Politik/Inland

Jung-Achse gegen alten Polit-Stil

Morgen ist Schluss mit verbalem Schlagabtausch zwischen den Parteien. Zumindest dort, wo Gesetze gemacht werden. Nach dreitägiger Nationalratstagung beginnt die parlamentarische Sommerpause. Beantragt nicht eine Fraktion eine Sondersitzung, wird bis Herbst im Hohen Haus am Wiener Ring nicht debattiert.

In das sind nach der Wahl 2013 wieder etliche Mandatsfrischlinge eingezogen, auch einige Junge. Etwa Katharina Kucharowits (30) von der SPÖ, Julian Schmid (24) von den Grünen oder Asdin El Habbassi (27) von der ÖVP. Der KURIER hat die drei um Bilanz gebeten: Wie ist es ihnen bisher ergangen? Läuft es so, wie sie es sich vorgestellt haben? Was behagt, was stört?

Neuland war das Hohe Haus für Katharina Kucharowits nicht. Von 2006 bis 2012 arbeitete sie für einen SPÖ-Abgeordneten. "Dadurch hatte ich Startvorteil gegenüber anderen, die erstmals in den Nationalrat eingezogen sind – etwa was das Verlaufen in den vielen Gängen anlangt."

Nun, als Mandatarin, missfallen der gebürtigen Niederösterreicherin Auftritte mancher Kollegen am Rednerpult: "Das sind peinliche Inszenierungen zur Selbstprofilierung." Bei Ausschusssitzungen sei das anders: "Da haben sie diese Plattform nicht, weil keine Kameras dabei sind." Nicht nur Inszenierung, auch der Ton stört Kucharowits: "Einige können nicht sachlich bleiben. Sie wollen andere nieder- und lächerlich machen." Das eine oder andere laute Wort sei legitim, in einer emotionalen Debatte auch verständlich: "Es geht immer darum, ob das über der Gürtellinie bleibt – oder darunter ist. Mit so einem Stil ruinieren wir uns selbst."

Wie geht es Kucharowits mit dem Klubzwang, der Abweichlertum nicht zulässt? "Bis jetzt war ich in keiner Situation, die mich in ein Dilemma gebracht hat. Sollte ich in einen Gewissenskonflikt kommen, müsste ich mit dem Klubobmann reden. Dass ich bei manchen Entscheidungen Bauchweh habe, steht aber außer Frage."

Zur 8000-€-Brutto-Monatsgage sagt die Kinder- und Jugendsprecherin: "Ich hätte nie gedacht, mit 30 so viel zu verdienen. Ich weiß, wie es der gleichaltrigen ,Generation Praktikum‘ geht. Die erhalten praktisch nichts."

"Riesigen Respekt" hat Julian Schmid vor der Institution, in der er seit Herbst 2013 werkt. Ein ÖVP-Mandatar hatte diesen Eindruck wohl nicht. Erwin Rasinger mokierte sich via KURIER über des Grünen Outfit ("Er sitzt mit Trainingsanzug und Turnschuhen im Plenum. Ich habe gedacht, das sei ein fehlgeleiteter Parlamentsmitarbeiter"). Und so war Schmid flugs Menschen abseits der Polit-Zirkel bekannt. Schon bei der Angelobung als Abgeordneter hatte ein Neos-Mann gefeixt: "Jetzt kaufen wir einen Anzug für dich!"

Schmid dachte nicht daran. "Wenn es um Stil geht, sollten wir über den in der Politik reden." Auch im Hohen Haus hapere es da: "In Schulklassen und an der Uni gibt es oft bessere Diskussionskultur als hier. Nie wird einem anderen zugestanden, recht zu haben – weil es das Eingeständnis wäre, selbst falschzuliegen." Er wolle das anders machen. Mit Jung-Mandataren aus den übrigen Parteien trifft sich Schmid regelmäßig informell: "Wir wollen Keimzelle für neuen Parlamentarismus sein. Harte Sachdebatten, aber menschlich."

Eines hat der Kärntner schon geschafft: einen Altersrekord. Er ist der jüngste männliche Abgeordnete in der Geschichte des Hohen Hauses (zuvor durfte das ÖVP-Karas von sich sagen). Mit 24 Jahren 8000 € brutto im Monat zu lukrieren, sei "ein großer Sprung. Ich lege fast alles, was netto bleibt, auf ein Ausbildungskonto, schaffe mir einen Finanzpolster. Das Schlimmste wäre, von der Politik abhängig zu sein." Nach Ende der Legislaturperiode sei er 29: "Da steht mir noch alles offen."

Mit einem "schönen, erhabenen Gefühl" gehe er "in dieses geschichtsträchtige Gebäude", sagt ÖVP-Mandatar Asdin El Habbassi. "Gemischte Gefühle" habe er drinnen: "Man trägt große Verantwortung, wenn man an der Gesetzgebung mitwirkt." Gewöhnungsbedürftig sei das "Tempo": "Ich bin ein Freund schneller, nachvollziehbarer, logischer Entscheidungen. Hier dauert das mitunter sehr lang." Anderes gehe zu rasch: "Es gibt während einer Sitzung kurzfristig Anträge, die nicht im Detail besprochen worden sind."

Mit dem Klubzwang tue er sich nicht schwer, sagt der 27-Jährige ("Da bin ich pragmatisch, eine Mehrheitsmeinung trage ich mit, wenn sie nicht wider mein Gewissen ist"). Etwas anderes behagt dem Salzburger nicht: Die Vereinbarung zwischen SPÖ und ÖVP, einander im Parlament nicht zu überstimmen. "Diese Regierungsklausel sollte weg. Die ist ein wirkliches Problem." Als sich Rot und Schwarz, auf Betreiben von SP-Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek festgelegt haben, den PISA-Test zu verschieben, hätte er gerne dagegen gestimmt: "Das ging nicht, weil ich damit die Regierung in Gefahr gebracht hätte."

Unzufrieden ist El Habbassi auch mit Debattenbeiträgen: "Im britischen und deutschen Parlament sind diese auf hohem Niveau. Bei uns werden Reden oft vom Blatt gelesen, es wird nicht auf die Argumente der anderen eingegangen. In Sachen Rede und Gegenrede ist bei uns noch Luft nach oben."