Politik/Inland

Faymann streckt die Fühler nach Brüssel aus

Werner Faymann hat als Regierungschef in den vergangenen Jahren ganz unauffällig ein enges Netzwerk an Kontakten in der EU geknüpft. Zum einen unter Europas Sozialdemokraten, zum anderen aber auch unter christdemokratischen Amtskollegen und EU-Spitzen wie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

"Das ist jetzt seine Basis für den Sprung nach Europa. Er hat das strategisch geschickt angelegt", sagt dem KURIER ein Brüssel-Insider. Das engste Umfeld des ehemaligen Bundeskanzlers bestätigt seine Ambition, die neue berufliche Perspektive auf europäischer Ebene zu finden. Ob Faymann einen EU-Job bereits verhandelt hat, ist aber offen.

Am Sonntag war er noch in Stockholm, wo er einige hochrangige Sozialdemokraten traf. Ob er Andeutungen über seinen Rücktritt machte, dazu will man im Kreis von Ministerpräsident Stefan Löfven nichts sagen. "Kein Kommentar", heißt es auch im Büro der Europäischen Sozialdemokraten.

Groß ist die Auswahl an hochrangigen EU-Jobs nicht. Für einen Regierungschef kommt der Posten des EU-Ratspräsidenten infrage, den jetzt der polnische Konservative und ehemalige Premier Donald Tusk innehat.

Dass ein Roter dieses Amt überhaupt bekommt, dafür muss es einen Wechsel an der Spitze des EU-Parlaments geben. Den sozialdemokratischen Parlamentspräsidenten Martin Schulz – seine Amtszeit endet im Jänner – müsste ein Konservativer oder Christdemokrat ablösen. Dann geht der Ratspräsident an einen Roten, so lautet das ungeschriebene Gesetz der politischen Farbenlehre in der EU.

Sollte Faymann die Tusk-Nachfolge anstreben, dann muss er von den Sozialdemokraten nominiert und massiv unterstützt werden, heißt es. Faymann braucht am Ende die Zustimmung aller 28 EU-Regierungschefs – und hier hat Bundeskanzlerin Angela Merkel als starke Frau Europas ein wichtiges Wort mitzureden. Wie der KURIER bereits vergangene Woche berichtete, würde Merkel ihren ehemaligen Amtskollegen nicht verhindern, aber auch nicht aktiv unterstützen.

Die politischen Stationen von Faymann

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Versicherungsposten?

In Wirtschaftskreisen wird spekuliert, ob Faymann bei der Vienna Insurance Group (VIG), Österreichs größtem Versicherungskonzern, andockt. Der einflussreiche VIG-Aufsichtsratschef Günter Geyer ist einer der engsten Berater Faymanns. Wenn, dann würde Faymann wohl beim Wr.-Städtische-Verein an Bord gehen, der 70 Prozent des Versicherungskonzerns hält (Rest ist an der Börse). Geyer ist auch Vorstandsvorsitzender des Vereins. Bei Siemens, dessen größter Kunde in Österreich die Stadt Wien ist, soll Faymann kein Thema sein.