Politik/Inland

Keine Insolvenz: Löwenanteil zahlt der Steuerzahler

Sinneswandel bei Ex-Finanzministerin Maria Fekter. Sie hat als Ressortchefin eine staatliche Abbaubank für die Hypo wegen der desaströsen Auswirkungen auf die Staatsverschuldung zwar stets abgelehnt. Aber: "Dass jetzt eine Entscheidung gefallen ist, ist gut so."

Und die sieht so aus: Wie von der Hypo-Task Force unter Notenbankchef Ewald Nowotny vorgeschlagen, wird die Hypo aufgespalten. Die (noch) guten Teile der Bank, das sind die Töchter auf dem Balkan, werden so rasch wie möglich verkauft. Eventuell kann man damit noch ein paar Hundert Millionen verdienen. Der überwiegend schlechte Teil der Bank, im Ausmaß von 18 Milliarden Euro, wandert in eine Abbaugesellschaft, eine Art Mülldeponie für die Altlasten der Bank.

In der gigantischen Summe sind all die faulen Kredite und Not leidenden Leasinggeschäfte enthalten, die die Hypo bei ihrer viel zu riskanten Expansion in Südosteuropa über die Jahre angesammelt hat. Sie sollen jetzt über zehn, zwanzig Jahre verwertet, also abverkauft werden. Man hofft hier, einen Verlust von nicht mehr als vier Milliarden Euro einzufahren.

Vereitelt hat Finanzminister Michael Spindelegger damit die von vielen Fachleuten – auch aus seinem engsten Umfeld – empfohlene Pleite der Bank. Sie hätte nach Darstellung der Taskforce Hypo rund zehn Milliarden Euro gekostet – und vor allem Kärnten, wegen der hohen Landeshaftungen, mit in die Pleite gerissen. Das Aufatmen in Kärnten ist nicht zu überhören.

"Die Kärntnerinnen und Kärntner sind ein Teil unserer Heimat Österreich. Landsleute lässt man nicht im Stich. Sie haben die Probleme der Hypo nicht verursacht. Und daher dürfen sie auch nicht dafür büßen", sagt Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ).

Schulden explodieren

Präsentiert wurde die Hypo-Entscheidung überraschend am Freitag von Finanzminister Michael Spindelegger, Notenbank-Chef Nowotny assistierte ihm.

Spindelegger ist sich bewusst, dass die 18 Milliarden der Hypo-Abbaugesellschaft voll auf den Schuldenstand der Republik Österreich durchschlagen. Die Schuldenquote steigt auf mehr als 80 Prozent. Auch das Budgetdefizit steigt heuer kräftig – um genau jene vier Milliarden, die an Verlusten in der Abbaugesellschaft erwartet werden. Nach den neuen Eurostat-Regeln muss diese Verlusterwartung schon heuer im Budget verbucht werden.

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Spindelegger ist sich auch bewusst, welchen besonderen Charme die Insolvenzlösung gehabt hätte: Man hätte die früheren Eigentümer in Bayern und die Hypo-Anleihegläubiger mitzahlen lassen können. Das Risiko einer unkontrollierbaren Pleite eines Bundeslandes war ihm aber zu groß, wie er vor Journalisten eingestand. Spindelegger: "Ich habe mich von der Taskforce beraten und überzeugen lassen."

Die Taskforce, das sind Spitzenvertreter aus Nationalbank, Finanzmarktaufsicht und Finanzministerium. Sie haben stets vor einer Insolvenz gewarnt – wegen Kärnten, wegen des Imageschadens für Österreich. Die Pleite-Befürworter haben mit den extrem hohen Kosten für die Steuerzahler argumentiert, eine Pleite Kärntens für beherrschbar und den Imageverlust für vernachlässigbar gehalten.

Spindelegger will sich aber noch nicht ganz geschlagen geben. Er fordert ringsherum Beiträge ein. Aber auch er weiß: Hier kommen maximal Millionen herein, die das Hypo-Kraut nicht fett machen. Spindelegger, ganz auf Rächer der Enterbten: "Ich kämpfe um jede Million."

Bayern Er will mit Bayern verhandeln. Hier geht es um die nötige Zustimmung der Bayern zur Abbaugesellschaft sowie um 2,3 Milliarden der Bayern, die noch in der Bank stecken. München lehnt Verhandlungen mit Wien jedoch ab, das Geld dürfte also großteils verloren sein.

Kärnten Spindelegger will auch den Kärntner "Zukunftsfonds" ausräumen. Diese 500 Millionen wurden allerdings mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Kärntner Landtag abgesichert.Anleihegläubiger Zu guter Letzt soll auch ein kleiner Teil der Gläubiger Geld nachlassen müssen, aber nicht jene stets genannten 12,5 Milliarden Euro mit Landeshaftungen.

Den Oppositionellen ist das alles viel zu wenig. Sie sprechen mehr oder weniger geschlossen von der teuersten Lösung für die Steuerzahler. Am Dienstag gibt es eine Sondersitzung im Nationalrat. Die Rufe nach einem U-Ausschuss werden jetzt noch lauter werden.

