Hat die Causa Orbán Potenzial, die Koalition zu gefährden?
Von Christian Böhmer
Man arbeitet nur mit- und nicht gegeneinander. Und: Man überstimmt und widerspricht einander nie öffentlich: So ist es, sinngemäß, im Koalitionspakt zwischen Volkspartei und Freiheitlichen festgeschrieben. Und genau das meint Regierungschef Sebastian Kurz, wenn er – wie zuletzt Montagabend im ORF-Sommergespräch – vom „neuen Stil“ in der türkis-blauen Koalition spricht.
Über weite Strecken konnten Kurz und Strache das genau so leben – bis auf Viktor Orbán.
Denn was den Umgang mit dem ungarischen Regierungschef und dessen Partei Fidesz angeht, sind Kurz und Strache alles andere als einer Meinung.
Während die ÖVP und ihr Parteichef klar für ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eintreten, hat die FPÖ nicht nur kein Verständnis für diesen Schritt (die freiheitlichen EU-Abgeordneten werden gegen dieses Vorhaben stimmen). Die FPÖ bzw. Parteichef Strache bieten Orbán zudem an, ihrer Rechtsaußen-Fraktion im Europäischen Parlament beizutreten, sollte die Mitgliedschaft von Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP) ruhend gestellt werden.
Die innenpolitisch spannende Frage lautet nun: Bietet das Thema genug Potenzial, um die türkis-blaue Regierungskoalition in Unstimmigkeiten oder eine ernste Krise zu manövrieren?
Die vorläufige Antwort lautet: Eher nein – und das hat vielerlei Gründe.
Zunächst einmal herrscht zwischen ÖVP und FPÖ Einvernehmen darüber, dass Viktor Orbán und wie man auf dessen Verhalten reagiert unter dem Stichwort „EU-Wahlkampf“ firmiert und von daher nichts mit der Innenpolitik zu tun haben soll.
„Der Umgang mit Ungarn tangiert die Regierungspolitik in keiner Weise“, sagt ein Berater des Regierungschefs. Und das soll, soviel war am Dienstag klar, auch nach dem Ministerrat am Mittwoch noch einmal von Strache und Kurz genau so gesagt werden.
Für ÖVP und FPÖ bietet die Causa Orbán zudem die willkommene Gelegenheit, die jeweiligen Stammwähler stärker anzusprechen – zumindest sehen das die Führungsmannschaften so.
Während die Volkspartei bei der Frage der europäischen Rechtsstaatlichkeit klare Kante zeigen kann und damit, wie ein ÖVP-Stratege beschreibt, „weiter in die Mitte rückt“, bedient der FPÖ-Boss seine Stammwähler mit demonstrativer Unterstützung für den ungarischen Rechtspopulisten. Oder, wie einer von Straches Sprechern sagt: „Zwei Drittel der Ungarn haben Viktor Orbán demokratisch gewählt, sie goutieren dessen Politik, und das ist zu respektieren. Dass das manchem Linken nicht gefällt, ist logisch.“