„Minister Kickl hätte 2015 auch nicht anders handeln können“
Von Ida Metzger
KURIER: Herr , fast auf den Tag genau vor drei Jahren wurden Sie der Öffentlichkeit als Manager der Flüchtlingskrise bekannt. Wenig später kam der Ruf in die Politik. Nach dem Posten als Verteidigungsminister werden Sie ab 28. 2. 2019 nun Burgenlands neuer Landeshauptmann sein. Nicht immer sind Quereinsteiger in der Politik so erfolgreich ...
Hans Peter Doskozil: Ich beurteile die vergangenen drei Jahre nüchtern. Da gab es einige Zufälle gepaart mit Glück in meinem Leben. Ich war nie ein Getriebener, der eine Karriere um jeden Preis angepeilt hat, auch wenn ich meinen Job mit Leidenschaft mache. Das ist auch wichtig. Denn irgendwann ist auch dieser Lebensabschnitt vorbei und es wird was Neues kommen – manchmal schneller als man glaubt. 2020 sind im Burgenland Wahlen. Wenn man sich die Entwicklung anschaut, dann könnten statt fünf nur mehr drei Parteien im Landtag sitzen. Das bedeutet aber auch, dass es gut sein kann, dass die SPÖ trotz eines Wahlerfolges und eines klaren ersten Platzes dann nicht mehr in der Landesregierung ist, weil ÖVP und FPÖ auch im Burgenland wie im Bund gegen die Sozialdemokratie eine Koalition bilden.
Das ist, angesichts der neuen Herausforderung als Landeshauptmann, eine sehr nüchterne Analyse ...
Man braucht einen gewissen Abstand zu diesen Dingen. Denn eines hat mich das Leben gelehrt: Jeder von uns ist ersetzbar – das ist so.
Sie haben sich im Sommer nach der Stimmband-Operation eine Pause gegönnt. Wie geht es der Stimme?
Die Operation, die über zwei Stunden dauerte, habe ich gut weggesteckt. Der Stimme geht es zunehmend besser, zu 100 Prozent ist sie noch nicht zurück. Aber die Stabilität ist wieder da. Außerdem habe ich mit Hilfe von Nikotinkaugummis das Rauchen aufgehört. Mittlerweile bin ich die vierte Woche rauchfrei.
Im Sommer haben Sie davor gewarnt, dass die SPÖ nicht zur rot-grünen-Fundi-Partei werden darf. Man hat das Gefühl, innerhalb der SPÖ gibt es zwei Welten. Wie schaut die sozialdemokratische Welt abseits des Migrationsthemas von innen aus?
Ich setze auf klassische sozialdemokratische Themen. Wir sind die Partei der Arbeit. Daneben ist es wichtig auf Gesundheit, Pflege und leistbares Wohnen zu setzen. Wenn man so will auf linke Themen.
Welche sind das?
Vor allem die sozialpolitischen Themen. Es ist wichtig, die Themen zu erkennen, die die Leute bewegen und diese mit Hausverstand und mit einem humanistischen Zugang zu bewältigen. Weil wir so gerne nach Deutschland blicken, gebe ich ein Beispiel aus unserem Nachbarland: 2016 war ich in Deutschland, damals gab es einen Budgetüberschuss von 19 Milliarden Euro und der Wirtschaftsminister überlegte, wo man noch weiter investieren kann. Das ist die eine Seite einer starken Wirtschaftsnation. Die andere Seite ist, dass es Hartz IV gibt, Pensionisten mit der Pension nicht auskommen und arbeiten gehen müssen. Und es gibt auch kein 13. und 14. Monatsgehalt. Da bin ich für einen gesellschaftspolitischen Ausgleich. In Österreich bewegt sich das Pendel auch langsam in diese neoliberale Richtung. Das merkt man an der Streichung der Aktion 20.000, an der 60-Stunden-Woche oder an der Bemerkung der Sozialministerin, dass man von 150 Euro im Monat leben kann.
Ist nach dem Zerwürfnis mit Christian Kern wieder alles bereinigt?
Ich sehe kein Zerwürfnis. Es geht um die inhaltliche Schwerpunktsetzung. Die Parteiobmann-Diskussion haben andere aus einem nicht nachvollziehbaren Grund vom Zaun gebrochen.
Sie haben schon vor rund neun Monaten dieselbe Kritik geäußert. Warum haben Sie es nochmals gemacht, wissend, dass das für heftige Diskussionen sorgen wird?
Weil es mir um die Positionierung der SPÖ geht. Wir müssen eine anschlussfähige und mehrheitsfähige Politik der Mitte machen.
Gerade die linke Fraktion in der SPÖ wirft Ihnen gerne vor, dass Sie zwar ein guter Grenzmanager waren, aber keine Ideologie in Ihnen steckt. Wie gehen Sie mit dieser Häme um?
Jeder der mich kennt, weiß wie wichtig mir soziale Fragen sind. Aber in der Politik ist es ganz einfach, am Ende geht es um den Wahltag. Das ist für mich der Gradmesser. Solange ich hier eine große Unterstützung aus der Bevölkerung bekomme, stören mich die einigen wenigen kritischen Kommentare nicht.
Apropos Wahlen. Norbert Hofer will als FPÖ-Spitzenkandidat im Burgenland nicht antreten. Da steht einem Zuwachs an Stimmen am Wahlabend eigentlich nichts mehr im Wege ...
