im Vorfeld mitgeteilt, sagt Kurz. Unter den Gesprächspartnern waren Lew Gudkow vom unabhängigen Umfrageinstitut Lewada-Zentrum, die Menschenrechtlerin Irina Scherbakowa von der Organisation Memorial und Roman Udot von der Wahlbeobachter-NGO Golos. Die letzten drei Organisationen sind vom russischen Justizministerium wegen einer zumindest teilweisen Finanzierung aus dem Ausland als "ausländischer Agent" gebrandmarkt worden.

Das Treffen von Kurz mit Putin war schon länger geplant, musste wegen der Nationalratswahl allerdings verschoben werden. Mit seiner 24-Stunden-Visite machte der Kanzler deutlich, dass nach den EU- künftig auch die Russland-Agenden im Kanzleramt angesiedelt sind. Damit kommt er dem pro-russisch eingestellten freiheitlichen Koalitionspartner zuvor, der sich bekanntlich offen für ein Ende der Sanktionen bekennt. Die Frage, ob der Besuch in Moskau mit dem Koalitionspartner abgesprochen war, verneinte Kurz; auf die eher ironische, ob ihm der selbsternannte Russland-Experte Heinz Christian Strache Tipps für die Reise zu Putin mitgegeben hat, wollte der Kanzler nicht antworten.

Offenlegung: Die Reise nach Moskau wurde durch das Bundeskanzleramt organisiert und teilweise finanziert.

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