Politik/Inland

Fall Grasser: Der mysteriöse Mister Muhr

Von Karlheinz Muhr gibt es kaum Fotos. Es ist Jahre her, da ließ sich der New Yorker Investmentbanker im Sofa einer feudalen Hotel-Lobby ablichten: Nadelstreif und Stecktuch, das Haar akkurat nach hinten gekämmt, ein mildes Lächeln. Genaues Datum der Aufnahme: unbekannt.

Der Investmentbanker Muhr drängt nicht in die Öffentlichkeit; und das hat gute Gründe. Der gebürtige Österreicher mit mehreren Uni-Abschlüssen machte in London und New York eine Traumkarriere. Er ist an der Wall Street das, was man einen "Top Shot" nennt.

Muhr sucht nicht nach Aufmerksamkeit, er wird gesucht: Von heimischen Großbanken, die ihn um Expertise bei Finanzprodukten bitten; von Wirtschaftsuniversitäten und -verbänden, die ihn zu gut gebuchten Vorträgen in die alte Heimat lotsen; und seit wenigen Tagen sucht auch der parlamentarische Korruptions-Untersuchungsausschuss intensiv nach Mister Muhr.

In der zweiten Juni-Hälfte soll der millionenschwere Experte für Risiko-Management für ein paar Tage in Österreich weilen. Und genau in diesen beiden Wochen wollen ihn die Abgeordneten einvernehmen.

"Muhr ist von einer Randfigur zur Schlüsselperson in der BUWOG-Affäre geworden", sagt Ausschuss-Vorsitzende Gabi Moser. Konkret interessiert sich der Ausschuss dafür, was der Duz-Freund von Ex-Finanzministers Karl-Heinz Grasser für sein Honorar geleistet hat.

Wie berichtet, entschied sich die Republik im Jahr 2002, die Investmentbank Lehman Brothers mit der Privatisierung der staatlichen Wohnbaugenossenschaften (vereinfacht "BUWOG-Wohnungen") zu beauftragen. Berater von Lehman war Karl-Heinz Muhr. Als die Bank den Zuschlag erhielt, bekam dessen Firma "Volaris" 433.820 Euro Honorar von Lehman. Muhr erklärte dies jüngst vor einem Richter so: Er habe "Finanzmodelle" erstellt, um die Tausenden BUWOG-Wohnungen rechnerisch zusammenzufassen und zu bewerten.

So weit, so klar. Als der Richter wissen wollte, worin genau die Leistung bestand, geriet Muhr ins Schleudern. "Der Richter fragt wiederholt nach der Tätigkeit der Volaris, der Kläger ist nicht in der Lage, zu schildern, worin die Tätigkeit besteht", heißt es im Gerichtsprotokoll.

15 Minuten lang mühte sich der Vorsitzende, Muhr eine Erklärung abzuringen. Dieser habe aber nur "einzelne Wörter" geäußert, "die in ihrer Gesamtheit keinen Sinn ergeben haben".

Selbst das wäre kein Beinbruch – vielleicht ist Muhr einfach schlecht im Erklären.

Ermittler und Ausschuss-Mitglieder erstaunt allerdings, dass zu der Leistung kein Vertrag vorliegt. "Es gibt nichts Schriftliches", sagte Muhr. Mit anderen Worten: Er hat Lehman mündlich beraten – und dafür 433.820 Euro kassiert.

Für den Banker gilt die Unschuldsvermutung, seine Reputation als Finanzmanager ist unumstritten. Dennoch oder gerade deshalb will ihn der Untersuchungsausschuss hören.

Denn abgesehen von der Lehman-Provision stellen sich noch viele andere pikante Fragen: Zum Beispiel, warum Muhr lange vor der Entscheidung gewusst haben soll, welche Bank beim BUWOG-Deal mit der Abwicklung beauftragt wird.

Genau das hat Klaus Requat, damals Chef der CA-IB, erklärt. Die CA-IB hatte 2002 gegenüber Lehman das Nachsehen; und Requat erzählte im Ausschuss, Muhr habe ihm bereits am Abend vor der Entscheidung am Telefon erzählt, die CA-IB werde durch die Finger schauen.

Möglich, dass Requat lügt – er würde damit aber ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage riskieren.

Und dann ist da noch die Sache mit Grassers Spezi Walter Meischberger: Laut Lobbyist Peter Hochegger hatten Muhr und Meischberger während der BUWOG-Vergabe 2004 Kontakt. Das erstaunt, weil Muhrs Job bereits 2002, also mit der Vergabe des Verkaufsauftrags an Lehman Brothers, erledigt war.

Unterhaltung

Feststeht: Meischberger wusste, dass man 960 Millionen Euro bietet muss, um die BUWOG zu bekommen. Immerhin hat er dafür eine millionenschwere Provision kassiert. Die Frage lautet also: Worüber haben sich Muhr und Grassers Trauzeuge Meischberger in der heiklen Phase der BUWOG-Verkaufs unterhalten?

Mehr zum Thema

 

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Kommentar

  • Hintergrund