Die Entscheidung, die ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger am Freitag für das Milliardengrab in Kärnten verkündet hat, hat mehr den Charakter eines frommen Wunsches als den einer endgültigen Lösung. In den nächsten Wochen und Monaten muss Spindelegger rund um die Hypo einen Mehrfronten-Kampf führen, der aus heutiger Sicht kaum zu gewinnen ist.

Das massivste Problem hat Spindelegger mit dem Budget 2014/’15. Zwar bleibt noch ein wenig Zeit um die fehlenden vier Milliarden für die Hypo ohne ein sofortiges Sparpaket zu finden. Die Budgetrede ist am 29. April. Doch der einzige Experte, der diese Frage rasch hätte lösen können, Budgetsektionschef Gerhard Steger, ist gerade Richtung Rechnungshof entfleucht.

Das zweite Riesenproblem hat Spindelegger mit Bayern. Er braucht die Zustimmung Münchens zur Hypo-Abbaugesellschaft. Bayern will dafür die 2,3 Milliarden Euro, die noch als Darlehen in der früheren Tochterbank in Kärnten stecken. Während Spindelegger von einem Generalvergleich mit Bayern spricht, hat München ausrichten lassen, nicht einmal mit ihm verhandeln zu wollen. Bayern schaltet auf stur, man will überhaupt nur auf Ebene der Bank mit Österreich reden.

Dagegen verblassen die Probleme, die Spindelegger mit dem Volkszorn und mit der Opposition hat, schon fast. Dennoch: Die vielen Milliarden, die jetzt zum Schuldenstand und zum Defizit dazu kommen, werden die Rufe nach einem U-Ausschuss im Parlament nicht mehr verstummen lassen. Mit einem Weisenrat lässt sich diese Front sicher nicht befrieden.

Die nun in Wien fixierte Hypo-Lösung sorgt für Entspannung in der Kärntner Landesregierung – und zwar quer durch alle Fraktionen.

Selbst der grüne Landesrat und -parteichef Rolf Holub hat sich bei diesem Thema gegen seine Bundespartei und die von ihr ventilierte Forderung nach einer Insolvenz gestellt. "Mir geht es primär um das Wohl Kärntens", sagte er zum KURIER.

Dass Finanzminister Michael Spindelegger als "Gegenleistung" den Zukunftsfonds, in dem aus dem Verkauf an die Bayern 500 Millionen Euro geparkt sind, haben will, sieht Holub als "Geiselhaft". Angesichts einer Schuldenlast von 5 Milliarden Euro habe das Land keinen Spielraum. "Kärnten muss überleben können." Daher solle man gemeinsam Lösungen finden.

So sieht es auch Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Er verstehe zwar, dass der Vizekanzler flankierende Maßnahmen wolle. Der Zukunftsfonds aber sei durch die Haftung für die privatisierte Hypo Österreich reserviert. "Wir werden sicher nicht denselben Fehler machen wie die Vorgänger ", sagt Kaiser. "Aber wir wollen das Beste tun, um einen Beitrag zu leisten."

Kein striktes Nein zum Zugriff auf den Zukunftsfonds gibt es von VP-Landesrat Wolfgang Wagner. Doch er gibt zu bedenken, dass der Zukunftsfonds zweifach abgesichert sei: Erstens als Reserve für die zitierte Landeshaftung, zweitens durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Dass sie nicht bereit seien, für die Aufhebung zu stimmen, ließen FPÖ und Team Stronach bereits wissen. "Spindeleggers Aussage, das über ein Gesetz zu erreichen, ist Mumpitz", sagte FP-Klubobmann Christian Leyroutz zum KURIER. "Der Bund kann nicht über Landesvermögen bestimmen."

"Die Strategie des Finanzministers ist der richtige Ansatz." So qualifiziert der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Karl Aiginger, die von Michael Spindelegger gewählte Lösung einer Abbaugesellschaft für die Hypo Alpe-Adria. Warum? "Sie gibt dem Finanzplatz hohe Priorität. Und die Verstaatlichung der Töchter am Balkan wird vermieden."

Indem auch Anleihegläubiger, Bayern und Kärntner ihren Beitrag leisten müssten – wenn auch einen geringen –, werde versucht, "den Beitrag der Steuerzahler in Grenzen zu halten", sagt Aiginger zum KURIER. Zum Vorhalt der Opposition, die Bürger trügen die gesamte Last, die Gläubiger (Banken, Versicherungen) blieben verschont, sagt der Wirtschaftsexperte: "Nur wenn die Strategie misslingt, ist das so. Es hängt auch davon ab, wie die Verhandlungen mit den Bayern laufen, womit man drohen kann. Leicht ist das nicht. Ich wünsche dem Finanzminister Stärke, gute Berater und Glück."

