Politik/Inland

Hypo-Rettung: Schreiduelle im Nationalrat

Die erste Sitzung im neuen Jahr hat einen Abschied gebracht: Frank Stronach ist nach nur vier Monaten als Mandatar aus dem Nationalrat ausgezogen - mit einer Rede, die perfekt zu ihm gepasst hat: Er habe nun sein "eigenes Boot", ließ er da zu Anfang wissen - um mit den Worten "Dreck fällt wieder ab", einer Metapher auf den Politbetrieb, zu enden.

Darüber hinaus wurde aber auch Wichtiges beschlossen: Abgesegnet hat man etwa das Bundesministeriengesetz, mit dem Wirtschafts- und Wissenschaftsressort fusioniert wurden - ohne Beteiligung des ehemaligen Ressortchefs Töchterle, sei angemerkt. Auch der Beamten-Gehaltsabschluss und die Aufweichung des Rauchergesetzes wurden beschlossen.

Diskussionen um Hypo

Die Grünen haben wegen der Hypo eine "Dringliche" eingebracht, die zu lautstarken Protest und Schreiduellen der Opposition rund um Finanzminister Michael Spindelegger führte.

Der Ministerrat, der vor der Plenarsitzung stattfand, hat zudem das umstrittene Abgabenänderungsgesetz, sprich die Steuererhöhungen, abgesegnet.

Der KURIER hat Sie über die Geschehnisse im Plenum am Laufenden gehalten – hier der Live-Blog zur Nachlese.

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Damit danken wir für Ihre Aufmerksamkeit und beenden den Live-Ticker an dieser Stelle - es war uns eine Freude, wir hoffen, Ihnen auch. Bis zum nächsten Mal im Hohen Haus.

Als letzter im Parteienreigen sind die Neos dran, am Wort ist Rainer Hable. "Seit vier Jahren machen wir nichts", ärgert er sich - und wünscht sich mehr Informationen über eine Bad Bank, in der die Schrottpapiere der Hypo unterbracht würden.

Die Beteiligungslösung, wie sie die Regierung plant, hält er für nicht zielführend; die Banken hätten schließlich keinerlei Anreiz, sich zu beteiligen - sie würden sich diese Beteiligung nur teuer abkaufen lassen. Auch der Wyman-Bericht, den die Regierung ja nicht vorlegen will, plädiere für eine Insolvenzlösung. "Schützen Sie die Steuerzahler in diesem Land."

Kathrin Nachbaur muss FP und SP übertönen, die sich wechselseitig anschreien: Die Roten fordern, dass die FP die Hypo-Unterlagen rausrückt; die wiederum schlägt vor, einen U.Ausschuss zu installieren.

Nachbaur wiederum konzentriert sich nicht auf die Ursachen, sondern die Konsequenzen. Andere Staaten hätten ihre Krisenbanken bereits erfolgreich abgewickelt, warum Österreich nicht? Auch sie spricht von "Konkursverschleppung". Sie wirft der Regierung "Bilanzfälschung" vor: Hätte man die Hypo-Pleite korrekt angeführt, hätte dies die Bonität Österreichs schwer beschädigt.

"Wir steuern blind, taub und stumm auf ein Desaster zu", fordert sie Konsequenzen - die "Bankensteuer neu" zählt sie aber nicht dazu. Dort seien spekulative Geschäfte dezidiert ausgenommen, bekrittelt sie - dagegen bringt sie schlussendlich noch einen Antrag ein.

"Sie bauen sich Ihre eigene Welt", sagt Elmar Podgorschek als nächster Redner - er ist von der FPÖ. Lauter Protest aus den Reihen der VP folgt. Podgorschek fällt es "wahnsinnig schwer", dass er heute den Grünen Recht geben muss - nach dem, was am Freitag passiert sei.

Auch er fordert, wie die Grünen, dass die Wyman-Studie offengelegt werden müsse - in dieser vom Finanzministerium in Auftrag gegebenen Studie seien die verschiedenen Möglichkeiten für die Hypo beleuchtet worden. Auch für ihn sei eine Insolvenz die beste Idee.

