Politik/Inland

Kirche und Caritas fordern Pakt gegen „Stille Not der Einsamkeit“

Vereinsamung ist kein abstraktes Problem, sondern nimmt zu und ist eine schmerzhafte Wirklichkeit im Leben vieler Menschen. Wir sind überzeugt: Wer für ein sinnerfülltes Leben und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land eintritt, muss die Einsamkeit bekämpfen!“, richten Kardinal Christoph Schönborn und Caritas Präsident Michael Landau einen Appell an die Politik: „Wer auch immer das Land in den nächsten Jahren regiert, sollte die stille Not der Einsamkeit bekämpfen.“

Landau und Kardinal Schönborn berufen sich dabei unter anderem auf eine Studie des Market-Instituts: „Der Blick auf das Alter erzeugt oftmals Angst“, so das Resultat der Studie "Angst und Alter". Studienautor Werner Beutelmeyer fasste seine Studie so zusammen: "Gesundheitliche Probleme, zu wenig Freunde und Bekannte sowie keinen Partner zu haben sind die dominierenden Ängste bei älteren Personen. Offensichtlich ist für sehr viele das Alter mit Unbehagen verbunden.“

In Zahlen: 81 Prozent der 60-69-Jährigen erwarten in der Zukunft gesundheitliche Probleme, 50 Prozent befürchten zu wenige Freunde und Bekannte und 33 Prozent rechnen damit, dass kein Partner an ihrer Seite steht, beziehungsweise mit Schwierigkeiten bei der Partnersuche.

Auffallend sei dabei auch, dass die Ängste der Altersgruppe der über 70-Jährigen fast deckungsgleich mit jenen der vorherigen Dekade sind – sprich: Es ändert sich nichts.

Landau betont, dass in anderen Ländern das Problem mit der Einsamkeit erkannt wurde - und Lösungen gesucht werden.

  • So gibt es in England seit 2018 einen dafür auch zuständigen Minister.
  • Die deutsche Bundesregierung hat das Thema in ihr Koalitionsübereinkommen aufgenommen.
  • Und die Niederlande haben einen „Pakt gegen Einsamkeit“ geschlossen.

„Einsame Menschen wieder in die Gesellschaft zu holen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die bei jedem von uns beginnt und auch die Politik in die Pflicht nimmt.“, sagt Caritas-Chef Landau. Ein Pakt gegen die Einsamkeit soll das Zusammenwirken von Bund, Länder, Gemeinden, aber auch von Kirchen und Glaubensgemeinschaften sowie Wirtschaft und Zivilgesellschaft fördern.

Schönborn betont die Arbeit auch der katholischen Kirche für die Gesellschaft: „Unser christlicher Glaube sagt uns, dass Beziehung wesentlich für ein geglücktes Leben ist“, so der Kardinal. „Das dichte Netz von Pfarren, Orden und christlichen Gemeinschaften bietet tagtäglich offene Orte, die Beziehung stiften und damit Vereinsamung verhindern. Jedes Pfarrcafé, jeder Besuchsdienst, jede Grätzl-Initiative ist dafür ein hilfreicher Schritt. Wenn wir sensibler werden für einsame Menschen und auf sie mit offenem Herzen zugehen, ist schon viel erreicht.“

    Auch viele junge Menschen von Einsamkeit betroffen

    Bei Österreichs wichtigster Helpline - Rat auf Draht, erreichbar unter der Telefonnummer 147 - melden sich jedes Jahr zahlreiche Kinder und Jugendliche, die sich alleine fühlen.

    Rund ein Drittel könnten Probleme mit niemandem besprechen.

    Einsamkeit wird als ein Phänomen angesehen, das hauptsächlich ältere Menschen betrifft“, sagt Birgit Satke, Leiterin von Rat auf Draht, in einer Aussendung. „Doch wir wissen aus unserer täglichen Arbeit, dass sich auch viele junge Menschen alleine fühlen. Jugendliche sind zwar über ihre Smartphones ständig miteinander vernetzt, die Sehnsucht nach echter Freundschaft und Gemeinschaft kann aber nicht über Facebook oder Instagram gestillt werden."

    Das Thema Einsamkeit sei in der Beratung von Rat auf Draht seit vielen Jahren ein Dauerbrenner. Satke: „Niemand ist gerne Außenseiter. Gerade für junge Menschen ist es wichtig, sich als Teil einer Gruppe zu fühlen und sich mit Gleichaltrigen austauschen zu können.“

    Tipps für Betroffene

    • Wenn Eltern bemerken, dass ihr Kind unter Einsamkeit leidet, gebe es Möglichkeiten zu unterstützen:
    • Setzen Sie Ihr Kind nicht unter Druck! Sie sollten auf keinen Fall versuchen, die Persönlichkeit des Kindes zu ändern. Auch die Aufforderung: „Triff dich doch einmal mit deinen SchulkollegInnen“ ist sinnlos und sorgt für Schuldgefühle bei Ihrem Kind, wenn es ihr nicht nachkommt.
    • Fragen Sie Ihr Kind nach seinen Wünschen und Zielen: Zu wem genau möchte es gerne Kontakt haben und was verspricht es sich davon? Was wäre dann besser?
    • Überlegen Sie mit Ihrem Kind ganz konkrete Schritte, wie es Kontakt herstellen könnte und unterstützen Sie es dabei: „Wollen wir Lisa nächste Woche einmal ins Kino einladen?“ oder „Traust du dich, Felix anzurufen und zu fragen, ob er morgen am Nachmittag zu uns nach Hause kommen möchte?“
    • Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Ihre eigenen Erfahrungen mit Freundschaften. Haben Sie sich als Kind auch schon einmal einsam und allein gefühlt? Erzählen Sie Ihrem Kind, wie Sie damit umgegangen sind, denn ihr Kind kann dabei viel lernen.
    • Wenn es in der Schule kein Kind gibt, mit dem Ihr Nachwuchs gerne befreundet sein möchte, könnten Sie es zu einem Kurs anmelden. Oft entstehen Freundschaften durch gemeinsame Interessen, wie etwa im Sportverein. Ihr Kind kann so Gleichaltrige fernab der Schulklasse kennen lernen und auf diese Weise einen Neuanfang starten.

    Familien unter Druck

    Eine repräsentative Umfrage (hier der Link), die das Institut für Jugendkulturforschung im Auftrag von SOS-Kinderdorf im Frühjahr 2019 durchgeführt hat, zeigt, dass sich Kinder auch im Familienverband häufig einsam fühlen. 55 Prozent der befragten Jugendlichen wünschen sich mehr gemeinsame Freizeitaktivitäten mit ihrer Familie, 22 Prozent geben an, zu wenig Zeit zu haben, um wichtige Themen zu besprechen.