FPÖ-Chef kann Scherbenhaufen nicht kitten
Die Freiheitlichen in Kärnten sind für die Bundes-FPÖ gleich eine zweifache Baustelle. Einerseits hält sich bei der an Eigenständigkeit gewohnte FPK die Liebe zu einer Wiedervereinigung mit H.C. Strache in Grenzen. Andererseits tobt innerhalb der Wahlverlierer ein Machtkampf, in dessen Mittelpunkt Gerhard Dörfler steht.
Der abgewählte Landeshauptmann bestätigte am Freitag gegenüber dem KURIER erneut, dass er gewillt sei, in den Landtag einzuziehen. Er habe eine Flut von Anrufen, E-Mails und Briefen mit der Bitte „bleib, bleib, bleib“ erhalten. Dörfler zitierte aus einem Brief, wonach eine Frau erklärt, ihr tue der Wahlausgang so leid, sie und viele Nachbarn seien bestürzt, „am Sonntag falsch gewählt zu haben“.
„Das bestärkt mich darin, mein Direktmandat anzunehmen und im Landtag eine Politik für die Bevölkerung zu machen“, sagt Dörfler. Auch gegen den Willen des geschäftsführenden Parteiobmannes Christian Ragger? Riskiere er sogar einen Parteiausschluss? „Wenn Ragger weiter so unvernünftig ist, dann werde ich eben freier Abgeordneter“, droht Dörfler. Die Demut, die Ragger jetzt an den Tag lege, „nimmt ihm ohnehin niemand ab“.
Dörfler und das BZÖ
Zwischendurch war das Gerücht aufgetaucht, Dörfler und Ex-Landesrat Harald Dobernig würden einen fliegenden Wechsel zum BZÖ starten. „Das ist unerhört“, dazu Dörfler. „Ich bin doch kein politisches Flittchen, das sich mit faulen Orangen umgibt.“ Dobernig wiederum sprach von der „größten Ente, die sich Stefan Petzner je einfallen ließ“ und verwies auf eine Anfrage des BZÖ-Strategen bei ihm. Für Petzner war das nur „ein loser Kontakt, den wir zu allen Parteien haben. Ein Wechsel jener, die 30 Jahre Arbeit von Jörg Haider vernichtet haben und das BZÖ zerstören wollen, ist ohnehin ausgeschlossen“, sagte er zum KURIER.
Generalvollmacht
Derweil lief im Landhaus eine Krisensitzung, in der Ragger für klare Verhältnisse sorgen wollte. Um die Diskussion auf eine möglichst breite Basis zu stellen, waren auch die freiheitlichen Bürgermeister geladen. Dabei sollen auch harte Worte gefallen sein, vor allem gegen die Wahlverlierer. Aber auch von Sympathiekundgebungen, vor allem für Dörfler, war die Rede. So sagte etwa Gerhard Oleschko , Bürgermeister von Keutschach, zum KURIER: „Dörfler trägt am desaströsen Wahlergebnis die geringste Schuld.“
Ragger sei jedoch dabei geblieben, dass auch Dörfler und Dobernig – sie waren jedoch nicht anwesend – dem Beispiel von Kurt Scheuch folgen und auf ihr Mandat verzichten sollten, sagte ein Sitzungsteilnehmer. „Um das durchzudrücken, hat er mit dem Rücktritt gedroht.“
Am Ende hat sich Ragger durchgesetzt, wie einer achtzeiligen Erklärung zu entnehmen ist. Demnach sei er von Parteivorstand und Bürgermeistern „mit einer Generalvollmacht ausgestattet worden und hat bis zum Parteitag (voraussichtlich Mitte Mai) sämtliche personelle und inhaltliche Entscheidungen die Partei betreffend umzusetzen“. Doch Ragger weiß genau: Dörfler und Dobernig können nur freiwillig gehen, zum Mandatsverzicht zwingen kann er sie nicht.
Sie blieb standhaft, und sie obsiegte: Im internen Kräftemessen, wer die niederösterreichischen Freiheitlichen in Zukunft anführt, behielt Barbara Rosenkranz in der Nacht zum Freitag die Oberhand.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war am Abend nach St. Pölten gefahren, um für klare Verhältnisse zu sorgen; zuvor hatte er Rosenkranz auch via KURIER kritisiert. Im Landtagswahlkampf hätten Aggressivität und Kanten gefehlt, selbst ein Rücktritt stand im Raum – immerhin hat Rosenkranz bei der Landtagswahl zwei der sechs Mandate verloren.
Nach einer mehr als sechsstündigen Krisensitzung war um ein Uhr in der Früh aber klar: Es bleibt alles wie gehabt. Die zehnfache Mutter ist alte und neue Parteichefin; zusätzlich wird sie Klubobfrau im Landtag. Einzig relevante Veränderung: die mittelfristige Ablöse des Landesparteisekretärs.
Ein Neustart sieht anders aus – was ist passiert? „Es geht nicht um Kopfrollen, sondern um die richtige Strategie, damit Niederösterreich zu einem guten Bundesergebnis beiträgt“, sagt FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl dem KURIER. Und Konsens sei: „Es wird einen markigen Oppositionskurs geben.“
Ein Insider sagt: „Strache wollte vermeiden, dass die FPÖ nach außen zerstritten wirkt.“ Da sich Rosenkranz bis in die Nacht mit Zähnen und Klauen geweigert habe, den Posten abzugeben, hätte ein Landesparteitag gedroht – mit „viel bösem Blut“ und möglicherweise dem selben Ergebnis: dass Rosenkranz an der Front verbleibt.
Hat Strache die regionale Hausmacht der gebürtigen Salzburgerin unterschätzt? „Die Forderung nach personellen Konsequenzen war jedenfalls eine Panik-Aussage. Strache hatte nicht den Funken einer Chance, Rosenkranz zu biegen – das selbe gilt für seine Einflussmöglichkeiten in Kärnten“, sagt Ewald Stadler, Ex-FPÖ-Landesrat in Niederösterreich und einstiger Parteivize.
Stadlers Erklärung für die überschaubaren Veränderungen: „Rosenkranz hat kontinuierlich Leute um sich geschart, die ihr nicht gefährlich werden können.“ Loyalität habe mehr gezählt als politischer Intellekt. „So ist auch zu erklären, warum dort keine FPÖ-Frauen nach oben kommen. Rosenkranz duldet niemanden, der ihr die Rolle als Reichsmutter streitig macht.“
Hat sie also nur Ja-Sager um sich geschart? Uni-Professor Lothar Höbelt, intimer Kenner des dritten Lagers, sieht andere Gründe: „Strache ist nicht wie Haider, der nach Niederlagen Rollkommandos losschickte. Schauen wir uns die Landesparteien Burgenland, Salzburg oder Tirol an: In jeder hätte es mehrfach Handlungsbedarf gegeben, aber Strache hat wenig hineinregiert, weil er weiß: Als Bundesparteichef sollte man sich raushalten.“
Alternativlos
Warum aber hat er dann vollmundig Änderungen angekündigt? „Weil das der Apparat erwartet“, sagt Höbelt. Personell könne sich in Niederösterreich auch aus einem anderen Grund nichts ändern. „Ich bin parteiisch, weil ich viel von Barbara halte. Aber es ist ein Faktum, dass sie klug ist, eine gute Gesprächsbasis zum Landeshauptmann besitzt und die Partei eint. Es gibt derzeit einfach keine Alternative zu ihr.“