Schützenhöfer: „Nach der Überschrift muss jetzt Inhalt kommen“
KURIER: Herr Landeshauptmann, vor einem Jahr sagten Sie in einem Interview: „Wenn Kurz ÖVP-Chef wird, bekommt er alle Freiheiten, die er will. Wenn er einen Rat von mir will, wird er ihn bekommen. Wenn nicht, ist das seine Sache.“ Wie oft fragt er Sie denn nun um Rat?
Hermann Schützenhöfer: Er ist mit den Landeshauptleuten immer wieder in Kontakt. Wir treffen uns oft in kleiner Runde. Kurz spricht mehr mit den Landeshauptleuten, als seine Vorgänger das getan haben – auch wenn er am Ende so entscheidet, wie er das vorher ohnehin vor hatte. Aber er kann gut zuhören. Am Ende der Debatte muss er seinen Weg gehen. Ob ich als LH im Einzelfall einverstanden bin, ist zweitrangig.
Ist Kurz wirklich der mächtigste ÖVP-Chef aller Zeiten, wie manche das behaupten?
Wie mächtig er ist, hängt ja davon ab, wie er mit jenen kommuniziert, die seine Pläne mittragen müssen. Das sind auch die Länder. Und er ist gut beraten, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben. Denn in der Politik kann sich der Wind schneller drehen, als man glaubt.
Herr Landeshauptmann, sind Sie eigentlich auch ein Türkiser?
Mein Gott, das ist ja so eine sinnlose Debatte. In diesen Stunden bin ich einmal schwarz-weiß, weil Sturm Graz Cupsieger geworden ist.
Unabhängig vom Fußball: Sind Sie nun ein türkiser LH?
Nein. Ich bin und bleibe ein Weiß-Grüner, ein Steirer. Denn für uns ist es wichtig, dass wir die Interessen des Landes über die der Partei stellen. Ansonsten will ich mich an diesen Farbdebatten nicht weiter beteiligen.
ÖVP-General Nehammer freute sich jüngst auf Twitter über das einjährige Jubiläum „unserer Bewegung“. War die ÖVP denn früher keine Bewegung?
Ich kann dazu nur eines sagen: Ich bin kein Twitterer.
Pflegeregress, Kassenfusion: Es gibt erste interne Kritik an Kurz. Was macht die Partei an jenem Tag, an dem die parteiinterne Kurz-Euphorie endet?
Das ist eine wichtige Frage. Letztlich muss es dafür inhaltliche Erfolge geben. Nach der Überschrift muss jetzt der Inhalt kommen, etwa in der Fusion der Kassen. Da dürfen die Länder Kurz nicht behindern.
Hieße das in diesem Fall, dass die Krankenkassen-Beiträge zentral eingehoben werden?
So weit sind wir noch lange nicht. Aber die Länderhoheit bei Beiträgen ist nichts, was mich als Landesregierung tangiert, dafür gibt es ja die Selbstverwaltung. Daher verstehe ich ehrlich gesagt nicht jede Aussage mancher LH-Kollegen,wonach sie darauf bestehen, dass regionale Kassen Beiträge einheben.
Sollte man die AUVA auflösen?
Das ist ergebnisoffen. Eines ist aber jedenfalls klar: Reformen tun weh, das weiß ich aus unserer Gemeindestrukturreform. Vor drei ,vier Jahren haben Bürgermeister die Straßenseite gewechselt, wenn sie mich gesehen haben, weil wir so viele Gemeinden zusammengelegt haben. Heute sagen sie, dass ich recht hatte. Man darf also nur eines nicht tun: An den Fassaden des Systems etwas ausbessern und so tun, als wäre es die große Reform. Das werden die Menschen nicht glauben.
Ein anderer Bund-Länder-Streitpunkt ist der Pflegeregress. Wie viel soll der Bund den Ländern zahlen? Zuletzt war von 300 Millionen Euro die Rede.
Das kann niemals ausreichen. Ich bleibe dabei, dass die Regress-Abschaffung ein Stumpfsinn war. Diese Frage muss jetzt vor allen weiteren Reformen gelöst werden, das hab ich dem Kanzler klar gesagt. Sonst hätten wir einen Konflikt, den kein Mensch braucht und der das gegenseitige Vertrauen ins Wanken bringt. Dieses Vertrauen brauchen wir aber, um Reformen anzugehen. Dazu zählt neben den Kassen jetzt einmal die Mindestsicherung.
Wie eng soll der Rahmen sein, den der Bund hier vorgibt?
So eng wie möglich, denn sonst spielen sich die Länder ja wieder aus. Nur in der Wohnungsfrage muss es Spielraum geben: Eine Wohnung in Deutschkreutz ist ja anders zu bewerten als in der Bundeshauptstadt. Ansonsten soll es keine Spielräume geben, damit es auch wirklich ein einheitliches Modell gibt.
Soll das Armenwesen nicht gleich in Bundeskompetenz? Die Aufgabenreform soll ja diese Woche bei der LH-Konferenz besprochen werden.
Die Länder sind näher am Bürger als der Bund. Also bin ich dafür, dass das einmal dort bleibt, wo es ist. Aber dafür könnte ich mir vorstellen, dass wir etwa im Spitalsbereich dem Bund mehr Verantwortung übertragen.