Nun darf Reinhold Lopatka für die VP ran - und schiebt der FP die Schuld zu: "Natürlich war es der Landeshauptmann, der die Hypo als Selbstbedienungsladen gesehen hat", sagt er lautstark - auch, um die lauten Zwischenrufe HC Straches zu übertönen. Der fordert Lopatka auf, doch einen U-Ausschuss zu installieren.

Lopatka ignoriert das gekonnt und schwenkt um - mit einem Seitenhieb auf die Grünen: Diese hätten die Dringliche doch nur gestellt, um von "ihren Problemen am Freitag abzulenken".

Die Diskussion zur Dringlichen ist eröffnet - Werner Kogler von den Grünen geht als erster ans Rednerpult. "Wie kann es sein, dass einigen Profiteuren binnen kurzem mit Milliarden geholfen wird, während andere lange Zeit hängen gelassen werden?", polemisiert er. Die Regierung "hüpft den Banken hinterher" - ein Zeichen, dass das Kabinett abgelöst höre.

SP-Klubobmann Andreas Schieder spricht danach vom "schwärzesten Kapitel der österreichischen Finanzgeschichte". Man hätte vielleicht mehr in den Klagenfurter Uni.Standort investieren können, um dem Herrn Haider mehr über Finanzen beizubringen, sagt er - lauter Protest von der FPÖ folgt.

Michael Spindelegger ist am Wort: "Die Wahrheit ist: Wir haben ein Debakel aus Kärnten geerbt, das zur teuersten Geschichtsaufarbeitung der Republik geworden ist", sagt der Finanzminister. Faule Kredite, unfinanzierbare Projekte, Haftungen im unglaublichen Ausmaß von 25 Milliarden Euro - all das laste schwer.

Sein Weg: Man werde den Empfehlungen der Experten der Task Force folgen - sie schlagen ein Beteiligungsmodell der Banken vor; vermutlich wird dies über einen Fonds geschehen (mehr dazu lesen Sie hier). Wenn dies nicht funktioniert, komme die nächste Option zum Zug. Im Februar wisse man mehr.

Ein Insolvenzszenario sei jedoch nicht die Lösung, so Spindelegger - auch wenn die Grünen anderes behaupten würden, sei dies nicht die günstigste Lösung für den Staat. Werner Kogler hatte im Vorfeld gemeint, "der ganze Vorgang der Leichenschminkerei kostet nur noch mehr Geld."

Im provisorischen Budget sei jedenfalls eine Summe von einer Milliarde Euro vorgesehen, der exakte Kapitalbedarf stehe aber noch nicht fest, bestätigt Spindelegger nochmals - nach dem Ministerrat hat er dies schon angesprochen.

Eva Glawischnig bringt eines ihrer wichtigsten Anliegen ein - dringlich: das Hypo-Debakel. Auf der Regierungsbank haben nun zumindest drei Personen Platz genommen, neben Finanzminister Spindelegger auch seine beiden Staatssekretäre Jochen Danninger und Sonja Stessl.

Glawischnig verlangt vom VP-Chef Auskunft zu aktuellen Schadensprognosen für die Banken: "Es wurde weggeblickt beim unfassbares Aufblasen der Hypo-Blase" - zuerst von Karl-Heinz Grasser, dann von Wilhelm Molterer, dem "Erfinder im Aktenschwärzen". Dann noch Josef Pröll, der die Notverstaatlichung in die Wege geleitet hatte - ein U-Ausschuss über diese Vorgänge sei noch immer unerwünscht.

Eine Milliarde Euro hat die Republik das Hypo-Kontrollversagen schon gekostet - nicht zuletzt, weil Maria Fekter "Konkursverschleppung" betrieben habe. In Summe könnten es bis zu elf Milliarden sein, wirft sie Spindelegger vor.

