Österreicher für Schulautonomie, Mehrheit bleibt aber Zitterpartie
Von Bernhard Gaul
Der 7. Juni wird zum Schicksalsdatum für die Bildungsreform – und damit für das Kabinett Kern-Mitterlehner. Spätestens an diesem Tag muss die Bildungsreform dem Ministerrat vorgelegt werden, so sie noch vor dem Sommer vom Parlament beschlossen werden soll.
Bis dahin wird verhandelt: Mit Schülervertretern, mit Elternvertretern, mit der Lehrergewerkschaft; und mit Grünen oder Freiheitlichen im Parlament – die Regierung braucht nämlich eine Zweidrittel-Mehrheit, die SPÖ und ÖVP nicht haben.
Starken Rückenwind gibt der Regierung eine aktuelle GfK-Umfrage, wonach erstaunliche 74 Prozent der Befragten den Ausbau der Schulautonomie befürworten und auch wesentliche Themen der Reform.
Wie aus Verhandlerkreisen zu hören ist, ist keiner der Eckpunkte einzementiert, über alles wird verhandelt. Nach Sichtung der 1570 Stellungnahmen der parlamentarischen Begutachtung konzentrieren sich die Verhandler auf die wesentlichen Kritikpunkte:
Klassengröße
Die Klassengröße – derzeit im Pflichtschulbereich bei 25 Schülern – soll nicht mehr gesetzlich limitiert werden, um den Direktoren Freiheit über die Art des Unterrichts – Blockvorlesungen, Kleingruppen – zu geben. Die Gewerkschaft fürchtet, dass damit Riesenklassen von den Behörden erzwungen werden könnten. Gelöst werden soll das, indem entweder im Gesetz präzisiert wird, dass nicht mehr als 25 Schüler pro Klasse sein dürfen. Oder, indem die Entscheidung nur von den Schulpartnern (Lehrer, Eltern, Schüler) getroffen werden darf. Damit, ist aus Verhandlerkreisen zu hören, könnte auch die Gewerkschaft einverstanden sein.
Zwang zum Cluster
Die knappen Ressourcen – Laborräume, Turnsäle, Lehrerstunden – sollen in Schulverbänden ("Cluster") gebündelt werden können. Als problematisch gilt, dass Schulen auch gezwungen werden können, sich einem Cluster anzuschließen. Gelöst werden könnte das, indem doch die Freiwilligkeit im Gesetz stehen soll, und nur bei Kleinstschulen am Land ein Zwang vorgegeben werden kann. Auch damit könnte die Gewerkschaft einverstanden sein.
Sonderschulen
Die Lehrervertreter fürchteten zudem, dass Sonderschulen abgeschafft werden. Das Bildungsministerium hat das bereits klargestellt: Die Sonderschulen werden nicht abgeschafft, heißt es unmissverständlich in einer Einladung des Ministeriums zu einer Info-Veranstaltung für betroffene Lehrer und Eltern am kommenden Mittwoch.
Mitsprache am Standort
Den Schülern ist es ein Anliegen, das gewisse Rechte bei den Schulpartnern bleiben, etwa die "Hausordnung", in der ein Handyverbot oder ähnliches künftig auch gegen den Willen der Schüler fixiert werden könnte. Auch hier kann sich die Regierung einen Kompromiss vorstellen.
Sofern das alles klappt, und die Gewerkschaft ihren Widerstand aufgibt, fehlt noch die Opposition. Die Grünen haben drei wesentliche Bedingungen genannt: Bildungsregion (also Gemeinsame Schule der 6 bis 14-Jährigen) ermöglichen; Ent-Parteipolitisierung bei der Direktoren-Bestellung; ein "echter" Chancenindex samt mehr Geld für Brennpunktschulen.
Chancenindex
Vorgesehen ist, dass rund fünf Prozent des Schulbudgets für Brennpunktschulen umgeschichtet werden können. Der Bund gibt die Regeln vor, die Entscheidung fällt die Landes-Bildungsdirektion. Offen ist, ob das den Grünen reicht.
Ent-Parteipolitisierung
Die geplante Direktorenbestellung hat zweifellos eine ÖVP-Schlagseite, weil sowohl die Beamtengewerkschaft GÖD als auch der ÖAAB-dominierte Zentralausschuss mitentscheiden. Auch hier sieht die Regierung noch Spielraum.
Bildungsregion
Nur bei diesem Thema hat sich die Bundes-ÖVP eingemauert. Eine Öffnung der 15-Prozent-Sperre (maximal 15 Prozent der Schüler eines Landes dürfen an einer Modellregion zur Gemeinsamen Schule teilnehmen) ist für die ÖVP derzeit ausgeschlossen.
Sollte das die letzte Hürde für eine Einigung sein, ist mehr als fraglich, dass die Grünen deshalb das Monsterprojekt Schulautonomie in der Zielgeraden noch scheitern lassen.