Politik/Inland

My political is in the center of the political

Nach einer technischen Panne - "die Anlage ist eher Schrott", kommentierte Richter Georg Olschak – hat der zweite Tag im Prozess gegen Ernst Strasser mit der Einsicht der Originalbänder begonnen.

Der Schöffensenat führt sich dabei das Video, das die erste Begegnung von Ernst Strasser mit den vermeintlichen beiden Lobbyisten in einem Brüsseler Restaurant dokumentierte, in voller Länge zu Gemüte. Auffallend dabei ist vor allem das gewöhnungsbedürftige Englisch, in dem der ehemalige Delegationsleiter der ÖVP im Europäischen Parlament Smalltalk führte - Sätze wie "My political is in the center of the political" fielen da und sorgten auch für Erheiterung im Gerichtssaal.

Alle Inhalte anzeigen

Belastende Mails

Zuvor konfrontierte Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna den Angeklagten noch mit E-Mails, die deutlich machten, dass Strassers Mitarbeiterinnen in dessen Auftrag bei dessen Fraktionskollegen Othmar Karas und Hella Ranner außerordentliches Interesse an der Möglichkeit an den Tag gelegt hatten, noch rechtzeitig einen Abänderungsantrag hinsichtlich einer Anlegerschutz-Richtlinie einzubringen.

Derartige Änderungen hatten sich die als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten gewünscht, denen Strasser laut Anklage für ein jährliches Honorar von 100.000 Euro seine Einflussnahme auf die Gesetzgebung im Europäischen Parlament in Aussicht gestellt hatte.

Strassers Assistentin hatte daraufhin per Mail bei Mitarbeitern von Karas und Ranner recherchiert, wer für die Behandlung der Richtlinie zuständig war, in welchem Stadium sich die Prüfung der Richtlinie befand und ob "ihr Chef" (Strasser, Anm.) einen Abänderungsantrag einbringen könne.

Strasser Verteidigung: "Es kann sein, dass ich versucht habe, Informationen über Inhalte, Leute, die Umgebung dieser Leute zu sammeln. Es geht nicht darum, irgendetwas zu veranlassen irgendetwas zu tun, sondern um Informationen einzuholen. Wir haben weder gesagt, dass wir etwas einbringen wollen noch haben wir etwas eingebracht", meinte Strasser dazu.

Der für die Richtlinie, die Entschädigungen für Anleger vorsah, fachlich an sich gar nicht zuständige Strasser erfuhr per Mail, man könne "über Ranner jederzeit" einen Abänderungsantrag einbringen. Allerdings musste Strassers Assistentin dann zur Kenntnis nehmen, dass die dafür vorgesehene Frist bereits abgelaufen war. Darauf verschickte Strassers Mitarbeiterin an Ranners Büro ein Mail mit der Passage "Denkst du, dass Ranner noch etwas retten kann?", und eine Mitarbeiterin von Othmar Karas erhielt ein mit "Wichtigkeit Hoch" versehenes Mail folgenden Inhalts: "Mein Chef müsste dringend wissen, ob euer Chef (Karas, Anm.) bereit wäre, einen Abänderungsantrag einzubringen."

In weiterer Folge rief Strasser persönlich mehrfach bei der betreffenden Karas-Mitarbeiterin an und machte Druck, was diese äußerst ungewöhnlich fand. "Ich habe mich null eingemischt, in die Entscheidungsfindung", rechtfertigte sich Strasser vor Gericht. Es sei ihm nur darum gegangen, Informationen zu sammeln, um den vermeintlichen englischen Lobbyisten, die Strasser seiner Aussage zufolge als Geheimdienst-Agenten enttarnen wollte, "Futter zu geben". Er habe "diese Leute hinhalten und bei Laune halten" wollen. Im Übrigen sei es "in den letzten 20 Jahren nicht vorgekommen, dass Karas für mich einen Vorschlag umgesetzt hat."

Prozess-Ende 2013

Der Prozess selbst wird allerdings erst im kommenden Jahr zu Ende gehen. Der von Verteidiger Thomas Kralik als Entlastungszeuge nominierte Steuer- und Unternehmensberater Thomas Havranek, der in Strassers Auftrag versucht hatte, Informationen über die vorgebliche Firma der als Lobbyisten getarnten englischen Journalisten einzuholen, hat infolge eines Auslandsaufenthalts vor Weihnachten keine Zeit mehr für eine Zeugenaussage.

Diese soll nun Mitte Jänner stattfinden. Voraussichtlich wird nach dem 13. Dezember - dem letzten Verhandlungstag im heurigen Jahr - der Prozess gegen den Ex-Innenminister am 11. Jänner fortgesetzt.

Seit Montag sitzt Ernst Strasser mindestens acht Tage lang wegen Bestechlichkeit auf der Anklagebank im Wiener Straflandesgericht – es drohen ihm bis zu zehn Jahre Gefängnis. Der studierte Jurist, einstige Innenminister und ehemalige Delegationsleiter der ÖVP im Europäischen Parlament soll im November 2010 zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten bei einem Abendessen angeboten haben, für ein Honorar von 100.000 Euro die Gesetzgebung im EU-Parlament zu beeinflussen.

Im Mittelpunkt des Prozesses stehen die Videobänder, welche die als Mitarbeiter der angeblichen Lobbyingagentur Bergman & Lynch getarnten Journalisten bei den Treffen mit Strasser heimlich mitlaufen ließen. Strasser sagt dort: „Mir ist es lieber, wir haben einen Vertrag auf, sagen wir, jährlicher Basis ... ich bin nicht wirklich ein Fan davon, Stunden zu zählen ... also meine Klienten zahlen mir im Jahr 100.000 Euro, ja.“

Dafür könne er wunschgemäß jedes von den „Gutmenschen“ im EU-Parlament behandelte Thema beeinflussen, seien es der Anlegerschutz oder gentechnisch veränderte Nutzpflanzen. Alles nur Provokation, um die Journalisten, die er für Geheimdienstler gehalten habe, aus der Reserve zu locken, sagt Strasser jetzt.

Im Zuge der Lobbygate-Affäre wurden auch unmoralische Angebite anderer EU-Politiker publik - darunter Adrian Severin (Rumänien), Zoran Thaler (Slowenien) und Pablo Zalba Bidegain (Spanien). Thaler trat nach dem Skandal zurück, die anderen beiden Mandatare sind nach wie vor im EU-Parlament tätig.

Strasser musste nach der Veröffentlichung der Videos Ende März 2011auf Drängen der VP zurücktreten. Das Urteil soll im Jänner fallen.