Ein kurzer Exkurs: Außerhalb des Plenarsaales widmet man sich ja gern optischen Auffälligkeiten im Hohen Haus. Am hervorstechendsten heute ist FP-Abgeordneter Harald Stefan, Vertrauter von Parteichef HC Strache und Mitglied einer Burschenschaft, der heute eine Augenklappe trägt.

Abgesehen davon: Die Vorzugsstimmen-Reform wurde in dritter Lesung angenommen, Kurze Pause, dann kommt die Grünen-Dringliche zur Hypo.

Nächster Punkt auf der Liste: die Vorzugsstimmen. Die Hürde bei EU-Wahlen wird gesenkt. Künftig werden Kandidaten schon vorgereiht, wenn sie 5% der Stimmen ihrer Partei als Vorzugsstimmen erhalten. Ans Rednerpult kommt dabei für die ÖVP auch Niki Berlakovich, der ja seit Ende der letzten Legislaturperiode nicht mehr Landwirtschaftsminister ist, sondern "einfacher Abgeordneter".

Seine Herkunft kann er nicht ganz verleugnen, sieht man sich seine Wortwahl an: Die Vorzugsstimmen-Reform sei wichtig, die EU-Wahl ohnehin: "Am 25. Mai geht's nicht um die Gurkenkrümmung!"

Wolfgang Gerstl von der ÖVP setzt das Wording fort: Das Tabakgesetz werde eben nicht geändert - der Wille des Gesetzgebers von 2008 bleibe erhalten. Im Nationalrat steht übrigens die "authentische Interpretation" des Tabakgesetzes zur Abstimmung. Diese wurde bereits vom Verfassungsausschuss des Nationalrats beschlossen und bietet die Möglichkeit, ein Gesetz auch mit rückwirkender Gültigkeit zu ändern.

"Mit Bauchweh" werde die FPÖ zustimmen, um den Wirten den Rücken zu stärken, so Roman Haider.

Wenig überraschend outet sich Nachbaur vom Team Stronach als Nichtraucherin - in Nordamerika rauche kaum mehr jemand, die Jugendlichen fänden das auch "gar nicht mehr cool". Sie prangert die Rechtsunsicherheit an und springt auch für die Wirte in die Bresche - die hätten ja ohnehin mit der Überregulierung zu kämpfen.

Mit der Mehrheit der Abgeordneten wird das Tabakgesetz im Nationalrat schließlich abgenickt.

Darf es Lokalbesuchern zumutbar sein, am Weg zur Toilette einen Raucherraum zu durchqueren? Die Debatte verspricht, spannend zu werden und ist der nächste Tagesordnungspunkt auf der Liste. Der VwGH hatte ja Nichtrauchern bescheinigt, dass sie in Lokalen geschützt werden sollen - die Regierung aber meint aber beim bloßen Durchqueren eines Raucherraums seien keine Schäden zu erwarten. "Chaos" nennt die Grüne Eva Mückstein die jetzige Gesetzeslage. "Wie viel Macht haben denn die Wirtschaftsvertreter, wenn sie höchstgerichtliche Urteile aushebeln können?", so die Gesundheitssprecherin.

Die SPÖ schickt Peter Wittmann aus, um den viel gescholtenen Kurs der Regierung beim Rauchverbot in der Gastronomie rechtzufertigen. Es sei die Interpretation des Gesetzestexts. Er selbst sei als Nichtraucher für das Rauchverbot, aber der Staat müsse verlässlich sein.

Die Beschlussrunde: Die Mehrheit stimmt für die Erhöhung der Beamtengehälter, 227 Millionen Euro werden dafür übrigens aufgewendet; 190 Millionen allein für das heurige Jahr. Schlagend wird die Erhöhung für die Staatsbediensteten ab 1. März.

Die Opposition ist angesichts des Gehaltsabschlusses gespalten. Die Grünen, vertreten durch Justizsprecher Steinhauser, wollen zustimmen - im Gegensatz zur FP, die das lautstark bekundet hat. Auch Christoph Hagen vom Team Stronach will auch für die Neuregelung stimmen.

