Muna Duzdar ist "ein bewusstes Zeichen"
Von Ida Metzger
Möglicherweise fiel Muna Duzdar dem frisch angelobten Bundeskanzler Christian Kern durch einen Frontalangriff gegen Werner Faymann auf. Anfang Mai schrieb die 37-jährige Rechtsanwältin und Wiener Gemeinderatsabgeordnete auf Facebook: "Also die jahrzehntelange Inseratenpolitik von Werner Faymann hat sich wirklich bezahlt gemacht, die gekauften (Blätter Anm.d.Red) Österreich und Kronen Zeitung verdrehen alles so, dass einem so richtig übel wird". Duzdar bezog sich damals auf ein Interview mit dem Faymann-getreuen Liesinger Bezirkschef Gerald Bischof in einem der beiden Boulevardblätter, der die Faymann-Kritiker als "kleine Minderheit" bezeichnete, die "ein Kasperltheater auf Kosten der SPÖ" aufführen würden. Duzdars teilte diese Sicht der Dinge nicht: "Nur die wenigsten möchten weiterhin Werner Faymann als Parteivorsitzenden, und hätten wir morgen Parteitag, gäbe es keine Mehrheit."
Zwei Wochen nach dieser Kritik ernennt sie Kern zur neuen Staatssekretärin im Kanzleramt. Damit ist sie erste Muslima in der Bundesregierung. "Ein bewusstes und wichtiges Zeichen", so Kern bei seiner ersten Pressekonferenz als Bundeskanzler. Duzdar stellt damit den Kontrapunkt zu Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der in der SPÖ für den "Law and Order"-Flügel steht. "Wir wollen als SPÖ in die Breite gehen und alle ansprechen", signalisiert Kern, wie er den Spagat zwischen Doskozil und Duzdar schaffen will.
Mit dem Sprung in die Regierung macht Duzdar eine Karriere, die die Tochter palästinensischer Einwanderer noch in ihrer Schulzeit nie für möglich gehalten hätte. Schließlich hatte sie massive Schulprobleme. Zuhause sprach sie mit den Eltern hauptsächlich Arabisch, was ihr große Defizite im Unterrichtsfach Deutsch bescherte.
Nachhilfe in der Volksschule
In der vierten Klasse Volksschule mussten ihre Eltern Nachhilfestunden in Deutsch und Mathematik bezahlen, damit sie überhaupt auf das Gymnasium gehen konnte. Dort hatte sie zunächst immer noch Schwierigkeiten, erst ein Schulwechsel half weiter – wenn auch mit einer Fünf in Mathematik. In einem Interview mit der Presse sagte Duzdar anlässlich ihrer Angelobung als Bundesrätin: "Hätte ich im Alter von zehn Jahren nicht die Aufstiegsklausel in Mathe bekommen, wäre ich heute nicht dort, wo ich bin. Diese Selektion beim Wechsel von der Volksschule in das Gymnasium trifft Kinder sehr hart. Das ist eine soziale Auslese, die vor allem Migranten benachteiligt." Die Staatssekretärin hatte Glück, dass der Klassenvorstand an sie glaubte. "Ohne diesen hätte ich den Aufstieg mit Fünfer gar nicht geschafft." Viele Jahre später hat die Staatssekretärin alle Hürden des österreichischen Bildungssystem überwunden und studierte sogar an der Pariser Sorbonne.
Skeptisch: Kultusgemeinde
Das politische Interesse der Rechtsanwältin entwickelt sich aus ihren Wurzeln heraus. Der Palästineserkonflikt begleitet die neue Staatssekretärin seit ihrer Kindheit. Aber sie weiß auch aus eigener Erfahrung, wie schwer Integration ist. Als ein Migrantenkind zu leben, war für sie nicht immer leicht. Sie fühlte sich oft als Außenseiterin. Eine schwierige Rolle, "weil man als Kind immer das Bedürfnis hat, so zu sein wie alle anderen Kinder. Dabei spielt das Gefühl der Minderwertigkeit doch schon eine Rolle."
Wenig Freude hat die Israelitische Kultusgemeinde mit der Bestellung der neuen Staatssekretärin. Duzdar ist zugleich auch Präsidentin der Palästinensisch-Österreichischen Gesellschaft. Als vor wenigen Wochen die palästinensischen Aktivistin und Flugzeugentführerin Leila Khaled (72) für einen Auftritt nach Wien eingeladen wird, vermutet die Österreichisch-Israelische Gesellschaft auch Duzdar als Organisatorin. Das bestreitet die neue Staatssekretärin heftig. "Weder die Palästinensisch-Österreichische Gesellschaft, noch ich haben Frau Khaled eingeladen." Doch die Österreichisch-Israelische Gesellschaft bleibt skeptisch. "Wir leben in einer Demokratie, deswegen werden wir ihre ersten Taten abwarten. Vielleicht reißt sie sich in der Rolle der Staatssekretärin ja am Zügel", so ein kritischer Kommentar aus der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft.
Die neue Staatssekretärin wuchs zweisprachig auf. Sie ist Muslimin, aber nicht religiös.
Duzdar studierte bis 2004 Rechtswissenschaften. 2010 folgte der erste Wechsel in die Bundespolitik: Sie wurde als Bundesrätin angelobt. Seit 2012 war sie Wiener Landtagsabgeordnete. Duzdar ist Präsidentin der Palästinensisch-Österreichischen Gesellschaft.