Politik/Inland

Apfel-Posse und Allergen-Pflanz

Heute ist "Tag des Apfels". In der Steiermark rechnet man mit einer Ernte von 180.000 Tonnen – und verspricht nach dem Rekordsommer und dem warmen Herbst "wahre Geschmackshöhepunkte". Der gesunde steirische Apfel ist in Österreich fast schon heilig gesprochen. Umso größer war gestern der Aufschrei nach Aussagen von Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, in Spielfeld habe ein übereifriger Lebensmittelinspektor untersagt, steirische Äpfel an Flüchtlinge zu verteilen. Die Begründung des Behördenmannes laut Konrad: Die Äpfel seien gespritzt – und dürften nur gewaschen verzehrt werden.

Blödsinn, konterte sinngemäß der zuständige steirische ÖVP-Landesrat Christopher Drexler. "Die Aussagen des Herrn Konrad sind völlig aus der Luft gegriffen, zu keiner Zeit wurde die Verteilung von Äpfeln an Flüchtlinge seitens der Behörde untersagt."

Blödsinn, antwortete sinngemäß das Rote Kreuz. Ein Sprecher der Rettungsorganisation wusste von einer vorübergehenden Einstellung der Apfelausgabe. Konkret habe die Lebensmittelkontrolle beanstandet, dass das Obst in Spielfeld von den Flüchtlingen nicht gewaschen werden könne.

Das Hickhack um die saftige Frucht ging letztlich im Sinne der Flüchtlinge aus. Dem Vernehmen nach bevorzugen sie zwar ohnehin Bananen und Mandarinen, die Lösung des Apfel-Problems ist dennoch bemerkenswert, weil selten pragmatisch: Zwei Großlieferanten konnten der Behörde glaubhaft machen, dass keinerlei Gesundheitsgefahr vom Apfel ausgehe. Darauf besteht auch die Landwirtschaftskammer. Die Äpfel "können mit gutem Gewissen ungewaschen gegessen werden".

Wer denkt, die Geschichte sei damit pointenlos zu Ende, irrt. Schließlich gibt neben den Verantwortlichen in Spielfeld und der Landesregierung in Graz auch das Gesundheitsministerium in Wien seinen Senf dazu. Nicht zum Apfel, aber zur Ausgabe von unverpacktem Toastbrot – und zur Art und Weise, wie in Spielfeld Suppen für Flüchtlinge gekocht werden. Von freiwilligen Helfern, finanziert mit Spendengeld wohlgemerkt. So verlangt die zuständige Sektion nun allen Ernstes, dass in Spielfeld Allergen-Hinweise angebracht werden. Graz legt sich quer und bittet, von der Vorschrift abzusehen. Schließlich habe man es in Spielfeld mit enormer Sprachenvielfalt zu tun, es gebe auch nicht genug Dolmetscher, um die Allergen-Hinweise (A, B, C etc) auszudeutschen. Graz bat am 10. November um Rechtsauskunft. Die Antwort aus Wien steht noch aus.

Die gute Nachricht zuerst: "Steirische Äpfel sind nach den Richtlinien des integrierten Anbaus hergestellt und können bedenkenlos ungewaschen gegessen werden." Sagt die Landwirtschaftskammer. Nichts anders hätten wir erwartet, aber die Klarstellung war notwendig geworden, weil ein Streit darüber entbrannt war, ob Flüchtlingen ungewaschene Äpfel zumutbar wären. Glückliches Österreich. Wir erleben gerade näher, als uns lieb ist, wie unterschiedlich der Zugang zu Lebensmitteln ist. Da kommen hungrige Menschen, die nicht lange fragen, wie oft ein Apferl gestreichelt wurde, bevor es vorsichtig in ein Steigerl platziert wurde und gleichzeitig geben Zeitungen Tipps, wie man eine größere Portion vom Martini-Gansl ohne gröbere Folgeschäden übersteht.

Die absurden Unterschiede zwischen reichen und armen Ländern waren uns immer bekannt, aber seit sich Millionen Menschen aufgemacht haben, um Verfolgung zu entgehen, aber auch auf der Suche nach einem würdigen Über-Leben, müssen wir mehr tun, als darüber Seminare und Kongresse abzuhalten. 1,8 Milliarden Euro transferiert die EU nun nach Afrika, nicht viel mehr, als ein Tropfen in der Sahara. Auch ein Vielfaches würde Afrika nur kurzfristig helfen.

Wenn starke Flotten aus dem Norden das Meer leerfischen, wird zu wenig für die Afrikaner bleiben. Je billiger Lebensmittel werden, umso weniger Geld landet beim Erzeuger. Und wenn die Rohstoffe für Handys nach unseren Standards aus dem afrikanischen Boden geholt werden, dann wird es eben teurer, aber Afrika lebenswerter. Wer ordentlich leben kann, wird nicht davonlaufen. Ein Apfel – ob ungewaschen oder nicht – hält den Arzt auf Distanz, aber keinen Flüchtling ab.