Die Neos - Matthias Strolz stand am Rednerpult - wollen ebenso mitziehen. Sie plädieren aber - puncto Lehrerdienstrecht - für eine Neuausrichtung beim Personal in Schulen und fordern mehr Autonomie; Strolz bringt hier eines seiner Lieblingsthemen an - den Kindern die Flügel zu heben (wobei: gesagt hat er es noch nicht).

Josef Ostermayer, als Beamtenminister am Wort, zieht gleich mit einer Spitze ins Feld: "Christoph Hagen, ich hab' nochmal nachgeschaut - Sie sind doch vom Team Stronach, oder?" Dass Hagen eine Anhebung der Gehälter verlange, widerspreche doch komplett der Vorgabe des Parteigründers, der immer von weniger Gehalt für Beamte sprach.

Abgesehen davon verteidigt er, ganz seiner Aufgabe entsprechend, den Gehaltsabschluss: "Wer nicht mitstimmt, will in Wahrheit eine Nulllohnrunde!"

Man geht zum nächsten Tagesordnungspunkt über: die Beamtengehälter, die die Regierung bekanntlich um durchschnittlich um 1,8 Prozent steigen lassen will. Am Wort ist Christian Lausch von der FPÖ, selbst Justizwachebeamter.

Ihm ist dies zu wenig: "Keiner ist so dumpf und lässt sich über den Tisch ziehen", sagt er und spricht im klassischen FP-Stil von den beiden "Systemparteien", die hier schlecht verhandelt hätten. Einen "Hütchentrick" nennt er das Ergebnis, dem er seine Zustimmung verweigern will.

Die SPÖ hält mit Urgestein Otto Pendl (ebenso Justizwachebeamter) dagegen: "Diese Bundesregierung schaut auf ihre Bediensteten!", sagt er lautstark, Lausch wettert aus den Reihen dagegen. Beide im Dialekt, übrigens.

Kontrastprogramm: Nach Bösch von der FPÖ spricht Alev Korun von den Grünen. Sie beklagt das mangelnde Interesse der Regierung an Integration - die Agenda habe man rasch Sebastian Kurz "unter den Arm geklemmt", so Korun. Auch die Grünen wollen dem Ministeriengesetz nicht zustimmen.

Das Gesetz wird trotzdem angenommen - mit der Mehrheit der Regierung. Sitzengeblieben ist - wie angekündigt - Ex-Wissenschaftsminister Töchterle. Bei einem Entschließungsantrag der Opposition auf ein eigenständiges Wissenschaftsministerium hingegen steht Töchterle auf - als einziger auf Seiten der Regierungsparteien.

Einige Abgeordnete wie Neos-Mandatar Rainer Hable haben das Pech, dass ihre Redezeit in die Essenszeit fällt. Hable bringt einen Entschließungsantrag ein, ihm folgt Reinhard Eugen Bösch nach. Der streitbare blaue Vorarlberger prangert an, die ÖVP habe ein Zukunftsministerium geopfert. Es sei bei der Bildung der Regierung nicht um die besten Köpfe gegangen, sondern darum, ob die Minister aus dem Westen oder Osten stammen, ob "unangenehmerweise" Mann oder Frau, ob alt oder jung. "Das sind doch keine Kriterien, nach denen man eine Regierung bildet", befindet Bösch.

Kanzleramtsminister Ostermayer tritt an mit den Worten: "Eigentlich ist schon alles gesagt". Er will aber den Kanzler gegen den Vorwurf der FPÖ verteidigen, er sei beim Thema Gewalt auf dem linken Auge blind (Stichwort Akademikerball). Er sei weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind. Im Gegensatz zur FPÖ müssten die Sozialdemokraten sich aber nicht ständig von Hasspostings und dergleichen distanzieren. Stattdessen gedenke man in diesem Jahr den Opfern von Hass und Gewalt.

