Mindestsicherung: Kaiser sieht doppeltes Spiel von Türkis-Blau
Die von der Regierung geplanten Kürzungen für Kinder bei der Mindestsicherung haben für harsche Kritik gesorgt. Die Bundesländer, die ja die neuen Regelungen umsetzten sollen, reagierten sehr unterschiedlich. Während es aus Oberösterreich und Niederösterreich Applaus gab, zeigten sich Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) sehr zurückhaltend. Auch Oberösterreichs SPÖ-Chefin und Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer
Kaiser sagte in einer Aussendung, er gebe keine verbindliche und abschließende Beurteilung zur Mindestsicherung neu ab. „Dafür muss uns die Regierung zuerst alle Details inklusive der zu erwartenden finanziellen und sozialen Auswirkungen in den Bundesländern übermitteln“, sagte der SPÖ-Politiker.
Dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ihre Pläne den betroffenen Bundesländern über die Medien ausrichten und sie nicht in eine vernunftbegabte Lösungsfindung eingebunden hätten, zeuge aber von mangelndem Respekt und fehlendem Verantwortungsbewusstsein, befand Kaiser.
"Stärkere-gegen-Schwache-Gesellschaft"
„Unsere Hände waren immer ausgestreckt“, sagte Kärntens Soziallandesrätin Beate Prettner ( SPÖ). Es habe die grundsätzliche Einigung für eine bundesweit einheitliche Regelung, etwa nach Vorbild Vorarlbergs mit Grundbetrag und einer Prämie bei gelungener Integration und Arbeitswilligkeit gegeben. Kurz habe aber „sein eigenes Süppchen gekocht“. Kaiser und Prettner sagten unisono, der Vorschlag der Bundesregierung werde auch vom Verfassungsgerichtshof auf Herz und Nieren zu prüfen sein.
Kaiser und Prettner werfen Kanzler und Vizekanzler auch vor, mit der Mindestsicherung neu eine „Starke-gegen-Schwächere-Gesellschaft“ zu forcieren. Als Beleg dafür diene der Umstand, dass die Bundesregierung die Mindestsicherung an den Spracherwerb koppeln will, was grundsätzlich sinnvoll sei, die Regierung zugleich aber Integrationsmaßnahmen (Sprachkurse, Integrationsjahr) streiche und damit den Erwerb der deutschen Sprache erschwere. Dies sei ein doppeltes Spiel der Regierungsspitze.
Gerstorfer: "Lassen Menschen verhungern"
Oberösterreichs Soziallandesrätin Gerstorfer (SPÖ) spricht gegenüber dem KURIER von drastischen Einbußen für zahlreiche Familien, aber auch Alleinstehende. „Wir müssen anscheinend Menschen auf der Straße verhungern lassen“, sagt sie in Hinblick auf die geplante fünfjährige Wartefrist für EU-Ausländer. Dass die Bundesregierung 300 Euro Bonus für Österreicher mit Pflichtschulabschluss verspricht, würde vielen auch nicht helfen. „Es gibt viele Menschen, die in Österreich geboren und aufgewachsen sind, aber keinen Pflichtschulabschluss haben“, erinnert Gerstorfer.
In Oberösterreich, wo Schwarz-Blau bereits die Mindestsicherung reduziert hat, würden auf Betroffene nun noch einmal empfindliche Einbußen zukommen, befürchtet Gerstorfer, die als SPÖ-Politikerin die Vorgaben der Landeskoalition quasi zähneknirschend umsetzen musste. Derzeit bekomme man 921 Euro Mindestsicherung in Oberösterreich, künftig würden es höchstens 863 Euro sein. Nicht nur Arbeitslose seien betroffen. „Wenn jemand berufstätig ist und eine Ergänzungsleistung bekommt, dann wird diese künftig nur noch auf 863 Euro gerechnet ausbezahlt – ein Einschnitt, der bei diesen niedrigen Einkommen ein halbes Vermögen ist“, sagt Gerstorfer.
Im Umgang mit den Bundesländern wirft sie Kurz und Strache „eindeutig einen Schnellschuss“ vor. Ob das Gesetz EU- und verfassungskonform formuliert werden könne, sei „hochgradig zweifelhaft“.
Stadt Wien fordert detaillierte Gespräche
Auch Peter Hacker, in Wien seit Kurzem als Stadtrat für Soziales verantwortlich, zeigt sich skeptisch. "Die Stadt Wien wird die Rechtskonformität der vorgeschlagenen Maßnahmen prüfen. Wir gehen davon aus, dass es detaillierte Gespräche zwischen Bund und Ländern geben wird, wie es sich in unserer Republik gehört", sagte Hacker.
Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) begrüßte hingegen im Ö1-Mittagsjournal die Pläne der Bundesregierung. Während er es für "sehr wichtig" befand, dass Sozialhilfe für kinderreiche Familien nicht unbegrenzt ausbezahlt werde, zeigte sich der Salzburger Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) von den geplanten Kürzungen für Kinder wenig begeistert. "Darüber muss man noch reden."
Caritas-Präsident Landau warnt vor Spaltung
Mit äußerst scharfer Kritik hat Caritas-Präsident Michael Landau auf die Pläne der Regierung reagiert. "Keiner Mindestpensionistin geht es besser, wenn es einer kinderreichen Familie schlechter geht. Menschen gegeneinander auszuspielen halte ich für gefährlich. Wer Österreich liebt, spaltet es nicht."
Sprachkurse zu kürzen und gleichzeitig Sprachkenntnisse als Bedingung an Sozialleistungen zu knüpfen, ergebe keinen Sinn, sieht Landau ähnlich wie die Kärntner SPÖ problematische Akzente der Regierung. SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser sprach von einem "Programm zur Förderung von Familienarmut".
Armutskonferenz: Betrifft großteils "Hiesige"
Die Armutskonferenz, ein Netzwerk sozialer Hilfsorganisationen in Österreich, kritisierte, es werde von der Regierung mit Asylwerbern argumentiert, aber: „Gestrichen wird bei allen.“ Die Kürzung der Mindestsicherung wird ebenso kritisiert wie die angekündigte Reform (und mutmaßliche Beendigung) der Notstandshilfe.
Bei der Mindestsicherung, schreibt die Armutskonferenz in einer Aussendung, sei im Bundesland Niederösterreich zum Beispiel nur jede siebente von den Kürzungen betroffene Person ein Asylwerber. Die Existenzkürzungen beträfen also in erster Linie „Hiesige“.
Grüne: Regierung schickt Menschen in Armut
Grünen-Bundessprecher Werner Kogler meldet – in Absprache mit den Grünen-Sozialsprechern in den Bundesländern – Bedenken in Hinblick auf den Einklang mit der Verfassung an. „So eine Husch-Pfusch-Aktion ohne Rücksicht auf die Bundesverfassung und geltendes Unionsrecht ist ein Eigentor mit Anlauf. Die Bundesregierung hat offenbar aus dem VfGH-Erkenntnis zur niederösterreichischen Mindestsicherung überhaupt nichts gelernt“, sagte Kogler in einer Aussendung.
Vor allem kritisieren die Grünen aber, es werde von Türkis-Blau „auf dem Rücken von Kindern“ Politik gemacht, die Regierung gefährde den sozialen Frieden und schicke Leute in die „Armutsfalle“.