Politik/Inland

OSZE-Gipfel: Kleiner Kalter Krieg in der Hofburg

Es geht Handschlag auf Handschlag. Nacheinander fahren die Außenminister der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) Donnerstagfrüh vor der Hofburg vor, um von ihrem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz sowie dem Generalsekretär der OSZE, Thomas Greminger, empfangen zu werden.

Aus den 57 OSZE-Staaten hatten sich 41 Minister angekündigt. Es sind mindestens so viele Hände, die Kurz und Greminger an diesem Morgen schütteln, um danach in den Tagungssaal zu bitten – jeder einzelne Handschlag begleitet von Blitzlichtgewitter.

Dass auch der Generalsekretär die Gäste empfängt, ist dabei wohl der innenpolitisch exponierten Lage geschuldet, in der sich Kurz als angehender Regierungschef derzeit befindet.

"Ein schlauer Zug", wie eine Beobachterin meint. Den Freundlichkeiten am Eingang sollten harte Bandagen folgen.

Breitseite gegen Moskau

Während Kurz bei der Eröffnung des Ministerrates Fortschritte hervorhob, die drei Vorhaben des österreichischen Vorsitzes betonte und einen hoffnungsvollen Ausblick auf die Zukunft gab, waren es zwei OSZE-Granden an seiner Seite, die ein ganz anderes Bild malten: So sprach Greminger davon, dass die OSZE nur so stark sein könne, wie sie ihre Mitgliedstaaten machen würden. Über die Eskalation in der Ukraine (2017 verzeichnete die OSZE-Beobachtermisssion SMM in der Ukraine ein erstes Todesopfer) sagte Greminger: "Ich bin zutiefst besorgt."

Und der Präsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, der Georgier George Tsereteli, leitete seine Begrüßung mit den Worten ein: "Wir kommen zusammen in Zeiten tiefer Differenzen." Man müsse gegen fundamentale Brüche internationalen Rechts aufstehen, sagte er – um darauf territoriale Souveränitätsverletzungen ins Rennen zu führen. Eine Breitseite gegen Russland.

Prelude zu dem, was folgen sollte. Ein Schlagabtausch in Statements. Man könnte es auch als verbale Messerstecherei bezeichnen.

Alle Inhalte anzeigen

Da donnerte Russlands Außenminister Sergej Lawrow – wie gewohnt nüchtern im Ton, jedoch scharf in der Wortwahl – gegen die NATO, die sich an der West-Flanke Russlands breit mache; gegen die Einflussnahme anderer Länder in innere Angelegenheiten. Lawrow sprach von Hoffnung sowie dem Willen Moskaus, militärische Spannungen zu reduzieren.

Ein Stakkato an Vorwürfen: Er warf westlichen Staaten – im konkreten Fall Frankreich – vor, Medien in Propaganda-Werkzeuge verwandeln zu wollen. Russische Medien wie Sputnik seien von Pressekonferenzen ausgeladen worden.

Dass sich im Konflikt in der Ukraine nichts bewege, liege – wenig überraschend – an Kiew. "Alle Verantwortung liegt bei der Ukraine", so Lawrow. Die Regierung in Kiew nannte er Junta.

Krim "nie akzeptieren"

Darauf US-Außenminister Rex Tillerson: Während Kiew Schritte unternehme, um das Minsk-Abkommen zur Beilegung des Konfliktes umzusetzen, tue das Russland in keiner Weise. Er hob den Tod eines US-amerikanischen Mitglieds der OSZE-Mission in der Ukraine hervor.

Später, nach einer bilateralen Unterredung mit Kurz, sagte Tillerson: "Russlands Verständnis von der Souveränität der Ukraine werden die USA nie akzeptieren." Bei unterschiedlichsten Themen könne man unterschiedlicher Meinung sein, eine Invasion und die Einverleibung von Gebieten eines anderen Staates aber seien inakzeptabel.

Und der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin: Von einem neuen Kalten Krieg zu reden, sei eine Untertreibung, "der Krieg in der Ukraine ist echt". Und: "Der Zustand in der Ostukraine und die Annexion der Krim können nicht die neue Realität Europas sein."

Tagelange Verhandlungen

Viel ist von Dialog und Kompromiss in den Hallen und Gängen der Hofburg die Rede. Davon, dass man Einigungen finden müsse. Viel ist auch davon die Rede, dass seit Tagen und Nächten in Wien verhandelt wird, wie es mit der OSZE weitergehen soll, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen.

Und vor allem wird auch darüber gemunkelt, dass sich diese Gespräche wohl über den Freitag hinaus ziehen werden, wenn die Minister abgereist und die Delegationen sich selbst überlassen sein werden. Nur ein Außenminister hat den Ruf, solche Gespräche bis zum völligen Abschluss zu führen: Lawrow.

Der Ministerrat bildet den offiziellen Abschluss des österreichischen OSZE-Vorsitzes. Mit der Jahreswende übernimmt Italien dann formell den Vorsitz – und damit einer Organisation, in der die Differenzen und Konflikte zwischen Russland und Europa sowie den USA tiefe Gräben hinterlassen haben.

Der amerikanische Chef-Diplomat würdigte Österreichs Beitrag im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (vor allem die humanitäre Hilfe in den befreiten Gebieten) und den „starken Führungsstil“ von Kurz, den er mehrmals „Prime Minister“ nannte. Die USA würden sich schon auf eine „Zusammenarbeit mit der neuen Regierung freuen“.

Zudem hob Tillerson die Bemühungen der OSZE unter österreichischem Vorsitz hervor, den Konflikt in der Ukraine zu entschärfen. In der Nordkorea-Krise würden Washington und Wien an einem Strang ziehen – mit dem Ziel einer „Denuklearisierung“ der koreanischen Halbinsel.

Nicht abgeneigt zeigte sich der US-Außenminister gegenüber der Idee, in der Bundeshauptstadt einen Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin abzuhalten: „Wien hat viele großartige Gebäude, in denen man Treffen abhalten kann.“

Kritik aus Russland

Kritik an Österreich kam hingegen vom russischen Außenminister Sergej Lawrow. Er prangerte an, dass Anfang November drei Journalisten aus der annektierten Krim keine Visa erhielten – was freilich den EU-Vorgaben entspricht.