Hinter dem Regierungsprogramm stehe, gut durch die Krise zu kommen, sagt Ostermayer. Am besten sei die Demokratie immer gefahren mit vielen Einzelmaßnahmen, die die Menschen mitgenommen hätten.

Zum Schluss noch ein recht demütiges Dankeswort; Ostermayer freut sich über seine künftige Zuständigkeit für Kunst und Kultur.

Wirtschaftsanwalt Georg Vetter, Neo-Abgeordneter des Team Stronach, bemängelt die "Ökonomisierung" der Bildung - namentlich die Fusion der Ministerien. Für die Forschung sollte es einen eigenen Minister geben. Er fordert, die Abgeordneten sollten vom freien Mandat Gebrauch machen.

Auf der Regierungsbank vereinsamt übrigens Neo-Beamtenminister Josef Ostermayer, am Rednerpult steht der Klubchef seines Koalitinspartners, Reinhold Lopatka. Er verstrickt sich in ein Rededuell mit dem Grün-Mandatar Peter Pilz, dem er einen schwachen Charakter vorwirft - er habe schließlich schon mehrere Parteibücher gehabt. "Man kann gescheiter werden, das ist nicht verboten", ätzt Lopatka.

Pilz, vor kurzem 60 geworden, war einst Mitglied bei den Roten - mehr über das Gründungsmitglied der Grünen lesen Sie hier:

Grünen-Mandatarin Sigi Maurer ist nun am Mikro, um die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums zu beklagen - sie fragt sich, wie denn dies "symbolhaft" sein könne, wie ihr Vorredner Schieder gemeint habe. Das Symbol sei ein fatales, so die junge Grüne.

Was sie befürchtet? Einen viel zu großen Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft - mehr angewandte Forschung, kaum mehr Grundlagenforschung. Und Kürzungen in jenen Bereichen, die bereits jetzt unterfinanziert seien - außeruniversitäre Einrichtungen etwa.

Nun darf Andreas Schieder, Klubobmann der Roten, die neuen Ministerien verteidigen - er spricht von einer "symbolhaften Verkleinerung der Regierung". Bislang sträflicherweise noch unerwähnt geblieben ist übrigens ein Ministerium, auf das Österreich lange gewartet hat: das Weltraum-Ministerium.

Heute erklärt der Nationalrat nämlich das das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ganz offiziell zum "Weltraum-Ministerium". "Das BMVIT betreut schon seit Jahren die österreichischen Weltraumaktivitäten, die angesichts ihrer gewachsenen Bedeutung und der intensiven Arbeit, jetzt auch ausdrücklich diesem Ministerium zugeordnet werden", hat Ministerin Doris Bures bereits vorab freudig per Aussendung erklärt.

Der ernsthafte Hintergrund: Bereits seit über zehn Jahren unterstützt das Ministerium mit dem nationalen Weltraumprogramm österreichische Unternehmen bei der Erforschung und Entwicklung von Weltraumtechnologien.

Die neuen Redenzeiten der Mandatare werden jetzt verlesen; dazu wird verlautbart, dass die "Dringliche" der Grünen zum Thema Hypo um 15 Uhr drankommen soll. Wer wie lange im Plenum sprechen darf, ist mit der "Wiener Stunde" geregelt - Wikipedia weiß mehr.

HC Strache ist indes ans Rednerpult getreten, um sich der Tagesordnung zu widmen - das neue Ministeriengesetz ist der erste Punkt, danach geht's um die Beamtengehälter. "Man muss befürchten, dass ein Weiterwurschteln gegeben sein wird", drückt Strache vornehm seine Befürchtung aus, dass trotz neuer Ministerien nicht viel Bewegendes passieren werde.

Die Exekutivreform, die gestern Innenministerin Mikl-Leitner vorgestellt hat - die übrigens nicht anwesend ist -, hält Strache für einen "sicherheitspolitischen Kahlschlag." Und was den SP-Umgang mit dem Akademikerball-Krawall betrifft, so attestiert er dem Kanzler, dass er "auf dem linken Augen blind" sei.

