Politik/Inland

Hofburg-Wahl: Die zehn wichtigsten Lehren

Unabhängig davon, wer morgen, Sonntag, den ersten Wahlgang zur Hofburg-Wahl gewinnt, gibt es einige neue Schlüsse, die man aus dem Wahlkampf ableiten kann:

1. Die Österreicher interessieren sich für Politik

Die Politik ist in einer Krise, das Interesse im Keller? Mitnichten. Allein die Elefantenrunde im ORF wurde im Schnitt von 1,036 Millionen Zusehern verfolgt. Marktanteil: 39 Prozent – vier von zehn Österreichern schauten an diesem Abend Politik. Dass der Tag kein Ausreißer war, belegen die Quoten vieler anderer Sendungen: "Die 2 im Gespräch" und die "Wahlfahrt" sahen 871.000 bzw. bis zu eine halben Million Zuschauer; und die Privat-Sender Puls4 und ATV konnten mit Formaten wie "Eignungstest" oder "Klartext" bis zu 140.000 bzw. 126.000 Zuseher verbuchen.

2. Eine Wahlkampagne braucht keinen Partei-Apparat, um zu laufen

Als Irmgard Griss im November erklärt hat, sie wolle zwar kandidieren, werde aber nicht genug Geld haben, um Plakatwände zu schmücken, da kokettierte sie nicht. Sie sagte bloß, was Analysten und PR-Experten damals auch meinten: Ohne Apparat kein Budget, ohne Budget keine Kampagne. Fünf Monate später ist klar: In der aktuellen Stimmungslage ist es mit einem kleinen Team selbst für einzelne Personen möglich, binnen Monaten 881.450,86 € (22.April) an privaten Spenden aufzustellen und eine professionelle Kampagne aufzustellen.

3. Ein Wahlkampf hat eigene Gesetze

Der Hofburg-Wahlkampf 2016 war nicht nur der mit den meisten Kandidaten, er hat zudem ein eherne Regel bestätigt: Wahlkämpfe entwickeln oft eine eigene Dynamik. Wer hätte gedacht, dass mitten in einer Flüchtlingskrise ausgerechnet jener Kandidat wochenlang auf Platz 1 der Umfragen bleibt, der noch am ehesten für die Willkommenskultur steht? Oder dass eine unerfahrene Quereinsteigerin fünf politisch nachweislich routinierteren Herren mehr als nur Paroli bietet?

4. Der Faktor Prominenz wird überbewertet

Die Frage, ob die Wähler einen Kandidaten vor einem Wahlkampf kennen, ist kein Erfolgskriterium. Das beste Beispiel: Norbert Hofer. Der Dritte Nationalratspräsident war bis vor wenigen Wochen nur politischen Feinspitzen ein Begriff. "Und jetzt zeigen die Daten sogar in Richtung Sieg beim ersten Wahlgang", sagt Wahlforscher und OGM-Boss Wolfgang Bachmayer.

5. Der Hofburg-Wahlkampf ist ein Dschungelcamp

Nie zuvor war Kandidaten für das höchste Staatsamt so sorglos, was allfällige Niveau-Unterschreitungen betrifft. Zwar hielten sich die meisten an das Fairness-Abkommen – Schmutzkübel-Kapagnen blieben ganz aus. Im Gegenzug hatten die Bewerber aber allerhand "Prüfungen" zu bestehen. Sie durften coram publico ohne Besteck essen, mussten öffentliche Englisch-Tests meistern und Fragen beantworten, die den Amtsvorgängern nie gestellt worden wären. Darunter: Welches Obst wären Sie gerne?

6. Polit-Routine und Regierungserfahrung sind kein Vorteil bei einer Kandidatur

Spricht es von präsidialer Zurückhaltung, wenn man in TV-Debatten Frauen attackiert? Und sollte man bei Interviews und Wahl-Konfrontationen genervt auf den Tisch klopfen oder am Ehe-Ring drehen? Obwohl sie – in Jahren gemessen – die meiste Polit-Erfahrung und hunderte Stunden mit Journalisten und vor Kameras verbracht haben, machten Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer bei den Fernseh-Debatten Fehler, die eigentlich eher Anfängern passieren.

7. Im Wahlkampf muss nicht über das zur Wahl stehende Amt geredet werden

Flüchtlinge, Bildung, die Parlamentsauflösung: Im Hofburg-Wahlkampf wurde eine Fülle an Themen diskutiert, die tagespolitisch interessant sind, bei denen das Staatsoberhaupt real aber wenig bis gar keine Kompetenzen hat. Im Gegenzug kamen real-politisch weitaus relevantere Fragen wie etwa die Rolle des Bundespräsidenten bei der Außenpolitik so gut wie gar nicht zur Sprache.

8. "Alte" Werbemittel wie Plakate spielen keine entscheidende Rolle

Haben Sie bemerkt, dass ein einziger Kandidat auch seine Frau plakatiert hat? Nein? Kein Wunder. Über klassische Werbemittel wurde wenig bis kaum diskutiert und berichtet – sie spielen zwar für das Wahl-Budget, nicht aber für die Wähler eine Rolle. Plakatiert war übrigens Hundstorfers Frau, Karin Risser.

9. Personenkomitees helfen nur Außenseitern

Wenn die Personen-Komitees in diesem Wahlkampf eine Funktion erfüllt haben, dann wohl am ehesten die des Seismografen. Bei Irmgard Griss zeigte der starke Zustrom an prominenten Wirtschaftstreibenden und ÖVP-Funktionären (z.B. Elisabeth Zanon, Fritz Dinkhauser) die Sog-Wirkung aus dem christkonservativen Lager. Umgekehrt demonstrierte die Unterstützung von SPÖ-affinen Promis wie André Heller oder Wolfgang Petritsch für Alexander Van der Bellen, dass der ehemalige Grünen-Chef im Lager der SPÖ wildert.

10. Die Person ist alles, die Partei ist ein Hemmschuh

Bis auf Norbert Hofer vermied es jeder Kandidat in der Wahlwerbung (Inserate, etc.) auf eine Partei zu verweisen. Zufall? Sicher nicht.