ÖVP über FP-Hartinger: "Chaotisch und inkompetent"
Ob sie einfach einmal durchschnaufen darf? Vielleicht kommt Beate Hartinger-Klein ja am Donnerstag dazu.
Wenn die Ministerin im Wiener Austria Center auftritt, ist sie kurz weg von den innenpolitischen Niederungen. Als Vorsitzende darf sie den informellen Beschäftigungs- und Sozialrat eröffnen, und man muss kein Prophet sein, um zu wissen: Weder die EU-Kommissarin noch die anwesenden EU-Sozialminister werden Hartinger-Klein mit Details zur AUVA-Reform, zur „Kostenbremse“ oder der Fusion der Krankenkassen quälen.
Andererseits: Vielleicht ist es ihr mittlerweile egal. Denn für die Freiheitliche läuft es einfach nicht. Und zwar überhaupt nicht.
Erst am Dienstag musste sie sich ausrichten lassen, sie agiere „nicht besonders kompetent“. Das ist für ein Regierungsmitglied nicht ungewöhnlich. Doch abgesehen davon, dass mittlerweile der Gewerkschaftsbund, die Ärztekammer und auch die Sozialversicherung veritable Schwierigkeiten mit Hartinger-Klein anmeldet, war es im konkreten Fall ausgerechnet ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner, der sich nicht zurückhalten wollte.
Derlei Zeichen sind auffällig, zumal neben Wallner auch Vertreter der ÖVP-nahen Christgewerkschaft ganz offen aussprechen, dass sie Hartinger-Klein für keine gute Ministerin halten.
Sieben Monate nach dem Amtsantritt geht es für die gebürtige Grazerin damit um viel, vielleicht schon um alles. Denn es ist Gift für eine Regierung, wenn die Bevölkerung das politische Geschick ihrer Protagonisten hinterfragt.
Dass dem so ist, belegen bereits die Zahlen: Mit Stand Juli 2018 hat Beate Hartinger-Klein laut der jüngsten OGM-Umfrage für den KURIER von allen Ministern die schwächste Zeugnis-Note. Während Kanzler Sebastian Kurz bei der Schulnotenskala auf einen Durchschnittswert von 2,7 kommt, hält die blaue Sozialministerin bei 3,5.
Nun sind Umfragen immer Momentaufnahmen. Mittlerweile wird aber selbst in der Bundesregierung überlegt, ob und wie lange die Ressortchefin noch tragbar ist – aus mehreren Gründen.
Hartinger-Klein verantwortet nicht nur ein Portefeuille, das mit den Themen Soziales, Pensionen, Arbeitsmarkt, Pflege und Konsumentenschutz noch jede Menge Reiz- und Streitthemen bieten wird. Sie ließ in kleinen Runden zudem schon von Beginn an wissen, dass sie „der ÖVP „eigentlich nicht vollends traut“.
Revanche-Foul
Eines der leuchtendsten Beispiele ist in diesen Tagen ein Mann namens Clemens Martin Auer. Als Hartinger-Klein zwischen 2003 und 2009 führend im Hauptverband arbeitete, saß ihr Auer als Kabinettschef der ÖVP-Gesundheitsministerin gegenüber. „CMA“, wie man ihn intern nennt, wurde Sektionschef, gilt als der Architekt de facto aller Gesundheitsreformen – und wurde kürzlich im Zuge eines Gesamt-Umbaus des Ressorts seiner Funktion enthoben. Ein spätes Revanche-Foul, unkt man im Hauptverband. Alles Unsinn, widerspricht man im Gesundheitsressort. Auer sei im „besten Einvernehmen“ gegangen.
Weit schwerer wiegt der Vorhalt, Hartinger-Klein neige zu „Schnellschüssen“.
„Sie stellt sich beim Life Ball auf die Bühne und behauptet, dass der HIV-Test in der Vorsorge-Untersuchung enthalten ist bzw. sein wird. Das war symptomatisch für sie“, erklärt ein hochrangiger Kassen-Manager.
Die oft fehlende Abstimmung mit den „Systempartnern“ droht Hartinger-Klein auch bei den Reizthemen „AUVA“ und „Kostenbremse“ zum Fallstrick zu werden. In beiden Fällen tat sie das, was man intuitiv als Ministerin für richtig halten würde: Sie beruhigte die Betroffenen. Das Problem dabei: Ihre politischen Versprechen sind angesichts der massiven Reformpläne auch mit viel Mühe nicht mehr seriös darstellbar.
Die AUVA etwa soll bei einem operativen Budget von 750 Millionen Euro im Jahr 500 Millionen einsparen und trotzdem nichts an den Leistungen für die Patienten ändern. Bei der „Kostenbremse“ ist es ähnlich: Obwohl man der Sozialversicherung gesetzlich verboten hat, bis Ende 2019 größere Investitionen anzugehen, weil man ja großflächig umbaut, versichert Hartinger-Klein, dass wichtige Bau-Projekte wie Zahnambulatorien oder Kinder-Ambulanzen natürlich nicht betroffen seien.
Wie jetzt?, fragen sich die Manager in den Krankenkassen. Mancherorts, wie in der Pensionsversicherung, haben die Konflikte die höchster Ebene erreicht.
In der FPÖ scheint man vorerst nicht daran zu denken, die Ministerin fallen zu lassen. „Eine Sickl (Ministerin unter Schwarz-Blau I) agierte unglücklich, und damals wurde in der FPÖ-Regierungsmannschaft flott ausgewechselt, wie man bei Verkehrsminister Schmid sehen konnte“, sagt Parteikenner Andreas Mölzer. Diesmal sei die Sache anders: „Die jetzige Parteiführung scheint nicht gewillt, Minister abzuberufen, auch nicht Frau Hartinger-Klein.“ Wie lange aber wird die ÖVP dem „großen Chaos“ (Wallner) noch zuschauen?