Jetzt muss ich einmal die Rolle übernehmen, dann der Bevölkerung meine Ziele darlegen. Wir sind 2,5 Jahre vor der Wahl. Da wäre es zu früh, Wahlziele zu definieren.
Welches Profil wird sich Hans Peter Doskozil als Landeshauptmann zulegen? Hemdsärmelig oder eher als Landes-Manager?
Es gibt Landeshauptleute, die von einem Festzelt zum anderen fahren und hauptsächlich den Landesvater spielen. Es gibt aber auch andere, die sich inhaltlich mit der Entwicklung des Landes auseinandersetzen. Für mich ist der zweite Weg der wichtigere. Deswegen werden die Finanzen und die Spitäler auch als Landeshauptmann in meinem Zuständigkeitsbereich bleiben.
Vor drei Jahren haben pro Tag 10.000 Flüchtlinge einen Asylantrag gestellt. Wenn Sie das Jahr 2015 mit heute vergleichen: Wäre Österreich im Jahr 2018 besser gerüstet für so eine Ausnahmesituation?
Vor drei Jahren gab es an der Grenze rechtlich und faktisch keine andere Möglichkeit, den Ansturm zu managen. Das haben der Verfassungsdienst und das Innenministerium festgestellt. Umgekehrt bedeutet das: Wenn die Situation morgen wieder passiert, könnte auch Innenminister Herbert Kickl in einer solchen Situation nicht anders handeln als wir 2015 – außer sie eskaliert. An den rechtlichen Möglichkeiten hat sich seit 2015 de facto nicht viel geändert. Aber insgesamt sind wir in der EU und in Österreich schon besser vorbereitet.
Die türkis-blaue Regierung behauptet aber, sie sei bestens gerüstet und so eine Situation kann nicht mehr eintreten ...
Die Sichtweise und der Zugang zum Thema haben sich seither schon geändert. Deswegen diskutieren wir über EU-Außengrenzschutz, Rückführungen und Verfahrenszentren. Wenn wir aber ehrlich sind, dann ist auch bei all diesen geplanten Maßnahmen in den vergangenen drei Jahren noch nicht genug weitergegangen.
Sind Sie auch der Meinung, dass Asylwerber keine Lehre beginnen sollten?
Solange die Asylverfahren zwei bis drei Jahre dauern, ist es das Schädlichste, wenn junge Menschen in diesem Alter ohne Beschäftigung sind. Eine Ausbildung ist in diesem Alter wichtig, egal wo das weitere Leben stattfindet. Dieses Thema ist aber ein perfektes Beispiel, wo die Regierung die Bevölkerung am Schmäh hält. Vor einigen Wochen hat die Regierung die Mängelberufsliste erweitert. Das bedeutet, dass alle Staatsangehörigen außerhalb der EU, die die darin angeführten Mangelberufe beherrschen, nach dem Niederlassungsgesetz nach Österreich kommen dürfen. Und jetzt komme ich zur Schmähparade: Ein junger Asylwerber, der einen negativen Bescheid bekommt und abgeschoben wird, könnte nach dem Niederlassungsrecht, weil er dann aus einem Drittstaat kommt, sofort wieder einreisen. Da rühmen sie sich, dass sie junge Lehrlinge abschieben, wissen aber gleichzeitig, dass diese wiederkommen können.
Ihr Lieblingsbuch, das Sie gleich mehrmals gelesen haben, ist die Biografie des verstorbenen Helmut Schmidt. Was wollen Sie von seinem Politikstil einfließen lassen?
Helmut Schmidt war ein Politiker, der mit sehr einfachen Worten die Dinge erklärt hat, damit ihn die Bevölkerung versteht. Er hat immer gesagt, die Politik muss der Bevölkerung dienen und ist kein Selbstzweck. Schmidt hat auch über den Tellerrand geschaut, das macht einen Politiker aus.
Wohin schauen Sie, wenn Sie über den Tellerrand blicken?
Ich blicke in andere europäische Länder etwa nach Slowenien, Tschechien oder Ungarn. Warum bauen die sozialdemokratischen Parteien hier so ab? Wie kann man proaktiv dagegen wirken? Denn wenn es passiert ist, ist es zu spät, um zu sagen, die Sozialdemokratie wäre gerade jetzt eine wichtige Kraft. Aber ich blicke auch nach Italien. Der Einsturz der Autobahnbrücke passierte, weil hier öffentliche Infrastruktur privatisiert wurde. Auch in Österreich gibt es den Trend, dass man im Bereich der Spitäler oder Sicherheit privatisieren will. Diesen Trend werde ich im Burgenland sicher nicht zulassen.
In unserem ersten Interview vor drei Jahren, meinten Sie, dass auch Sie ein Wirtschaftsflüchtling wären. Sehen Sie das heute auch noch so?
Mit Sicherheit. In Österreich haben wir das Privileg der Geburt. Wenn man keine Perspektive hat, auch für seine Kinder nicht, dann würde auch ich mir überlegen, mich auf den Weg in ein besseres Land zu machen. Das liegt in der Natur des Menschen. Und aus deren Sicht total verständlich. Trotzdem brauchen wir in Österreich Regeln für eine geregelte Zuwanderung.