Pröll: "Mitterlehner wird wissen, was er tut"
KURIER: Herr Landeshauptmann, die Wahl des neuen ÖVP Chefs ist ohne Sie abgelaufen. Warum haben Sie Ihren Urlaub nicht unterbrochen?
Erwin Pröll: Jeder weiß, dass ich mich nicht schone. Ich habe meiner Frau und den Enkelkindern ein paar Tage Italien versprochen. Außerdem wäre es sich zeitlich nicht ausgegangen. Das war ja alles sehr überraschend. Ich war natürlich mit allen wesentlichen Entscheidungsträgern in Kontakt und habe dabei drei Handy-Akkus leer telefoniert.
Aber aus der ÖVP hat man gehört, Sie wollten die Entscheidung verschieben.
Das ist eine Fehlinterpretation. Es war richtig, schnell zu entscheiden. Und die Entscheidung für Mitterlehner lag ja auf der Hand.
Was kann Mitterlehner, was Spindelegger nicht konnte?
Jeder hat seinen eigenen Stil, aber beide haben sie Leidensfähigkeit und Ausdauer.
Man braucht als ÖVP-Obmann also Leidensfähigkeit?
Ja, aber die braucht der SPÖ-Chef auch. Am wichtigsten ist politische Erfahrung.
Hatten Sie von Spindelegger Hinweise, dass er geht?
Es gab schon zur Jahreswende eine schwierige Phase. Da ist es gelungen, ihn noch einmal zu stärken, aber die öffentliche Diskussion wurden für ihn immer schwieriger, psychisch und physisch. Es hat ihn sehr schwer getroffen, dass kurz nach dem Tod seines Vaters, die öffentlichen Diskussionen eskaliert sind.
Das klingt vornehm, es waren schwarze Landeshauptleute, die öffentlich Kritik übten.
Man kann das nicht auf die ÖVP-interne Diskussion einschränken. Führen heißt Zusammenführen, aber da hat auch der Kanzler nicht den richtigen Weg und die richtige Tonart gefunden, wenn ich etwa an die Steuerreform denke. Mit der Vermögenssteuer ging die SPÖ kurz nach der Regierungsbildung an die Grenze des Überforderns des Partners.
Wir zahlen jedes Jahr mehr Steuern und die ÖVP selbst sagt, dass unser Steuersystem leistungsfeindlich ist.
Ja, das steht außer Frage, aber damit muss man klug und vernünftig umgehen – also nicht den anderen überfordern und sachlich bleiben.
Aber auch Bundeskanzler Faymann ist in seiner Partei in der Steuerfrage unter Druck.
Ja, das spielt eine Rolle, aber da muss er eben Linie halten. In einem Staatsamt ist man auf die Republik verpflichtet und nicht auf ein Parteistatut. Es gibt Sehnsucht nach Autorität und politischer Orientierung, und genau das habe ich in der Steuerdebatte vermisst. Diese Diskussion ist auch für unsere Wirtschaft schlecht. Ein Unternehmer wird in dieser Diskussion drei Mal überlegen, ob er in den Standort Österreich investiert.
Aber wie kommen wir endlich zu einer Steuersenkung?
Ich hoffe, dass jetzt Klugheit einkehrt und die zuständige Fachkommission in Ruhe arbeitet. Da sollten beide Seiten einmal den öffentlichen Diskurs beenden. Wir brauchen Rechenbeispiele, wie eine Steuerreform aussehen könnte, ohne schon wieder über die Vermögenssteuer zu streiten.
Werner Faymann hat im November seinen Bundesparteitag. Die SPÖ drängt auf eine rasche Steuerreform noch heuer. Wie soll das zusammen gehen?
Aber können wir festhalten, dass der Staat eher zu viel Geld hat und auf allen Ebenen sparen müsste? Warum arbeiten die Bundesländer nicht besser zusammen?
Das tun Niederösterreich und Oberösterreich bereits. Es ist zu billig, zu sagen, der Föderalismus ist schuld.
Nein, aber in vielen Bereichen könnten die Länder besser zusammenarbeiten. Verwaltungsreformen wurde ja mehrfach versucht.
