Politik/Inland

Kern & Mitterlehner: Kreisky-Nostalgie versus Hoppauf-Appelle

Christian Kern
CETA war erst der Anfang: SPÖ soll Schutzpatron gegen Globalisierung werden

Auf dem Schreibtisch eine Blumenvase mit frischen Margeriten, ein imposanter Zeitungsstoß mit Zeit und Spiegel oben auf, Laptop, Telefon: Ein klinisch sauberer Arbeitsplatz, der einen aufgeräumten Chef signalisieren soll. Außergewöhnlich sind nur die vielen Schwarz-Weiß-Porträts an der Wand. Allesamt würdevoll dreinblickende Herren in Anzug und Krawatte, die hier einst als Chefs firmierten. Das jüngste Bild der Ahnengalerie der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße zeigt Werner Faymann. Er regierte auch die Partei lieber vom Kanzleramt aus. Im Chef-Zimmer der SPÖ waren seit Ende der 70er- Jahre auch die meisten seiner Vorgänger nur als Besucher anzutreffen.

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Christian Kern will das ändern und ist Montag im Beisein von Journalisten in das sogenannte Kreisky-Zimmer eingezogen. Das schmucklose Erkerzimmer im zweiten Stock des Gründerzeithauses bietet einen breiten Blick auf das gegenüberliegende Rathaus und die nahe gelegene "Kantine" des Regierungsviertels , das Café Landtmann. Er will künftig jeden Montag hier zubringen. Von hier aus organisierte Bruno Kreisky noch als Oppositionsführer erst den Umbau der SPÖ und dann des Landes. Der Wiedereinzug in "die Löwelstraße" ist für Kern eine "symbolische Geschichte". Die Zeiten, wo die Partei für ihre Mitglieder "von der Wiege bis zur Bahre" sorge, seien endgültig vorbei. Jetzt gelte es, so Kern, "das Vehikel zu restaurieren" und ein "Parteileben zu schaffen, das wieder einem gewissen intellektuellen Anspruch genügt".

Dazu gehört, dass "die SPÖ etwas mutiger wird". Die CETA-Befragung sei ein Anfang gewesen. Auch wenn er bedauert, dass "die Diskussion keine Breite gewonnen hat". Eine Volksabstimmung hält er aber nicht für angebracht, wenn auch "nicht für abwegig". Allen, die kritisieren, dass er mit Kritik an CETA den Freihandel generell infrage stelle, entgegnet Kern: Dem Aufstieg der Rechtspopulisten sei nur beizukommen, wenn die Politik wieder signalisiere, "vom Wohlstand der Globalisierung können alle profitieren". Denn, so der Kanzler kämpferisch: "Die Mechanismen des sozialen Ausgleichs sind in die Brüche gegangen".

Kern hadert nach wie vor damit, dass sein 24.000-Zeichen-Plädoyer in der FAZ für eine stärkere Rolle des Staates bei der Wirtschaftsbelebung mit ein paar 140-Zeichen-Tweets als "links" abgetan worden sei. Aber wo würde er sich denn selber in der SPÖ-Ahnengalerie etwa zwischen Franz Vranitzy, dem "Sozialisten im Nadelstreif", Viktor Klima als Anhänger des "dritten Wegs" von Tony Blair und Gerhard Schröder sowie Alfred Gusenbauer als Anhänger der "solidarischen Hochleistungsgesellschaft" politisch verorten? Mit "Whatever works", sagt er knapp. Eleganter hat vor Christian Kern noch keiner verpackt, was andere banal mit "Politik ist die Kunst des Möglichen" umschreiben würden.

Reinhold Mitterlehner
Es geht aufwärts: Ansporn für mehr Flexibilität statt Selbstzufriedenheit

Wahnsinnig wohl dürfte sich der Vizekanzler und Wirtschaftsminister derzeit auf seinem Posten nicht fühlen. Sein Gegenüber in der Regierung, Bundeskanzler Christian Kern, hat die weitaus besseren Umfragedaten und wirkt dynamischer, frischer. Und hinter Mitterlehner hat sich Außenminister Sebastian Kurz mit Talkshow-Eloquenz (siehe Seite 5) und Lobeshymnen im deutschen Feuilleton längst in Stellung gebracht, seinen Job an der Spitze der Volkspartei zu übernehmen. Also was macht der Wirtschaftsminister?

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Wie so oft, wenn Kurz und Kern zuletzt für nationale und internationale Schlagzeilen gesorgt haben, konzentriert er sich auf seine eigentliche Kernkompetenz: die Wirtschaft.

Eine besondere Inszenierung braucht der Vizekanzler dafür nicht. Ein gläsernes Rednerpult im Presseraum des Ministeriums, ein Glas Wasser und die gestreifte Krawatte. Mitterlehner lud zur Pressekonferenz „zum Standort Österreich“, und hatte doch einige Mühe zu erklären, warum er eingeladen hat. „Ich möchte dort einhaken, was wir letzte Woche erlebt haben“, verwies der 60-jährige Oberösterreicher auf drei seiner Ansicht nach zu wenig beachtete internationale Vergleichsrankings über Wirtschaftsstandort und Wettbewerbsfähigkeit der Staaten. In allen dreien nämlich habe sich Österreich klar verbessert. „Und damit kein Irrtum entsteht, es geht mir nicht um tatenlose Selbstzufriedenheit“, erklärt Mitterlehner gleich zu Beginn, „aber diese Rankings zeigen, dass unsere Bemühungen auf fruchtbaren Boden stoßen“, verweist er auf (seinen) erfolgreichen Reformweg. So gelte Österreich beim Vergleich „European Innovation Scoreboard“ als „Strong Innovator“ und liege unter den EU-Staaten bereits auf Platz acht. „Ohne Großbritannien sind wir sogar auf Platz sieben.“

Am 21. Oktober will er seine Grundsatzrede zur wirtschaftlichen Lage halten, darüber, was gelungen sei, aber auch, wo es Schwächen gebe. Drei Punkte, die für ihn entscheidend seien, nahm er vorweg: Österreich brauche ein „modernes und flexibles Arbeitsrecht“ – gemeint ist der 12-Stunden-Arbeitstag. Die Gesetzgebung des Arbeitnehmerschutzes seien 40 Jahre alt und überreguliert. Und es brauche Anreize für mehr private Investitionen. Die Themen sind sehr bewusst gewählt, der Oktober „entscheidend für den Wirtschaftsstandort Österreichs“: Bei der Arbeitszeitflexibilisierung etwa kämpfen die Schwarzen nun schon seit Jahren gegen Gewerkschaft und Arbeiterkammer für einen 12-Stunden-Tag ohne Überstundenzahlung. Ebenso beim Arbeitnehmerschutz, der mit 132 Paragrafen und 15 Verordnungen Sinnbild einer bürokratischen Überregulierung ist. Arbeitsgruppen würden das alles mit der SPÖ bereits verhandeln. Mitterlehner: „Bewerten sie uns dann an den Ergebnissen.“