Regierung sucht Gleichschritt im Lehrerstreit
Von Karin Leitner
Die Verhandlungen zum Lehrerdienstrecht werden immer skurriler. Es gebe einen Regierungsvorschlag, sagen die SPÖ-Ministerinnen Claudia Schmied und Gabriele Heinisch-Hosek. „Den gab es leider nicht“, sagt ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter.
Faktum ist: Nach dem Streit über das Angebot für die Standesvertreter (Fekter: „Schmied fährt das Ganze an die Wand“ - Siehe unten) wurde versucht, vor der 29. Runde am Mittwoch doch noch eine gemeinsame Position zustande zu bringen. Die gab es dann mehr oder weniger; dennoch wurde die Verhandlung vertagt – weil das nicht nur der oberste Lehrergewerkschafter Paul Kimberger, sondern auch Fekter wollte. Sie müsse Schmied und Heinisch-Hoseks modifizierte Variante erst „durchrechnen“.
Neues Angebot
Heinisch-Hosek und Schmied hatten den ursprünglichen Reformentwurf modifiziert – und Mittwochvormittag Fekter übermittelt. Anfangs war vorgesehen, die künftigen Pädagogen zu 24 Stunden Unterricht pro Woche zu verpflichten. Derzeit sind es 20 bis 22 Stunden (in der Volksschule 22, in der Hauptschule 21, im Gymnasium 20).
Bei den 24 Stunden „pädagogischer Kernzeit“ wollen Schmied & Co zwar bleiben. Wer aber Kinder an der Schule eine Stunde pro Woche betreut, soll nur 23 Pflichtstunden haben. Wer Klassenvorstand ist, bekommt dafür eine weitere Stunde eingerechnet. „Das ist ein Entgegenkommen, weil sich die Schultypen von der Stundenzahl annähern“, sagte Heinisch-Hosek dem KURIER. Die AHS-Lehrer hatten sich ja besonders gegen die 24-Stunden-Unterrichtspflicht verwahrt.
Weitere Neuerung: Berufsschullehrer sollen nicht elf, sondern zwölf Berufsjahre angerechnet bekommen. Aus dem Entwurf genommen wurde ein „Zuckerl“ für Lehrer der vierten Klasse Volksschule. Sie sollen nun doch keine Zulage von 24 Euro monatlich für Schularbeitsarbeit in Deutsch und Mathematik bekommen.
Nach wie vor im Angebot: Künftige Lehrer können die nächsten fünf Jahre zwischen dem alten und neuen Dienst- und Gehaltsrecht wählen. Und: Die Einstiegsgehälter sollen steigen – auf 2400 Euro brutto monatlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gewerkschaft auch jetzt noch dazu Nein sagt. Dafür hätte ich kein Verständnis“, befindet Heinisch-Hosek.
Nachdenkpause
Die Gewerkschaft will nun über die neue Regierungsversion „nachdenken“. Auch sie hat ihre Position leicht revidiert – was die Gagen der Pädagogen betrifft. Für Kimberger ist das von den Ministerinnen offerierte Anfangseinkommen für Lehrer aller Schultypen (2400 Euro) akzeptabel, im Verlauf der Karriere sollten die Gehälter aber unterschiedlich hoch sein.
Dass es mit der seit 20 Jahren angekündigten Reform vor der Nationalratswahl im Herbst noch etwas wird, bezweifelt Kimberger aber schon jetzt: „Ein großer Wurf ist nicht mehr möglich.“ Für ihn ist lediglich vorstellbar, sich über „gewisse Eckpunkte“ zu einigen, die dann in ein Koalitionsabkommen fließen könnten.
Das wird auch von den Regierenden erwogen, wie dem KURIER bestätigt wird. Gedacht wird an eine „Punktation“ wie in Sachen Familienrecht. All das wäre wohl recht allgemein gehalten. In der Art: Die Anfangsgehälter sollen höher sein als jetzt, gegen Ende der Laufbahn niedriger. Bei den Wählern würden Rot und Schwarz damit wohl nicht punkten. Die Reform des Lehrerdienstrechts ist ihnen zu oft versprochen worden.
Der soeben gewählte Salzburger ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer setzt die schwarze „Westachse“ mit seinen ÖVP-Amtskollegen Markus Wallner (Vorarlberg) und Günther Platter (Tirol) bei der heiklen Frage der gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen fort.
Wie die beiden anderen Landeshauptleute plädiert Haslauer in den Vorarlberger Nachrichten für eine gemeinsame Schule bis zum 14. Lebensjahr. Alle drei Landeschefs sind sich dabei im Klaren, dass dieses Vorgehen völlig konträr zur ÖVP-Linie im Bund läuft.
Anders als in der ÖVP-Zentrale in Wien sei man in Salzburg der Meinung, „dass im Endausbau Realgymnasien keine Unterstufe mehr brauchen, dort reicht die Neue Mittelschule aus“, wird Haslauer zitiert. In Hallein gebe es bereits einen entsprechenden Schulversuch.
Die Bildungspolitik sei ein „entscheidendes Thema für die Weiterentwicklung“, sagt Haslauer auf die Frage, ob sich die Bundes-ÖVP in dieser Frage bewegen solle.
