Politik/Inland

ÖVP-Pflegeversicherung: Gegenwind von Industrie bis ÖGB

In der vom ÖVP-Pflegekonzept hauptbetroffenen AUVA hält man sich bedeckt. Aus Sicht der AUVA-Führung müssten zunächst Leistungsspektrum und Finanzierung definiert und mit einem tragfähigen gesetzlichen Konzept versehen werden. Grundsätzlich müsse die Politik entscheiden, "welche Leistungen wir als Sozialversicherungsträger erbringen sollen", heißt es in einem E-Mail von Obmann Anton Ofner.

Die ÖVP will eine Pflegeversicherung, wie Parteichef Sebastian Kurz am Montag bei einer Pressekonferenz sagte. Die Gelder dafür sollen aus dem Budget und aus der Unfallversicherung (AUVA) kommen.

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Kritik der Industrie

Seitens der Wirtschaftskammer wurde darauf verwiesen, dass es ungeachtet der Pflegereform zu einer spürbaren Senkung der Lohnnebenkosten kommen müsse. Aus Sicht der Wirtschaft müsse jedenfalls ein nachhaltigerer Einsatz der vorhandenen Mittel zur Unterstützung der Menschen gefunden werden sowie eine bessere Koordination, etwa wenn es darum gehe, sicherzustellen, dass die Unterstützung bei den Pflegebedürftigen ankomme.

Wenig Gefallen am Finanzierungsmodell zur Pflege findet die Industriellenvereinigung. Deren Präsident Georg Kapsch meint in einer Aussendung: "Ein schlichter Zugriff auf Dienstgeberbeiträge bzw. Lohnnebenkosten für Erwerbstätige wäre unsachlich und ist daher klar abzulehnen." Überhaupt missfällt Kapsch ein Versicherungsmodell an sich, vielmehr brauche es eine Senkung der Lohnnebenkosten, sagte auch er.

Arbeiterkammer-Präsidentin: "Luftschloss"

Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter pocht darauf, dass eine Reform nicht wegen der Neuwahl auf die lange Bank geschoben wird: "Wichtig ist, dass es ein Pflegekonzept gibt, das auch nachhaltig ausfinanziert ist. Auch bei einer Pflegeversicherung stellt sich die Frage, wer das finanziert." Jedenfalls müssten pflegende Angehörige besser unterstützt werden und wirksame Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel gefunden werden.

Eine Finanzierung der Pflege über die AUVA sei ein "Luftschloss", findet wiederum Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl. Den AUVA-Beiträgen von rund 1,4 Milliarden Euro stünden schon derzeit rund fünf Milliarden Euro an öffentlichen Aufwendungen für die Pflege gegenüber. Der Rest soll aber sowieso über das Budget kommen. Ehrlicherweise sollte man dann gleich über eine Steuerfinanzierung reden, meint Anderl und spricht ihren Wunsch nach einer Erbschaftssteuer an.

GPA-Chefin Teiber: "Absurd"

"Absurd" findet auch GPA-Chefin Barbara Teiber den Ansatz, die Pflege über Mittel der AUVA zu finanzieren. Diese brauche ihre Mittel zur Top-Behandlung von Unfallopfern: "Die Zuständigkeit für Pflege zur AUVA zu schieben ist so, als würden Sie jemanden mit Bauchschmerzen zum HNO-Arzt schicken, weil der gerade Zeit hat", sagte die sozialdemokratische Gewerkschafterin.

Wie schon bei der Sozialversicherungsreform bleibe die ÖVP eine glaubwürdige konkrete Finanzierung schuldig, zeigt sich aber auch der Vorarlberger AK-Präsident Hubert Hämmerle von den Christgewerkschaftern skeptisch. Eine Pflegeversicherung koste Milliarden, die Finanzierung sei jedoch völlig unklar, kritisierte er am Montag in einer AK-Aussendung.

"Sehr kritisch" sieht die ÖVP-Pläne auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres, der einen Bürokratie-Mehraufwand erwartet. Österreich brauche nicht zwingend eine neue Versicherung neben den vier bestehenden.

Keine Gegenliebe bei anderen Parteien

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker meinte, dass eine Pflegeversicherung über die Sozialversicherung die denkbar teuerste Variante sei. Die ÖVP-Pläne würden zum selben "Desaster" wie bei den Pensionen führen, nämlich, dass die Zuschüsse aus dem Budget jedes Jahr exorbitant steigen.

"Undurchdacht" ist der ÖVP-Vorschlag für SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Denn die Finanzierung könne sich "finanziell niemals ausgehen". Den Betroffenen würden damit Mehrausgaben bleiben. Auch gibt es im ÖVP-Papier nach Meinung von Muchitsch null Verbesserung für Beschäftigte im Pflegesektor.

Pflege habe selbstbestimmt und flexibel vor Ort stattzufinden und müsse aus Steuermitteln finanziell abgesichert sein, erklärte Jetzt-Gesundheitssprecherin Daniela Holzinger-Vogtenhuber, früher bei der SPÖ. Eine zusätzliche Sozialversicherung werde für alle zusätzliche finanzielle Belastungen bringen.

FPÖ-Chef Norbert Hofer sieht die Vorstellungen der ÖVP im Pflegebereich als unausgegoren an. Auch für ihn steht fest, dass eine Pflegeversicherung zu Mehrkosten für die Versicherten führt.