Ich bin überzeugt davon, dass in der föderalen Struktur auf der unteren Ebene wesentlich kostengünstiger gearbeitet wird. Der Autor Robert Menasse etwa kommt zum Schluss, dass sich die Nationalstaaten wesentlich mehr zurücknehmen sollten und mehr Aufgaben in die Regionen verlagern sollten.
Soll es also wieder einen Anlauf für eine Bundesstaatsreform geben?
Ja, sicher.
Beim Verhältnis Bund und Länder gab es zuletzt Reibereien bei der Suche nach Quartieren für Asylwerber. Das haben einige Bundesländer nicht auf die Reihe gebracht. Sind die Länder wirklich besser?
Wenn sich die Bundesländer in der Asylfrage abmelden würden, dann würde mir die Innenministerin noch mehr leidtun. Jetzt kann man schon darüber diskutieren, welche Bundesländer die Quote nicht erfüllen. Aber die Bundesländer zu kritisieren, die die Last des Asylwesens tragen, wäre kühn.
Sie haben den Bundeskanzler in diesem Zusammenhang kritisiert?
Als es darum gegangen ist, zusätzliche Plätze in Österreich zu finden, habe ich es als wirkliche Zumutung und Unkollegialität des Verteidigungsministers gegenüber der Innenministerin empfunden, zu sagen, wenn sie Kasernen braucht, dann soll sie sich welche kaufen. Der Bundeskanzler hat dem einfach tatenlos zugesehen. Das halte ich nicht für Leadership.
Wird Hans Jörg Schelling ein guter Finanzminister?
Wenn Parteichef Mitterlehner ihn für richtig hält, wird er wissen, was er tut.
Gilt Schelling, der einmal Stadtrat in St. Pölten war, als Niederösterreicher?
Er wohnt in St. Pölten und ist gebürtig in Vorarlberg. Ich würde sagen, er ist ein richtiger Österreicher.
Wir hören aus dem Westen Stimmen, die sagen, bisher hat sich bei Personalentscheidungen Erwin Pröll durchgesetzt, jetzt wollen wir uns auch einmal durchsetzen.
Es ist für jeden legitim, zu glauben, dass er sich durchsetzt. Das ist es auch schon. Jeder hat seine Aufgabe. Das billige ich auch jedem Landeshauptmann zu, dass er versucht, für sein Land am besten die Interessen zu vertreten.
Das Bundesheer ist nach der Volksbefragung nicht besser geworden, während sich die Sicherheitslage in Europa verschlechtert.
Der Verteidigungsminister hat nur halbherzig seine Interessen bei den Budgetverhandlungen vertreten. Will er so das Berufsheer herbeiführen? Ich würde das für sehr problematisch halten. Denn das widerspricht der Meinung der Bevölkerung mit gutem Grund.
Die Luftwaffe bleibt jetzt zum Teil am Boden.
Da muss er sich schon fragen, was kann er zulassen, und was nicht. Ich bin da emotionell, weil ich in bitteren Stunden gesehen habe, wie wichtig ein funktionierendes Bundesheer ist.
Bei dem Interview bekommt man den Eindruck, Landeshauptmann Erwin Pröll kritisiert die Regierung, aber er tut das sehr vorsichtig. Woher die milde Stimmung?
Sie haben mich um meine Einschätzung gefragt. Sie wissen, dass ich die Dinge so benenne, wie ich sie verspüre.
Gratiszeitungen haben schon den Präsidentschaftswahlkampf zwischen Ihnen und der neuen Nationalratspräsidentin Bures ausgerufen. Freut Sie das oder ärgert Sie das?
Das lässt mich kalt. Weil in der Politik darf man nicht dünnhäutig sein. Man muss als Politiker mit dem professionell umgehen, was man da täglich liest oder hört. Das tue ich auch in dieser Sache.
Und wenn der Ruf kommt, dann werden Sie das Fenster nicht zumachen?
Meine Lebensplanung ist eine vollkommen andere. In der Zeit, in der wir sind, habe ich ganz andere Sorgen.
Die Lebensplanung ist?
Eine andere.