"Michael ist ein Liebender – Romantiker ist zu oberflächlich"
Von Ida Metzger
KURIER: Herr Ludwig, am Freitag fand überraschend Ihre Hochzeit statt. Sie haben mit 57 zum ersten Mal Ja gesagt. Andere heiraten in diesem Alter oft schon zum zweiten oder dritten Mal. Wie nervös waren Sie?
Michael Ludwig: Ich habe mich für diesen Moment aufgespart (lacht). Es waren nur 30 Personen zur Hochzeit geladen, dadurch fand unser Jawort in einer sehr intimen, aber auch entspannten Atmosphäre statt. Nach dem Jawort haben wir den sehr emotionalen Tango „Por una cabeza“ von Carlos Gardel abspielen lassen und den Frühlingsstimmenwalzer von Johann Strauss. Zu den Walzerklängen haben meine Frau und ich dann spontan getanzt.
Warum fand die Hochzeit erst jetzt statt? Gehört es zum Image des Bürgermeisters, dass man verheiratet ist?
Ludwig: Nein, wir hatten die Hochzeit schon länger geplant gehabt – nur fehlte die Zeit. Aber mein Ziel war es, innerhalb der ersten 100 Tage als Bürgermeister mein Versprechen einzulösen. Das habe ich im Endspurt geschafft, denn die Frist lief gestern ab.
Frau Rossgatterer, haben Sie sich an Ihr Leben an der Seite von Wiens Bürgermeister bereits gewöhnt?
Irmtraud Rossgatterer: Das Leben hat eine ganz große Konstante für mich – und die sitzt hier an meiner Seite. Deswegen kann ich mich an die Veränderungen in meinem Leben, die sicherlich sehr groß sind, in einer gewissen Vertrautheit und mit einem Gefühl der Sicherheit gewöhnen. Bis jetzt sind die Veränderungen, die ich in meiner sekundären Rolle einnehme, sehr positiv.
Haben Sie sich überlegt, wie Sie diese neue Position ausfüllen wollen?
Rossgatterer: Ursprünglich wollte ich es einfach fließen lassen. Ich wollte schauen, was alles auf mich zukommt und wollte mich offen halten. Nach einer gewissen Zeit entwickelt man aber einen großen Respekt vor dem Amt und es wird einem bewusst, dass man hier, wenn auch nur im Windschatten, voll mit dabei ist. Da beginnt man dann schon, sich Gedanken zu machen.
Und welche sind das?
Rossgatterer: Dass ich alles, was kommen wird, sportlich nehme und am Boden bleiben werde.
Sie begegneten einander auf einem Flug zum ersten Mal. Meistens wird das von den Medien mit dem romantischen Kommentar versehen: „Sie lernten einander über den Wolken kennen“. Ein Flug ist nie entspannt. Jeder will nur schnell ans Ziel kommen. Wie haben Sie einander in dieser Atmosphäre gegenseitig entdeckt?
Rossgatterer: Es war auf dem Weg von Hamburg nach Wien, wir waren beide auf einer Dienstreise. Beim Check-in wurden wir von unseren Kollegen getrennt und saßen nun beide in derselben Reihe, nur durch den Gang getrennt. Normalerweise spreche ich nie während eines Fluges mit einem Passagier – aber wir kamen irgendwie ins Gespräch. Diese Unterhaltung hat mir sehr gefallen. Noch mehr gefallen hat mir aber, dass ich am nächsten Tag mit Boten ein Buch mit einem handgeschriebenen Brief erhielt.
Ludwig: Weil wir uns auf einen Flug kennenlernten, schauten die Einladungskarten für die Hochzeit auch wie ein Boarding-Pass aus. Aber zurück zur ersten Begegnung: Zuerst sprachen wir eigentlich noch distanziert über Finanzen, Versicherungen, Banken. Am Ende wurde es dann doch persönlicher. Beim Aussteigen dachte ich mir: „Diese Frau würde ich gerne nochmals treffen.“ Also schickte ich ihr am nächsten Tag ein Reisebuch in Anspielung auf unser erstes Zusammentreffen. Daraus hat sich dann das erste Telefonat und ein Treffen ergeben. Ich war damals noch Gemeinderat und machte für Irmtraud eine persönliche Führung durchs Rathaus. Nach einem halben Jahr sind wir uns dann sehr viel näher gekommen (lacht).
Blumen und vor allem ein handgeschriebener Brief deuten auf einen Romantiker hin. Sind Sie das?