Angelika Mlinar, die die Abgeordneten wie immer auf deutsch und slowenisch begrüßt hat, bringt das Erasmus-Plus-Programm zur Sprache - ein neues EU-Programm zur Ausbildung Jugendlicher. Es bringt das, was sie sich für Europas Jugend wünscht: mehr Mobilität. "Europa gehört uns", schließt sie. Damit endet auch die Debatte, Stronach scheint damit den Saal verlassen zu haben.

Jetzt ist Stronachs rechte Hand, Kathrin Nachbaur, zum Thema duale Ausbildung dran. Sie sei nicht mehr zeitgemäß, meinte sie - "unter Frank mussten wir eigene Schulungszentren bilden, weil die Qualität der Absolventen nicht gepasst hat", sagt sie. Verhaltener Applaus.

Was das Thema Ausbildungsgarantie angeht, sei sie skeptisch - der freie Markt müsse reagieren, alles andere sei "eine kosmetische Maßnahme", um das fehlende Angebot auszugleichen. Ihr "beratender Parteichef" Stronach hört übrigens noch brav zu, während Nachbaur spricht.

Noch ein kleiner Nachtrag zu ihm selbst: Seine letzten Sätze hat der Milliardär mit dem Sager "Dreck fällt wieder ab" beendet - als Antwort auf die Frage, warum er sich die Politik denn angetan habe.

Im Plenum beschäftigt man sich nach wie vor mit Europa-Themen (Stichwort: duale Ausbildung) - auf der Tagesordnung folgt dann das Ministeriengesetz, das das Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium vereinen wird und Sophie Karmasin ihr eigenes Familienministerium verschaffen wird. Einstweilen haben wir für Sie aber noch Franks beste Zitate gesammelt - als Abschiedsgeschenk.

Twitter zollt Frank Stronach weniger Respekt, als es die Abgeordneten getan haben - sie haben ihn mit Applaus verabschiedet. Dort wird mehr gewitzelt:

"Jawohl! Wir sind die besseren Finnen!", weiß Neos-Chef Matthias Strolz, der den schwierigen Auftritt nach Stronach meistern muss. Dass das duale Bildungssystem nicht schlecht funktioniert habe, sei der Sozialpartnerschaft zu verdanken. Diese habe sich zuletzt aber zu Blockieren verwandelt, so Strolz.

Strolz freut sich über Christoph Leitls Ansage, bei manchen Themen auf Grüne und Neos zu setzen. Der heutige Tag sei dahingehend ein "Offenbarungseid".

Nun ist es soweit, der Moment, auf den zumindest alle Journalisten gewartet haben: Frank Stronach tritt ans Pult. Er antwortet Lopatka: Er, Stronach, sei nicht imselben Boot, "Ich habe mein eigenes Boot", so der Austro-Kanadier.

Er habe nie ein Amt angestrebt, sagt der Milliardär. Und so werde er nicht mehr lange im Nationalrat bleiben. Er sei zu seinen beiden Ländern - Österreich und Kanada - sehr loyal. Und nun will er Zeit mit seiner Familie - einer seiner Enkelsöhne sei jetzt bei ihm im Betrieb - verbringen.

Immer wieder geht ein Raunen durchs Plenum. Das Glöckchen hat schon geklingelt. Er hätte wahrlich etwas anderes mit seinem Geld anfangen können, seine Freunde hätten ihn vor der Politik gewarnt, sagt Stronach. Doch er habe stets versucht, das Beste zu tun und wolle mit gegenseitigem Respekt aus dem Nationalrat ausscheiden - "dass man sich später auch mal wieder die Hand geben kann". Zum Abschluss bedankt er sich bei allen Abgeordneten und erntet Applaus.

FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz provoziert das erste Schreiduell: Nach einem kurzen thematischen Ausflug zum eigentlichen Thema, der Bildung, ist auch er im EU-Wahlkampf angekommen. Die Regierungsparteien würden über Europa und den Euro ein Denkverbot verhängen. Er selbst sei zwar auch nicht für den Austritt aus dem Euro - aber nur derzeit. "Wann denn, bitteschön?", tönt es aus dem Plenum. "Wann es noch weiter runter geht", ruft Rosenkranz.

Europa- und Innenpolitik sei nicht mehr trennbar, befindet VP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Deshalb sei er froh, dass auch im Nationalrat mehr und mehr EU-Themen behandelt würden, etwa in Form dieser Aktuellen Europastunde. Lopatka tritt gegen Tendenzen auf, eigene Währungen zurückzufordern. "Gottseidank haben wir Angela Merkel", sie sei Garant für die Währungsunion.

Es gäbe zwar Mängel an der EU - die offenen Grenzen etwa brächten auch Probleme mit sich. "Das haben wir etwa letzten Freitag gesehen", meint Lopatka und spielt damit auf die Krawalle rund um den Akademikerball an. Doch die offenen Grenzen am Arbeitsmarkt müssten unbedingt bestehen bleiben, meint Lopatka.

Nun ergreift der Kanzler selbst das Wort. Faymann sieht eine Gefahr, dass bei der Arbeitslosigkeit ein "Gewöhnungseffekt" eintritt. Das sei für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unetrtäglich. Die Chancen der Jungen seien erst recht systemrelevant - und damit kommt er zurück aufs eigentliche Thema: Bildung. Jugendarbeitslosigkeit sei im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht allein Problem der ärmeren EU-Staaten. Auch in Schweden sei das Thema drängend. "Österreich steht an der Spitze im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit", so der Kanzler.

Phase II am heutigen Nationalrats-Tag: Es geht um das Duale Ausbildungssystem und um die Ausbildungsgarantie; Titel: "Österreich als Beispiel für Europa". Am Wort ist der neue geschäftsführende Präsident des Renner-Instituts. Er holt weit aus: Am derzeitigen Gedenken an den Ersten Weltkrieg erkenne man die Bedeutung des heutigen, gemeinsamen Europa. Man müsse Perspektiven schaffen und Radikalismen vorbeugen - Politik und Wirtschaft müssten ihren Teil beitragen. Cap hält eine Brandrede gegen das Kaputtsparen und ist gedanklich schon ein bisschen im Europa-Wahlampf - er hält ein Plädoyer für einen sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten.

Nach Leo Steinbichler vom Team Stronach, der sich über die Berichterstattung über seinen Noch-Parteichef echauffierte - man dürfe im TV keinen Mann lächerlich machen, der Tausende Arbeitsplätze geschaffen hat - darf nun Gerald Loacker von den Neos referieren. Er prangert den "Steuerdschungel" an - insbesondere, was Unternehmer mit Kindern betrifft. Damit schließt die erste Debatte rund um die Familienbeihilfe.

Julian Schmid, der Shootingstar des vergangenen Grünen Wahlkampfs, ist nun am Wort. In breitem Dialekt erklärt er die Schwierigkeit seiner Generation, zwischen Laufbahn und Familie zu wählen. Die Kinderbetreuung gehöre ausgebaut, gerade in den Gemeinden. Schon vor der Geburt hätten seine Freunde das Kind schon für den Kindergarten anmelden müssen. Und Schmid schlägt in dieselbe Kerbe wie Strache: Es sei längst an der Zeit gewesen, die Familienbeihilfe an die Inflation anzugleichen. Und auch er plädiert dafür, dass Männer stärker in die Familienbetreuung eingebunden werden sollen. Schließlich erklärt der junge Grüne Ministerin Karmasin seine Unterstützung - wenn sie für ein modernes Familienbild arbeitet.

Heute zum dritten und letzten Mal dabei: Frank Stronach hält am heutigen Mittwoch seine Abschiedsrede im Parlament und beendet damit sein Abenteuer Politik.

