Politik/Inland

"Kirchenrebell" Adolf Holl ist tot

Adolf Holl war über Jahrzehnte eine der Speerspitzen der Kirchenkritik in Österreich, schrieb zahlreiche Bücher und war nie um deutliche Worte verlegen. Holl sei „ein Weiser, nicht weil er Gott geschaut hat, sondern weil er die Menschen kennt, in ihrem Stolz und in ihrem Elend, in ihrer Sehnsucht nach Sinn in einer sinnlosen Welt“, sagte der Philosoph Rudolf Burger in seiner Laudatio auf den Theologen bei der Vergabe des Österreichischen Staatspreises für Kulturpublizistik im Jahr 2003.

Holl wurde am 13. Mai 1930 in Wien geboren, wo er Theologie und Philosophie studierte. Von 1954 bis 1973 war er Kaplan und Religionslehrer in der Wiener Pfarre Neulerchenfeld, ab 1963 Dozent an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Von Kardinal König suspendiert

Ein Geständnis in einer Fernsehsendung, den Zölibat gebrochen zu haben, brachte die Wende für Holl. „Eigentlich müssten Sie eine neue Kirche gründen“: Mit diesen Worten suspendierte Kardinal Franz König 1976 ein dreiviertel Jahr später den unbotmäßigen Seelsorger vom Priesteramt – eine Aufforderung, der Holl 2009 augenzwinkernd mit seinem Buch „Wie gründe ich eine Religion“ nachkam.

Bereits drei Jahre vor der Suspendierung vom Priesteramt war Holl die kirchliche Lehrbefugnis wegen „schwerer Irrtümer gegen die katholische Lehre“ entzogen worden. Er stieß kirchliche Würdenträger und manchen kirchentreuen Katholiken mit seiner Auslegung der Bibel vor den Kopf, was ihm den Titel „Kirchenrebell“ einbrachte.

Auch sein internationaler Bestseller „Jesus in schlechter Gesellschaft“, bei dem seine Lebensgefährtin, die Journalistin Inge Santner-Cyrus, half, rief den Kardinal auf den Plan. In dem Buch bezweifelte Holl die Göttlichkeit Jesu und stellte infrage, ob dieser eine von Klerikern geleitete, institutionalisierte Kirche gewollt habe. Den Umgang der Amtskirche mit neuen Ideen oder Kritik von außen empfand Holl zunehmend als „Mischung aus Selbstgefälligkeit, Heuchelei und Tatsachenblindheit“.

TV-Moderator, Journalist und Autor

Nach der Suspendierung erfand Holl sich neu: als Journalist und Autor. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Holl als origineller Diskussionsleiter des legendären „Club 2“ im ORF bekannt.

Insgesamt publizierte Holl über dreißig Bücher, darunter „Die linke Hand Gottes“, „Falls ich Papst werden sollte“ und „Der Fisch aus der Tiefe“, die in zwölf Sprachen übersetzt wurden. Zum 85. Geburtstag legte er mit „Braunau am Ganges“ eine philosophisch-grenzgängerische Reflexion über Hinduismus, das Böse an sich und Hitler im Speziellen vor. Mit dem Nationalsozialismus und Adolf Hitler beschäftigte sich Holl immer wieder intensiv. 2018 erschien die Biografie „Holl. Bilanz eines rebellischen Lebens“ von Harald Klauhs.