Ludwig: Ein Romantiker bin ich sicherlich. Diese Seite kommt wahrscheinlich ein wenig zu kurz, weil in meinem Leben der Beruf sehr dominiert. Aber vielleicht ist man in der kurzen Zeit, die man für das Privatleben zur Verfügung hat, etwas konzentrierter und genießt die romantischen Momente im Leben umso mehr.
Rossgatterer: Michael ist ein wirklich Liebender. Romantiker ist mir fast ein wenig zu oberflächlich. Es geht viel tiefer. Ich bin eine sehr privilegierte Frau.
Ludwig: Weil wir gerade im Rathauspark sitzen. Einen unserer ersten Abende haben wir hier im Rathauspark in einer sehr romantischen Situation verbracht.
Frau Rossgatterer, ich habe gehört, dass Sie aus einem sehr konservativen Elternhaus stammen. Stimmt das?
Rossgatterer: Der Ort, aus dem ich in Oberösterreich stamme, war konservativ, aber nicht mein Elternhaus. Wenn etwas im Dorf passierte, das nicht Mainstream war, steckte meistens mein Vater dahinter und man sagte nicht selten: „Das ist typisch rossgatterisch“. Die Prägung meiner Erziehung ist sicherlich christlich-sozial. Aber gerade beim Wort sozial gibt es die Schnittmenge mit der Sozialdemokratie.
Ludwig: Es gab vier Töchter in der Familie und Irmtrauds Vater war es wichtig, dass alle vier Töchter eine gute Ausbildung bekommen.
Rossgatterer: In dem ländlichen, konservativen Umfeld wurden die Töchter eher darauf vorbereitet, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Aber mein Vater ließ seine Töchter eine hoch qualifizierte Ausbildung machen. Das hat meinem Vater auch viel Kritik am Stammtisch eingebracht. Nicht selten musste er sich anhören, unsere Ausbildung sei eine Fehlinvestition .
Sie haben einander vor 12 Jahren kennengelernt. War damals schon die Karriere als Spitzenpolitiker geplant?
Ludwig: Mein Lebensweg war eigentlich anders angedacht. Als wir uns kennenlernten, war ich Gemeinderat, saß im Kulturausschuss und
war SPÖ-Wissenschaftssprecher. Damals sagte ich zu Irmtraud: „Wenn es geht, dann will ich diese Position solange wie möglich ausüben.“ Dann kam es schnell anders, weil ich überraschend Wohnbaustadtrat wurde. Das war die erste Zäsur.
Rossgatterer: Michaels Perspektive hat auch mir gefallen, weil ich mir dachte: Das wird eine gemütliche Partnerschaft. Denn auch ich hatte einen Job, der mich erfüllte. Ich war mit mir im Reinen und nicht mehr auf der Suche. Damals dachte ich mir, wir werden das Leben in vollen Zügen genießen und viel Freizeit miteinander verbringen können. Es kam dann ein bisschen anders, aber ich bin sehr zufrieden.
Ein bisschen anders ist eine leichte Untertreibung ...
Rossgatterer: (lacht) Es ist ganz anders geworden. Aber schon beim Beziehungsstart war jeder Abend von Michael verplant, nur die Verantwortung wurde größer. Ich wusste also schon damals, was ich kaufe (lacht) …
Ludwig: … was du nachgeworfen bekommen hast (lacht), von kaufen war ja keine Rede.
Sie haben ein spätes Liebesglück erfahren. Geht man an so eine Beziehung anders heran?
Ludwig: Wahrscheinlich agiert man bewusster. Man weiß, welche Fehler man in früheren Beziehungen gemacht hat, und versucht, diese zu vermeiden. Was die Ansprüche betrifft, ist man auch eher bereit, Kompromisse einzugehen, als als junger Mensch. Insofern ist Lebenserfahrung ein Vorteil, wenn man sie in eine neue Beziehung einbringt.
Rossgatterer: Ich bin ruhig an die Partnerschaft herangegangen, wollte sie genießen und nicht von Beginn an ein vorgefertigtes Bild verfolgen. Das entspannt und nimmt viel Druck aus einer Partnerschaft.
Bereuen Sie es, dass Sie keine Kinder haben können, weil Sie das gemeinsame Glück so spät gefunden haben?
Rossgatterer: Wir bereuen es nicht.
Ludwig: Es ist gar nicht von uns so entschieden worden, sondern das Leben hat uns die Entscheidung abgenommen. Deswegen hat es auch keinen Sinn, darüber nachzudenken, was wäre wenn?