Schräge Polit-Welt. Am Mittwoch, bei der 29. Verhandlung über ein neues Lehrerdienstrecht, verlaufen die Fronten nicht mehr so, wie sie sein sollten: hier die Regierungs-, da die Standesvertreter. Nun heißt es: die SPÖ-Ministerinnen Claudia Schmied und Gabriele Heinisch-Hosek gegen ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter und die ÖVP-dominierten Gewerkschafter. Der Wahlkampf macht Schule.
Unterrichtsministerin Schmied hatte am Dienstag kund getan, sie, Heinisch-Hosek und Fekter würden „mit dem gemeinsam erarbeiteten Regierungsvorschlag“ in die heutige Verhandlung gehen.
Stimmt nicht, sagt Fekter im KURIER-Gespräch: „Ich werde heute die ÖVP-Position einbringen.“ Der Kern: Statt einer wöchentlichen Unterrichtspflicht gibt es ein Jahresarbeitszeitmodell (das Pflichtschullehrer schon haben). Um das zu erstellen, sei eine Arbeitszeitstudie vonnöten. Fekter und ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger haben all das vergangene Woche mit Beamtenboss Fritz Neugebauer und dem obersten Lehrergewerkschafter Paul Kimberger besprochen.
Zwist
Warum absentiert sich Fekter vom rot-schwarzen Entwurf vom Mai 2012, in dem verankert ist, die Unterrichtspflicht von derzeit 20 bis 22 auf 24 Wochenstunden zu erhöhen? „Erstens: Es gibt keinen Regierungsbeschluss. Ich bin bass erstaunt, dass Schmied so etwas behauptet. Es gibt nur einen Vorschlag der Fachministerinnen Schmied und Heinisch-Hosek; der wurde nur von den Kosten her mit mir akkordiert. Und das Finanzielle war nicht das Nadelöhr“, sagt Fekter. „Zweitens: Schmied hat das Ganze mit ihrem Einheitsbrei-Vorschlag an die Wand gefahren. Der hat viele neue Probleme aufgeworfen. Ich kann nicht über alle Lehrer mit den 24 Wochenstunden drüberfahren. Man muss je nach Schultyp differenzieren.“ Sie halte es für „fatal, dass sich Schmied und Heinisch-Hosek seit Wochen weigern, über Kompromisse zu verhandeln. Dass sie darüber nicht einmal reden wollen, ist eine Provokation“, befindet die Finanzministerin. Und so habe die ÖVP eine Kompromissvariante ersonnen.
Warum will sie nun eine Arbeitszeitstudie, derer es bereits gibt? Ist das nicht bloß Taktik, um die Reform vor der Wahl nicht mehr beschließen zu müssen, wie die SPÖ meint? Von wegen, sagt Fekter: „Vom Zeitlichen her ist das kein Problem. Wir können auf der Arbeitszeitstudie aus dem Jahr 2000 aufbauen.“ Zudem sei die Studie nötig, um eruieren zu können, „welche Art von Unterstützungspersonal in welcher Zeit nötig ist, um die Lehrer zu entlasten, damit sie mehr Zeit mit den Kindern verbringen können“.
Auch da seien die SPÖ-Ministerinnen säumig: „Auf die Frage der Gewerkschaft, wie die Lehrer entlastet werden sollen, kommt von ihnen keine Antwort. Die Sozialarbeiter, die Schmied anbietet, reichen doch nicht. Es braucht auch Psychologen und administratives Personal. Ich verstehe nicht, warum sich Schmied mit diesen Argumenten nicht auseinandersetzt.“ Wie soll die Verhandlung angesichts dieser Differenzen heute verlaufen? „Ich werde Schmied und Heinisch-Hosek klar machen, dass verhandeln heißt, auf die Argumente des Gegenübers einzugehen – und dass sie unsere guten Vorschläge annehmen sollen.“ Wenn sie das nicht tun? Setzt sie dann auf den SPÖ-Kanzler, der das Dienstrecht zur Chefsache machen will, wenn es auch heute keinen Konsens gibt? Wohl nicht. „Es ist bezeichnend, dass er über eine Gewerkschaft drüberfahren will, die schwarz ist (Werner Faymann hat ja wissen lassen, die Reform notfalls ohne Sanktus der Standesvertreter zu beschließen). Da bin ich nicht dabei“, sagt Fekter. Scheitere das Projekt, „dann an denen, die sich weigern, über den Vorschlag eines anderen auch nur zu reden. Wenn man ausschließlich ideologisch unterwegs ist, in Richtung Einheitsbrei, dann wird das nicht gehen. Ich bin mit meinen Verhandlungen immer rasch zu einem Ende gekommen.“
In der SPÖ ist man empört darüber, „dass sich die ÖVP vor Neugebauer auf den Rücken haut – obwohl sie Dienstgeber ist“. Das Begehren nach einer Arbeitszeitstudie habe nur einen Zweck: Zeit zu schinden, zu verhindern, dass es vor der Wahl ein neues Dienstrecht gibt.
Lehrergewerkschaftschef Kimberger ist naturgemäß zufrieden, wie er dem KURIER sagt: „Die ÖVP hat sich von der Gewerkschaft überzeugen lassen.“