Politik/Inland

Ist Justiz auf einem Auge blind?

Nicht jede Schweinerei ist strafrechtlich relevant.“ Für Gabi Moser, Korruptionsjägerin im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, war die Sache klar: Die Justiz konnte gegen Kanzler Werner Faymann in der „Inseraten-Affäre“ nicht genug Beweise sammeln, und nur deshalb musste sie am Dienstag bekannt geben, das Verfahren werde eingestellt. Irritierend ist freilich, dass selbst Korruptionsexperten wie Ex-Rechnungshofpräsident Franz Fiedler Zweifel an der Einstellung äußern und dass in einer ähnlichen Causa, der „Broschüren-Affäre“ des BZÖ, nun sehr wohl angeklagt wird. Misst die Justiz tatsächlich mit zweierlei Maß? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen:

Ex-Staatsanwalt Fiedler moniert, die veröffentlichte Begründung der Staatsanwaltschaft für die Einstellung in der Causa Faymann sei fragwürdig. Stimmt das?

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Nein. Die Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch klargestellt, dass die Presse-Aussendung offensichtlich falsch interpretiert wurde. Konkret heißt es da: „Bei den Inseraten der Asfinag konnte den Verantwortlichen teilweise keine konkreten Tathandlungen nachgewiesen werden.“ Mit „Verantwortlichen“ sind aber nicht Faymann und Staatssekretär Ostermayer, sondern die Manager der Asfinag gemeint. Sie haben Rechnungen für Inserate zwar abgezeichnet, sonst aber nichts „getan“ – daher das Wort „teilweise“. Der Verdacht der Untreue war nicht aufrechtzuerhalten. Warum? Laut Gutachten hatten die Inserate, die mit Faymanns Konterfei in Boulevard-Medien platziert wurden, echten Werbe-Wert. Die Justiz konnte den Managern rechtlich nichts vorwerfen, sie haben das Unternehmen nicht geschädigt – demzufolge konnte man auch Faymann nicht anklagen, weil er „nur“ als Mit-Täter infrage kam.

Wäre es nicht sinnvoll, würde die Justiz die genauen Gründe für die Einstellung veröffentlichen?

Ja. Wolfgang Brandstetter, Strafrechtsprofessor und Verteidiger Faymanns, spricht sich gegenüber dem KURIER dezidiert für eine Veröffentlichung aus. Formal kann und darf das eine Staatsanwaltschaft, sofern sie den Datenschutz nicht prominenter Betroffener wahrt. Das Justizministerium hat gestern angekündigt, die Begründung der Verfahrenseinstellung in der Ediktsdatei zu veröffentlichen. Das wird aber Wochen dauern, da „untergeordnete Beteiligte“ noch einvernommen werden.

Der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler und das Team des BZÖ haben mit einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Broschüre für das BZÖ geworben und werden – im Unterschied zu Faymann – angeklagt. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?

Ja, sagt Dörflers Anwalt Manfred Ainedter zum KURIER. „Aus meiner Sicht wurde sehr wohl mit zweierlei Maß gemessen, denn der Sachverhalt ist bei den Causen Faymann und Dörfler sehr ähnlich: In beiden Fällen wurde politische Werbung auf Kosten des Steuerzahlers gemacht.“

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft widerspricht dem. Die der Anklage zugrunde liegende Broschüre war bereits vom Landesrechnungshof kritisiert worden, weil sie „auf subtile Art“ Wahlwerbung für das BZÖ machte – unter anderem mit dem BZÖ-Slogan „Garantiert“. Das Land musste laut Anklagebehörde eine Werbebroschüre einer Partei finanzieren, die dafür nötigen 219.000 Euro fehlen nun in der Kassa – daher war im Falle von Dörfler & Co anzuklagen.