Politik/Inland

Grasser zitiert Ankläger vor den Richter

Der dunkle Zweireiher, die Blümchenkrawatte, die polierten Schuhe, das Freundschaftsarmband: Auf den ersten Blick ist bei Karl-Heinz Grasser alles wie gewohnt. Er ist herausgeputzt – wie immer bei wichtigen Terminen. Bei näherem Hinsehen scheint aber etwas anders. Ist es nur das harte Licht der Fernsehkameras? Oder ist der Ex-Finanzminister in den vergangenen Wochen tatsächlich irgendwie älter und grauer geworden?

Der 44-Jährige ist als Kläger vor Gericht, und im Vergleich zu alldem, was ihm derzeit vorgeworfen wird (Amtsmissbrauch, Steuerbetrug etc.) wirkt die Frage, um die es im Wiener Justizpalast geht, banal. Es geht darum, ob Wiens Staatsanwaltschaft das Recht hatte, eine Presse-Aussendung zu verfassen. Und ob die Republik Grasser damit geschädigt hat.

Dazu muss man wissen, dass der Ex-Minister als „Berater und Finanzdienstleister“ keinen Kunden hat – zumindest nicht in Österreich. Und dazu muss man auch wissen, dass Grasser überzeugt ist, die Justiz habe dazu einen veritablen Beitrag geleistet.

Ein Blick zurück: Im Mai 2011 läuten Fahnder bei Grassers Wiener Wohnung. Sie wollen Unterlagen beschlagnahmen. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Für gewöhnlich sind Hausdurchsuchungen geheim.

Diesmal tut die Justiz Ungewöhnliches: Sie lässt Medien schriftlich von der Durchsuchung wissen – dummerweise zu einem Zeitpunkt, als die Durchsuchung noch läuft. Das Ergebnis: Ein Stiegenhaus voll mit Journalisten, Fotos von fröhlichen Finanzfahndern mit Grasser-Akten. Für den Ex-Minister war das „rechtswidrig“. Geschäftspartner hätten sich reihenweise abgewandt. „Das Bekanntwerden der Hausdurchsuchung hat den Vorwürfen gegen mich neue Qualität gegeben.“

Die Staatsanwaltschaft ist sich keiner Schuld bewusst. Man habe nur die Pflicht erfüllt, die Medien zeitnah zu informieren.

Karl-Heinz Grasser hat die Republik dennoch verklagt. Und er gibt sich in einer neuen Rolle: Er ist der tapfer gegen den Staat aufbegehrende Bürger. Man müsse ihn, Grasser, nicht mögen, sagt er. Aber auch für ihn gelte das Recht, dass eine Hausdurchsuchung diskret abzulaufen habe. „Ich lasse mich nicht wie ein Opferlamm zur Schlachtbank führen. Ich werde als Staatsbürger für mein Recht kämpfen. Ich will anderen Mut machen.“

Tatsächlich sieht es für ihn gar nicht übel aus. Das Timing der Justiz war nicht ideal, sie hätte, soviel kann man wohl sagen, mit der Meldung warten sollen. Ob Grasser vor dem Zivilgericht Recht bekommt, werden die nächsten Wochen zeigen. Es gab gestern keine Entscheidung; das Urteil wird zugestellt.

Doch selbst wenn er gewinnen sollte, hat Grasser kaum Grund zu jubeln. Im Vergleich zu dem Steuerstrafverfahren und der BUWOG-Affäre ist die Causa eine Nebenfront. Und will der Ex-Minister Geld, muss er den Schaden erst konkret beziffern – ein schwieriges Unterfangen. Man könnte auch sagen: Noch ein paar graue Haare.