Politik/Inland

Novemberpogrome: IKG und Rosenkranz gedenken getrennt

Am Samstag jähren sich die Novemberpogrome gegen die jüdische Bevölkerung zum 86. Mal. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hat für Freitag Vertreterinnen und Vertreter von Regierung und Nationalrat zur Gedenkveranstaltung bei der Shoah-Namensmauer im Ostarrichipark eingeladen, Freiheitliche sind nicht erwünscht. Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) wird indes beim Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah am Judenplatz einen Kranz niederlegen.

In der Nacht von 9. auf 10. November 1938 wurden im gesamten "Deutschen Reich" systematisch Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und Jüdinnen und Juden misshandelt. Allein in Österreich wurden damals mindestens 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Nachdem der Jahrestag diesmal auf einen Samstag und damit den jüdischen Ruhetag Shabbat fällt, finden die Gedenkveranstaltungen heuer bereits am 8. November statt.

An der IKG-Veranstaltung Freitagfrüh bei der Shoah-Namensmauer werden mehrere ÖVP-Ministerinnen und -Minister, der zweite Nationalratspräsident Peter Haubner (ÖVP) sowie Beamtenminister und Grünen-Chef Werner Kogler teilnehmen. Für die SPÖ ist der geschäftsführende Klubobmann Philip Kucher vor Ort, für die NEOS Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. An die FPÖ erging keine Einladung, die IKG geht mit Verweis auf zahlreiche antisemitische Vorfälle auf Distanz zur Partei.

Deutlich kleiner als das IKG-Gedenken wird die nahezu zeitgleich angesetzte Veranstaltung von Rosenkranz ausfallen, der als Nationalratspräsident auch dem Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus vorsteht. Neben Rosenkranz selbst werden laut seinem Sprecher Parlamentsdirektor Harald Dossi und voraussichtlich beide Geschäftsführerinnen des Nationalfonds, Hannah Lessing und Judith Pfeffer, bei der Kranzniederlegung am Judenplatz erwartet. Der zweite Nationalratspräsident Haubner und die von der SPÖ gestellte dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures wurden über den Termin informiert, sind laut dem Sprecher allerdings verhindert.

Verharmlosung und Huldigung

Auch Vertreter der Kultusgemeinde sollten laut dem Sprecher zur Kranzniederlegung eingeladen werden, eine Teilnahme ist freilich unwahrscheinlich. Immerhin hatte IKG-Präsident Oskar Deutsch zuletzt mit einem Brief an die Nationalratsabgeordneten gegen die Wahl von Rosenkranz mobil gemacht, der Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Libertas ist und laut Deutsch "Nazi-Verbrecher als burschenschaftliche 'Leistungsträger' verharmlost und geradezu huldigt".

Bereits am heutigen Donnerstag um 18.30 Uhr lädt die jüdische Jugend Wiens unter dem Titel "Light of Hope" zum Gedenken an die Novemberpogrome. Der Gedenkmarsch, mit dem auch ein Zeichen gegen Antisemitismus und Hass gesetzt werden soll, startet am Heldenplatz beim Eingang des "Haus der Geschichte". Die Abschlusskundgebung findet am Judenplatz statt. Die Veranstaltung soll auch ein Appell sein, dass Gedenken nicht nur Teil der jüdischen Kultur, sondern eine Aufgabe und Verantwortung der gesamten Zivilgesellschaft sei, hieß es in der Ankündigung.

Auch Willi Mernyi, ÖGB Bundesgeschäftsführer und Vorsitzender des Mauthausen-Komitees, betonte per Aussendung die Notwendigkeit, wachsam zu bleiben. Durch jahrelange verbale Gewalt sei damals das Feld für den Massenmord aufbereitet worden, an dessen Beginn die Novemberpogrome gestanden seien. "Auch heute erleben wir, wie die Grenzen des Sagbaren systematisch verschoben werden. Wir dürfen dem Rechtsextremismus und Antisemitismus keinen Raum lassen", betonte er. Rechtsextreme seien keine "besorgten Bürger", mit denen man diskutieren müsse, sondern "eine Gefahr für unsere Zukunft und Freiheit". "Wer jetzt nicht entschieden aufsteht, bereitet der nächsten Katastrophe den Weg." Ähnlich auch die Wiener Grünen: "So wichtig das Gedenken an das Novemberpogrom ist, so notwendig ist ein entschlossenes Vorgehen in der Gegenwart gegen jeden Antisemitismus", so Parteichefin Judith Pühringer. "Wir sehen auch in Wien im Jahr 2024, dass die Bedrohung für das jüdische Leben und Angriffe auf jüdische Einrichtungen zugenommen haben."