Politik/Inland

Nach der Show wird es wirklich ernst

Rund zehn Prozent der Österreicher, die am Sonntag laut letzten Umfragen wählen gehen werden, sind sich noch nicht ganz sicher, bei wem sie das Kreuzerl machen sollen. In etwa 500.000 Stimmen sind noch zu haben, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer.

Für diese Unentschlossenen kann die heutige "Elefantenrunde" im ORF ab 20.15 Uhr eine wichtige Entscheidungshilfe sein, weiß der Meinungsforscher. Letzte Verschiebungen bei den Spitzenreitern sind denkbar. Die ca. 100 minütige TV-Debatte habe einen "gewissen", nicht näher bezifferbaren Einfluss auf das Wahlverhalten.

Nach Bachmayers Analyse hat sich in den showlastigen Wahlkampfwochen ein klares Favoriten-Trio aus Alexander Van der Bellen (Grüne), Irmgard Griss (unabhängig) und Norbert Hofer (FPÖ) herauskristallisiert. Gleichzeitig haben die beiden Regierungskandidaten, Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP), tendenziell Unterstützer verloren, je länger der Wahlkampf dauerte. Kommentatoren sehen eine Denkzettel-Wahl für Rot-Schwarz.

Hofer: Chance auf Nr.1

Die letzte OGM-Umfrage für den KURIER (Montagsausgabe) hatte Van der Bellen (25 Prozent) vor Hofer (24), Griss (22) Hundstorfer (15), Khol (elf) und Lugner bei drei Prozent. Doch bereits vor der letzten großen TV-Debatte dürfte es noch zu Verschiebungen bei der Dreier-Spitze gekommen sein. Mittlerweile kann Bachmayer "nicht mehr ausschließen", dass Hofer sogar als Sieger aus der Wahl am Sonntag hervorgeht. Weil aber höchstwahrscheinlich kein Kandidat die absolute Mehrheit schafft, wird es eine Stichwahl am 22. Mai geben. Das bedeutet einen zusätzlichen Monat Wahlkampf – dann aber nur noch zwischen zwei Kandidaten.

Die momentan wahrscheinlichste Variante heißt Alexander Van der Bellen gegen Norbert Hofer, aber auch Norbert Hofer gegen Irmgard Griss ist denkbar. Weniger wahrscheinlich ist mittlerweile ein Zweikampf zwischen Van der Bellen und Griss.

"Taktisches Wählen" – um einen dieser drei Kandidaten zu forcieren oder einen anderen zu verhindern – koste Hundstorfer und Khol Stimmen, sagt Bachmayer. Falle die "erwartbare Niederlage" der Regierungskandidaten besonders drastisch aus, seien heftige Schuldzuweisungen bis hin zu Obmann-Debatten in SPÖ und ÖVP nicht auszuschließen.

Nur Griss schlägt Hofer

Für die Stichwahl gilt folgende Überlegung: Griss gegen Hofer geht laut Bachmayer für die frühere Höchstrichterin aus. Denn hinter der Unabhängigen würde sich "eine breite Allianz aller Nicht-Blauen" bilden. Sehr knapp werden dürfte jedoch der Zweikampf Van der Bellen gegen Hofer. Die Flüchtlingsfrage spiele eher Hofer in die Hände. Außerdem könnten ihm Stimmen aus dem In- und Ausland nutzen, die vor dem ersten FPÖ-Bundespräsident in Österreich warnen. Bachmayer: "Die Gutmeinenden, die Hofer verhindern wollen, geben ihm fast schon Wahlhilfe."

Es ist der TV-Höhepunkt des Wahlkampffinales. Heute Abend sitzen die sechs Kandidaten im ORF-Studio an einem Tisch. Ein hartes Match – vor allem um jene, die noch zwischen Protagonisten schwanken. Wie bereiten sich Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP), Norbert Hofer (FPÖ), der Grüne Alexander Van der Bellen, Ex-Richterin Irmgard Griss und Baumeister Richard Lugner darauf vor?
Eines haben sie gemein: In den Stunden vor der fordernden Konfrontation wird die Werbemaschinerie zurückgefahren. Hundstorfer wird nur im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital um Wähler buhlen. Dann bespricht er mit seiner Truppe die Strategie für den Fernseh-Auftritt. „Das Hirn ausgelüftet“ wird hernach. Bei einem Kaffeeplausch mit Freunden, die er seit Langem nicht mehr getroffen hat.

Mountainbike & Ruhe

Auch Khol, der gestern in der Steiermark für sich warb, schaltet einen Wahlkampf-Gang zurück. Den Nachmittag wird der passionierte Rosenzüchter im Garten verbringen, beim Jäten – „weil er sich dabei am Besten konzentrieren und formulieren kann“.
Der Burgenländer Hofer absolviert am Vormittag noch ein mediales Heimspiel. Von Pinkafeld aus beantwortet er Hörerfragen auf ORF-Radio Steiermark. Es folgt Entspannungsprogramm: Trotz seines Handicaps – er ist inkomplett querschnittgelähmt – wird Hofer mountainbiken. Für die TV-Diskussion werde er sich weder verbal noch inhaltlich rüsten, beteuert sein Sprecher: „Das wurde doch schon alles 100 Mal durchgekaut.“
Das kann Van der Bellen zwar auch sagen – dennoch beredet er mit seinen Vertrauten die Taktik für das TV.
Neuland sind solche Verbal-Wettkämpfe für ihn nicht. Er saß als Grünen-Spitzenkandidat mehrmals mit der Polit-Konkurrenz in der ORF-Arena. Was er vor solchen Events braucht, ist Ruhe; die einzigen Leute, die er um sich haben will, sind ein paar aus seiner Crew. Ihr Job: „Schmäh führen. Das nimmt Druck weg“, erzählt sein Wahlkampfleiter.
Griss hält sich nicht nur schmähmäßig zurück, das tut sie auch mit Auskünften, wie sie den Tag vor dem Auftritt auf der TV-Bühne zubringt: Gänzlich wahlkampffrei.
Richard Lugner preist sich noch zu mittag auf dem Wiener Viktor-Adler-Markt als würdiger Nachfolger Heinz Fischers an. Coaching fürs TV? „Ich bespreche mich mit meinen Wahlkampf-Leuten. Ich muss mich als Einziger, der bei den Zweier-Runden nicht dabei sein durfte, heute Abend ja bemerkbar machen. Ich habe ein paar Ideen, weiß aber nicht, ob das umsetzbar ist.“

Familie im Publikum

Nicht nur er, auch die übrigen Präsidentschaftsanwärter dürfen je 15 Sympathisanten mitbringen, die während der „Elefantenrunde“ im Publikum sitzen. Familiär werden einige der Kontrahenten ebenfalls unterstützt: Hundstorfer hat seine Frau, Sohn, Tochter und Schwiegersohn dabei; Khol kommt mit Gattin und zweien der sechs Kinder, Griss mit Sohn, Lugner mit Gemahlin Cathy.
Mit ihren Wahlkampf-Mobilen lassen sich die Kandidaten ins TV-Studio bringen – mit Ausnahme von Griss. Sie fährt – wie zu den ORF-Duellen – mit dem Bus. Ein bewusstes Statement: Auch bei der Wahl des Verkehrsmittels will sie anders als die anderen sein.