Politik/Inland

Zum Nachschauen: Nationalrat entzieht der Regierung das Vertrauen

Die Kanzlerschaft von Sebastian Kurz (ÖVP) ist am Montag vom Parlament zumindest fürs Erste beendet worden.

Am Montagnachmittag sprachen SPÖ, FPÖ und Jetzt (früher Liste Pilz) im Parlament sowohl Kurz als auch seiner Regierung das Misstrauen aus. Damit ist das Kabinett abgewählt.

So begründet die SPÖ ihr Misstrauen

Die Begründungen der SPÖ für das Misstrauen lieferte zunächst der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried. Die Einbeziehung von SPÖ, Neos und Jetzt war ihm - auch in den vergangenen Tagen noch - deutlich zu dürftig.

Die SPÖ hätte sich eine Regierung von unabhängigen Experten gewünscht, dies habe Kurz ohne Dialog verweigert. Vielmehr habe Kurz, so Leichtfried, eine Minderheitsregierung mit von ihm präferierten Experten und Schattenministern geschaffen. "Gleichzeitig hat sich Herr Kurz ein Maximum an Medienpräsenz gesichert. Das war wohl Zweck der Sache", kritisierte der Ex-Verkehrsminister.

Die Opposition sei seit Ausbruch der Ibiza-Affäre höchstens scheinbar eingebunden worden, nicht tatsächlich. Bei dem Angebot von Kanzler Kurz an die anderen Parlamentsparteien in der Vorwoche habe es sich um einen "reinen PR-Gag" mit dem Ziel eines gemeinsamen Fotos gehandelt.

Leichtfried zu den Angeboten Kurz': Komplette Aufklärung der Ibiza-Affäre - dies sei eine Selbstverständlichkeit; dass die Opposition den Ministerräten bis zur Neuwahl im September beiwohnen dürfe - kein tolles Angebot, da dort ohnehin nichts mehr beschlossen werde; die U-Ausschüsse nach der Wahl wieder einzusetzen - dafür sei ohnehin das Parlament zuständig, nicht die Regierung, erinnert LeichtfriedDer SPÖ-Politiker: "Die Regierung, die hier sitzt, versteht den Parlamentarismus nicht."

Auch beim Thema Parteispenden machte Leichtfried  seinem Ärger Luft. Es sei für ihn nicht logisch, wenn Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) von möglichen illegalen Parteienspenden der FPÖ rede. Die ÖVP benutze ein ähnliches Modell, wie von Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video beschrieben, pochte Leichtfried auf eine Reform und mehr Transparenz der Parteienfinanzierung.

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Kurz: Warum die gesamte Regierung?

Kanzler Kurz sagte anschließend zunächst, er wolle ruhig bleiben und sich von Leichtfried nicht provozieren lassen. Gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen habe er nach dem Erscheinen des Ibiza-Videos an der "Stabilität" der Regierung gearbeitet. Neben Lob für Van der Bellen gab es auch Lob für die Neos. (Sie tragen den Misstrauensantrag von Rot, Blau und Liste Jetzt nicht mit.)

Kurz warf der SPÖ und der FPÖ "Rachegelüste" vor. "Aber was ich wirklich nicht verstehe, ist, dass der Misstrauensantrag als Reaktion auf die EU-Wahl auf die ganze Regierung ausgedehnt wird." Der Kanzler versprach, auch nach einem geglückten Misstrauensvotum die dann neu besetzte Regierung in den kommenden Monaten bestmöglich unterstützen zu wollen.

Am Abend wolle Kurz noch ein Statement in der Politischen Akademie der Volkspartei in Wien-Meidling abgeben, hieß es aus seiner Partei.

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Rendi-Wagner: Kein Vertrauen mehr

Nach dem Kanzler war wieder die SPÖ an der Reihe. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner brachte einen Misstrauensantrag gegen die Regierung ein. Rendi-Wagner, zugleich Klubchefin, begründete den Misstrauensantrag mit der "einzigartigen Vorgehensweise" von Kanzler Kurz, nämlich einem "zügellosen, schamlosen Griff nach Macht. Aber die Macht in unserem Land geht vom Volk aus", so Rendi-Wagner.

Sie bezeichnete es wörtlich als "ungeheuerlich", dass Kurz Zustimmung und Vertrauen einfordere. "Gerade in solchen Situationen zeigt sich wahre Führungsstärke." Aber Kurz habe "das Ich vor das Wir gestellt". "Herr Bundeskanzler, Vertrauen kann man nicht erzwingen", das müsse man sich erarbeiten, sagte Rendi-Wagner. Kurz trage Verantwortung für das Scheitern der Regierung, auch habe er nun eine ÖVP-Alleinregierung installiert. Daher spreche die SPÖ ihm und seiner Regierung das Misstrauen aus.

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Kickl: ÖVP griff nach Macht

Auch Herbert Kickl, nun Klubchef der FPÖ, erneuerte seine scharfe Kritik am ehemaligen Koalitionspartner. "Herr Bundeskanzler, Sie sind getrieben worden von jener alten ÖVP, die als überwunden galt", sagte Kickl in Richtung Kurz. Der ehemalige Innenminister sieht sein Ministeramt durch Machtinteressen der ÖVP Niederösterreich verloren gegangen.

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Alfred Noll, Abgeordneter der Liste Jetzt, zeigte sich als Anwalt um juristische Nüchternheit in seiner Rede bemüht. Am Ende brachte er wie angekündigt einen Misstrauensantrag gegen Kanzler Kurz ein, allerdings nicht gegen die gesamte Regierung - wie zuvor die SPÖ.

Peter Pilz griff hingegen verbal eher zum großen Hammer. Der Listen-Gründer hätte zwar bevorzugt, wenn nicht alle Minister gehen müssten, dennoch entschied er sich wie der Rest seiner Fraktion für den MisstrauensantragAm Ende stimmte man mit Rot und Blau für die Abwahl des gesamten Kabinetts Kurz.