Die junge SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits hält eine flammende Rede über Männer und Frauen im 21. Jahrhundert. Freunde und Bekannte in ihrem Alter hätten oft noch immer nicht die Chance, einen Papa-Monat zu konsumieren. Familienpolitik sei heute Sache beider Geschlechter, in der Politik vermisse man aber den Niederschlag moderner Lebenswelten. Kinderbetreuung sollte nicht nur wohlhabenden Familien zuteil werden, sondern allen Bürgern, so Kucharowits.

Jetzt spricht HC Strache: Neo-Ministerin Karmasin schaut ihm von hinten interessiert zu - die Debatte über ihre Rede ist schließlich ein Novum für die ehemalige Meinungsforscherin. Strache spart auch nicht mit Kritik: Die Anhebung bei der Familienbeihilfe würde nicht einmal die Inflationsanpassung für die vergangenen zehn Jahre ausmachen, meint er; Applaus aus den Reihen der FP folgt.

Auch Daniela Musiol von den Grünen hat wenig Lob parat. Öffnungszeiten, Gruppengrößen, Betreuungsschlüssel: Her gelte es bei den Kinderbetreuungseinrichtungen nachzubessern. Aber sie hat Hoffnung: "Ich möchte ja nicht, dass Sie scheitern", meint Musiol zu Karmasin.

In den Bänken sitzt heute zum letzten Mal auch Frank Stronach - der Austrokanadier will sich bekanntlich zurückziehen und wird dies heute auch offiziell im Plenum tun. Derzeit beschäftigt sich der Team-Stronach-Gründer noch mit seiner Rede. Dessen Redner Georg Vetter widmet sich in seiner Rede übrigens gerade den Themen Hass und antike Tragödie - er wünscht sich gesellschaftlichen Frieden, so der Sukkus seiner etwas eigenen Rede.

Viel verstanden von Vetters Rede habe auch Beate Meinl-Reisinger nicht, die nach ihm spricht und den Kopf schüttelt. Sie hält Karsmins Maßnahmen für begrüßenswert; sie fordert zudem einen Rechtsanspruch für eine Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr.

Die erste Abgeordnete am Rednerpult: Angela Lueger von der SPÖ. Sie goutiert Karmasins Pläne an und für sich, plädiert aber für deutlich bessere Rahmenbedingungen für Familien als jetzt - gerade die Qualität bei der Kinderbetreuung sei zu verbessern. Investitionen dort würden sich auch wirtschaftlich rechnen, so die AK.

Nach ihr darf Dorothea Schittenhelm ans Mikrofon - von der VP-Abgeordneten bekommt Karmasin naturgemäß Beifall; sie spricht "unserer Familienministerin" ihr vollstes Vertrauen aus.

Jetzt zum Aktuellen: Die neue Familienministerin hat zum Anfang ihrer Rede beklagt, dass sich die Österreicher im Schnitt zwei Kinder wünschen - aber nur 1,4 Kinder bekommen. Hier will sie ansetzen - mit familienfreundlichen Unternehmen, mit dem Schulstartgeld, mit einer erhöhten Familienbeihilfe.

Hier zur Zusammenfassung der Ministerratssitzung: Das Abgabenänderungsgesetz ist beschlossen worden, auch die Änderungen bei der GmbH light wurden angenommen. Auch die Bankenabgabe wurde abgesegnet, so die beiden Regierer.

Dass sich einige Wirtschaftsbündler im Vorfeld gegen diese Änderungen ausgesprochen haben, hat Werner Faymann und Michael Spindelegger offenbar wenig irritiert - "es ist in unserem Land vorgesehen, dass es kontroversielle Diskussionen gibt", meinte der Kanzler.

Einen schönen guten Morgen - mit etwas Verspätung, das tut uns leid. Der Ministerrat ist gerade zu Ende, die Plenarsitzung hat gerade eben begonnen - die neue Familienministerin Sophie Karmasin ist am Wort.