Verstaatlichung der Hypo war nicht alternativlos
Solch klare Worte hat wohl kaum jemand erwartet: Die von der Regierung eingesetzte Hypo-Kommission unter der Leitung der früheren OGH-Präsidentin Irmgard Griss legte am Dienstag ihren Bericht zum Milliarden-Desaster vor. Und die Bilanz ist vernichtend: "Die Vorkommnisse rund um die Hypo sind von Fehlentwicklungen und Fehlleistungen gekennzeichnet."
Ein Total-Versagen sei auf auf allen Ebenen festzustellen. So war die Verstaatlichung der Krisenbank im Jahr 2009 keine Notverstaatlichung, da sie "keineswegs alternativlos" gewesen sei: Die Verantwortlichen des Bundes hätten die Entscheidung ohne ausreichende Informationsgrundlage getroffen. Sie sollen weder die Tatsachen angemessen aufbereitet noch die rechtlichen Rahmenbedingungen ausreichend geprüft haben. "Damit konnten die österreichischen Verhandler keine Alternativszenarien entwickeln, die ein Gegengewicht zur Strategie der BayernLB und des Freistaats Bayern hätten bilden können. Der Gegenseite war es dadurch möglich, Gang und Ergebnis der Verhandlungen maßgeblich zu bestimmen", so das Urteil der Experten.
Fehlende Strategie
In der Zeit nach der Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria hätte zudem eine Strategie gefehlt. Die Entscheidung über eine "Bad Bank" sei aus sachfremden Motiven hinausgeschoben, die Aufarbeitung der Vergangenheit zum Selbstzweck geworden. Das Hinausziehen einer Lösung könnte laut Griss dazu geführt haben, dass die Kosten für die österreichische Bevölkerung noch höher wurden.
Der Bericht hält zudem fest, dass die Abschlussprüfer zwar regelmäßig schwere Mängel feststellten, daraus aber nicht die erforderlichen Konsequenzen zogen. Es sei außerdem atypisch, dass das Land Kärnten die Haftung für eine Bank übernommen habe, die trotz Risiken gewaltig expandiert hat. Kärntens Beitrag an der Hypo-Rettung wird als "unverhältnismäßig gering" kritisiert.
"Dem Bund kann nicht zugebilligt werden, dass er seine Entscheidungen als Alleineigentümer der HBInt zum Wohle der Bank und der Allgemeinheit getroffen hat."
Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass "dem Bund nicht zugebilligt werden kann, dass er seine Entscheidungen als Alleineigentümer der HBInt zum Wohle der Bank und der Allgemeinheit getroffen hat". Griss ist allerdings überzeugt, dass niemand sehenden Auges der Bank oder dem Staat Schaden zufügen habe wollen.
Gefragt nach Konsequenzen für die politischen Akteure, stellte sie klar, dass der Bericht zwar den Sachverhalt darstellen würde, man sich aber nicht zu Folgen äußern wolle. Aber sie betonte: "Die Causa ist keinesfalls eine Erfolgsgeschichte." Die Regierungsspitze hat sich bereits geäußert, wenn auch nur zurückhaltend (siehe Reaktionen unten). Ein ausführliches Statement des Finanzministers soll noch folgen.
Expertengruppe
Die ehemalige OGH-Präsidentin hat mit vier Finanz- und Rechtsexperten im Regierungsauftrag die Notverstaatlichung der Krisenbank und die Umstände, die dazu geführt haben, geprüft. Untersucht wurden die Haftungen des Landes Kärnten, der Kauf der Hypo durch die Bayern, die Notverstaatlichung und die späteren Folgen. Die Kommission hatte einschlägige Dokumente und Akten zur Verfügung, außerdem befragte sie die ehemaligen Finanzminister Maria Fekter und Josef Pröll.
Kritik
Im Vorfeld wurde Kritik laut: Die Opposition war skeptisch, weil die Kommission vom damaligen Finanzminister Michael Spindelegger selbst eingesetzt worden war. Außerdem befürchtete man, dass Amts- und Bankgeheimnis die Untersuchung unmöglich machen würden. Trotz dieser Erschwernisse habe man aber ordentlich arbeiten können, betont Kommissionsvorsitzende Griss am Dienstag.
Die Regierungsspitze hat sich in einer ersten Reaktion auf den Untersuchungskommissions-Bericht zur Hypo zurückhaltend gezeigt. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte nach dem Ministerrat am Dienstag, die Regierung habe den Bericht eben erhalten und müsse ihn erst lesen. Er verwies aber darauf, dass er immer sehr für die Einsetzung der Kommission plädiert habe, denn die Aufarbeitung sei wichtig.
Die Schuldfrage des Hypo-Desasters ist für den Kanzler auch unabhängig vom Bericht klar: "Ohne den FPÖ-Handlungen hätte es dieses Hypo-Problem nicht gegeben", sagte er. Die Frage, wie die Aufarbeitung erfolgt ist und was man besser machen hätte können, "das soll man ohne politische Gehässigkeit aufarbeiten" - und dafür diene die Kommission unter Vorsitz der ehemaligen Höchstrichterin Irmgard Griss.
Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wollte inhaltlich noch keine Stellung abgeben: "Der Bericht ist uns den Moment übergeben worden", man habe noch keine Gelegenheit gehabt, ihn zu lesen, sagte er im Pressefoyer. Man werde das nun analysieren - "und der Finanzminister" (Hans Jörg Schelling, Anm.) werde Stellung nehmen. "Selbstverständlich sind die Konsequenzen aus diesem Bericht zu ziehen", sagte Mitterlehner - und man müsse auch die Lehren für die weitere Zukunft daraus zu ziehen.
Opposition will Aufarbeitung
"Nach der Griss-Kommission ist vor dem Hypo-Untersuchungsausschuss." Das sagte der Grüne Finanzsprecher Werner Kogler zur APA in Reaktion auf den Bericht der Hypo-Untersuchungskommission, die Irmgard Griss leitete. Die Aussage Koglers kann man zusammengefasst auch auf FPÖ, Team Stronach und NEOS münzen, die via Aussendung am Dienstag ähnlich reagierten. Es gehe nun um die politische Aufarbeitung.
Kogler sprach davon, dass er "beeindruckt von der Klarheit und der Stringenz des Griss-Berichts" sei. Auch überrasche ihn nicht, dass Griss gesagt habe, die Durchforstung von Akten habe - im Gegensatz zu Gesprächen mit Geladenen - besonders viel zum Bericht beigetragen. Die "Hypothesenbildung" wie sie "Grüne aber auch NEOS" mit Blick auf den kommenden Hypo-U-Ausschuss tätigten sei durch den Kommissionsbericht "massiv gestärkt" worden, so Kogler. Hierbei gehe es unter anderen Punkten ums "versagen vieler staatlicher Organe insbesondere der Notenbank und der Finanzmarktaufsicht", aber auch um die Landeshaftungen, die "nicht werthaltig gewesen sind und daher kein Erpressungspotenzial seitens Bayern im 'Rahmen der Notverstaatlichung ohne Not" hätten sein können.
Im Hypo-Skandal hat sich aus Sicht von Irmgard Griss, die die Causa als Chefin der Hypo-U-Kommission untersuchte, vor allem eine Sache gezeigt: "Dass die Politik sich oft davon leiten lässt, wie kann ich etwas in der Öffentlichkeit präsentieren und weniger, was ist in der Sache notwendig." Es regiere hauptsächlich die Politiker-Sorge, wie man selbst dastehe. Die Macht von PR-Beratern sei riesig.
Dies gelte für die Politik "ganz allgemein", so Griss, wie auch deren "starke Abhängigkeit von Medien". "Man stellt sehr stark darauf ab, was wird darüber geschrieben werden und wie stehe ich in der Öffentlichkeit da - weniger was müssen wir hier tun", kritisierte die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs. Das sei auch ihr Eindruck aus den Gesprächen mit (ehemaligen) Politikern im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Hypo-Untersuchungskommission.
Da ihre Darstellung auch für andere Bereiche gelte, habe sie, Griss, die Hoffnung, dass sich durch den Untersuchungsbericht der Kommission vor allem in diesem Bereich eine "positive Wirkung" ergibt - zumindest "wäre das das Wünschenswerte, dass man sich auf die Sache konzentriert", sagte die Juristin.
Carl Baudenbacher
Der Schweizer Professor und Doppeldoktor begann seine wissenschaftliche Karriere in den 1980er-Jahren in Deutschland, 1987 bekam er einen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Arbeits- und Wirtschaftsrecht in Kaiserslautern, danach wechselte er an die Uni St. Gallen. Mitte der 1990er-Jahre wurde er Richter, zuerst am OGH in Liechtenstein, danach am EFTA-Gerichtshof, den er ab 2003 als Präsident leitete. Baudenbacher gilt u. a. als Experte für Vertrags- und Gesellschaftsrecht.
Manuel Ammann
Der Schweizer ist 1970 geboren und damit das jüngste der fünf Mitglieder der Kommission. Ammann studierte in Kanada und der Stern School of Business in New York, seit 1999 lehrt er wie sein Landsmann Baudenbacher in Sankt Gallen. Nach Gastauftritten in Berkeley und Ulm ist Amann seit 2011 stellvertretender Dekan der School of Finance in St. Gallen. Der Professor ist Mitglied einer Expertengruppe des Schweizer Bundesrates, zudem publiziert er regelmäßig zu Finanzthemen.
Claus-Peter Weber
Der 75-Jährige startete seine Karriere 1967 in der deutschen Filiale von Arthur Anderson, einer der damals größten Wirtschaftsberatungs- Unternehmen der Welt. Dort war er für die Prüfung großer Versicherungen verantwortlich und als Berater und Gutachter bei Finanzdienstleistern tätig. Der Vater von zwei Kindern blickt auf 40 Jahre Erfahrung als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zurück und gilt als Experte für Rechnungslegung und Bilanzierung.
Ernst-Wilhelm Contzen
Der gebürtige Kölner, Jahrgang 1948, studierte in Düsseldorf "Jura" und trat danach in die Dienste der Deutschen Bank ein. Er leitete fünf Jahre lang die Banktochter in Belgien und wurde 1998 CEO in Luxemburg. Mittlerweile ist er auch Staatsbürger Luxemburgs, dort übernahm er zahlreiche weitere Tätigkeiten, unter anderem in einem Thinktank unter Führung des Finanzministers und als Präsident des Verwaltungsrates der Luxemburger Vereinigung für Finanzindustrie.