Politik/Inland

"Pleite Kärntens hilft niemandem"

KURIER: Frau Griss, Sie bezeichneten den Fall Hypo als eine griechische Tragödie. Wie es ausschaut, ist die Tragödie noch nicht zu Ende ...

Irmgard Griss: Der Schlussvorhang ist noch lange nicht gefallen. Denn ich glaube nicht, dass bei den Verhandlungen das letzte Wort bereits gesprochen ist. Ich hoffe doch sehr, dass es noch zu einer Lösung kommt.

Die Kärntner Landesregierung hat bis jetzt Verhandlungen mit den Gläubigern abgelehnt. War diese Taktik ein Fehler?

Mir ist ein solcher Stil fremd, und er ist auch ungewöhnlich. In so einer Situation ist es regelmäßig notwendig, zu verhandeln und die gegenseitigen Positionen abzugleichen. Ich kenne die Strategie der Kärntner nicht und weiß auch nicht, was sie damit beabsichtigen. Ich bin bei allen Konflikten dafür, zu reden und eine Lösung zu finden.

Hans Jörg Schelling will Kärnten finanziell nicht helfen. Der Finanzminister meint, die Kärntner werden im Minimum 70 Jahre die Schulden abzahlen müssen. Es gibt auch Stimmen, die Kärnten in die Insolvenz schicken wollen. Welche Lösung halten Sie für die beste?

Mit einer Insolvenz von Kärnten ist niemandem gedient. Das würde die Position Österreichs auf den internationalen Kapitalmärkten für die nächsten Jahre verschlechtern. Außerdem ist es gegenüber Kärnten nicht der richtige Weg. Bei der Hypo ist ja nicht nur vonseiten Kärntens viel schiefgelaufen, sondern auch vonseiten des Bundes. Deswegen muss man für Kärnten eine gemeinsame Lösung finden.

Der Kärntner Landtag hat in der Vorwoche beschlossen, prüfen zu lassen, ob die Haftungen überhaupt gültig sind. Sie haben den Fall genau geprüft. Hat Kärnten eine Chance?

Das ist offenbar ein taktisches Vorgehen. Die Hypo-Kommission hat keinen Grund gefunden, dass die Haftungen nicht wirksam sein sollten. Es gibt aber jetzt ein Gutachten, das die Kärntner Strategie unterstützt.

Der Finanzminister drohte den Gläubigern mit jahrelangen Prozessen, wenn sie das Rückkaufangebot ablehnen. Die Gläubiger wiederum meinen, sie werden schnell einen Exekutionstitel erhalten. Welches Szenario stimmt aus Ihrer Erfahrung?

Eine Einschätzung der Prozessdauer ist extrem schwierig, weil man nie weiß, welche Einwendungen kommen werden. Jahrelange Prozesse wären für beide Seiten nicht klug. Eines ist aber auch klar. Exekutionstitel gegen Kärnten zu erlangen, wird nicht viel bringen. Denn in Kärnten ist nicht mehr viel zu holen. Es geht um 11 Milliarden Anleiheforderungen. Die kann man in Kärnten sicher nicht durch Zwangsvollstreckung hereinbringen.

Kärnten bot für die Anleihen 75 Prozent des Nominalwertes. Schelling verbesserte das Angebot auf 82 Prozent. Waren Sie überrascht, dass die Gläubiger ablehnten?

Ich finde, insgesamt gesehen, vor allem mit der Nachbesserung Schellings, war es ein gutes Angebot. Natürlich werden die Gläubiger kalkulieren, dass der Bund einspringt. Aber es ist für mich äußerst fraglich, ob am Ende für die Gläubiger mehr rausschauen wird.

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Schelling hat in letzter Minute das Kärntner Angebot mit einer Bundesanleihe nachgebessert. Wäre die Umwandlung der Kärntner Anleihen in Bundesanleihen nicht von Anfang an attraktiver und somit erfolgversprechender gewesen?

Der eingeschlagene Weg war für mich nachvollziehbar. Mit einer Bundesanleihe hätte der Bund die gesamte Verbindlichkeit gehabt. So hat man eine Chance gesehen, dass die Gläubiger von ihren Forderungen etwas nachlassen, wenn das finanzschwache Kärnten das Angebot stellt.

Auf der einen Seite verzetteln sich die Kärntner in taktischen Schachzügen, auf der anderen Seite gehen sie davon aus, dass der Bund Kärnten helfen wird. Wird hier eine Vogel-Strauß-Politik betrieben?

Ich weiß nicht, wer Kärnten berät, aber hier wird offenbar gepokert. Vielleicht ist es aber auch eine Art von Realitätsverweigerung.