Hat die Regierung nicht mehr die Rettung anderer Geldinstitute und weniger die Steuerzahler im Auge, wie manche vermuten? Weil damit den übrigen Banken erspart bleibt, mitzuzahlen, wie sie das bei einer Hypo-Pleite müssten? Dass das also im Endeffekt eine "Raiffeisen-Lösung" ist, wie es schon bei der Notverstaatlichung der Hypo im Jahr 2009 geheißen hat? "Das sehe ich nicht so", antwortet Aiginger. Es gibt ja auch die Möglichkeit, sie um einen Beitrag zu bitten." So könnte Raiffeisen die Staatshilfe, die sie während der Finanzkrise bekommen hat, samt Zinsen früher zurückzahlen, als sie müsste. "Auch da kommt viel auf das Verhandlungsgeschick an."

Hätten die Regierenden die Hypo in die Pleite geschickt, wären indirekt – über den Hypo-Haftungsverbund – auch die anderen Landes-Hypothekenbanken schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Auch das ist ein Argument in der verschwörungstheoretisch geführten Debatte über Spindeleggers "wahre" Argumenten gegen die Hypo-Insolvenz.

In dieser Frage geht es nicht um die Anleihen (hier haftet das Land Kärnten), sondern um die Hypo-Pfandbriefe. Im Pleitefall hätten hier vom Hypo-Haftungsverbund 1,2 Milliarden Euro aufgefangen werden müssen. Das wäre war schmerzhaft, aber kaum existenzgefährdend für acht andere Landesbanken geworden.

Mai 2013 Im Vorjahr wurde die Hypo-Taskforce eingesetzt. Die Experten unter Ex-Notenbankchef Klaus Liebscher arbeiteten parallel zum "Projekt Lux" der Bank. Beide haben eine Hypo-Bad-Bank zum Ziel.

Dezember 2013 Nach Wahlkampf und Regierungsbildung wird das Oliver-Wyman-Gutachten bekannt, das sich für die Insolvenz der Hypo als günstigste Lösung für die Steuerzahler ausspricht. Gleichzeitig braucht die Bank eine weitere Milliarde von den Steuerzahlern.

Taskforce Im Jänner/Februar ist wieder die Taskforce am Zug. Sie zerpflückt das Wyman-Papier – und versucht eine Bankenbeteiligung an der Hypo-Anstaltslösung zu bewerkstelligen; was nicht gelingt. Die Taskforce favorisiert danach die Hypo-"Abbaugesellschaft", eine Spezialvariante der Anstaltslösung (keine umfassende Staatshaftung).

11./12. März Dienstag/Mittwoch dieser Woche wird ein neues Gutachten der deutschen Unternehmensberatung "zeb" bekannt, in dem wieder die Pleite der Hypo als beste Lösung genannt wird. "zeb" wurde von Finanzminister Spindelegger beauftragt, die Meinung der Taskforce zu hinterfragen.

13. März Obwohl die Taskforce, mittlerweile unter Notenbank-Chef Ewald Nowotny, ihren Endbericht schon abgegeben hat (7. März), muss sie das "zeb"-Gutachten begutachten. Es wird in der Luft zerrissen.

Lostag 14. März Von Donnerstag auf Freitag entscheidet sich Spindelegger für die Lösung der Taskforce, also die Abbaugesellschaft. Bis dahin wollte er bis Ende März entscheiden.

Quasi in letzter Sekunde taucht ein Expertenpapier von Spitzenbeamten aus Spindeleggers Umfeld auf, in dem die Taskforce-Annahmen und -Empfehlungen schwer in Zweifel gezogen werden. "Unberücksichtigt" sei die erneute Nachschusspflicht von einer Milliarde, die Stellungnahme der Taskforce baue auf "evident unrichtigen Zahlen" auf, die Abbaugesellschaft könne nicht sofort, sondern nur nach Eintritt "komplexer Bedingungen" umgesetzt werden etc. Dennoch entscheidet sich Spindelegger gegen die Insolvenz. Eine Hypo-Pleite hätte unkontrollierbare Risken vor allem für Kärnten bedeutet.

Spindelegger stellt sich auf seiner Facebook-Seite als Retter der Steuerzahler dar: "Michael Spindelegger hat Verantwortung bewiesen, eine rasche aber genau geprüfte Entscheidung geliefert und nun Klarheit für den Steuerzahler geschaffen: Kärnten wird seinen Beitrag zu leisten haben" schreibt er in einem Posting über sich selbst. "Hut ab, das ist Leadership", sagte NÖ-Landeschef Pröll zu der Entscheidung Spindeleggers. Der Finanzminister habe sich für eine Variante entschieden, bei der zumindest ein Teil der Kosten von den Verursachern getragen werde.

Gänzlich anders bewertet die Opposition die Anstaltslösung: Sie sei vielleicht eine gute Lösung für ihn selbst, wenn er nach der EU-Wahl als ÖVP-Chef zurücktrete, aber sicher die schlechteste Lösung für den Steuerzahler, meinte etwa FPÖ-Chef HC Strache (mehr Reaktionen gibt es hier).

Lauter Aufschrei in der Twitter-Gemeinde