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Ex-Innenminister Löschnak zu Asylpolitik: "Wer soll uns noch ernst nehmen?"

Franz Löschnak, der im März 77 Jahre alt geworden ist und blendend erholt aussieht, schüttelt den Kopf.

18 Jahre lang, bis 1995, war der Wiener Sozialdemokrat in der Regierung, anfangs noch unter Kreisky, zuletzt unter Kanzler Vranitzky fast sechs Jahre lang Innenminister.

Was ihn so ärgert?

"Ich frage mich schon, wer in der EU soll uns noch ernst nehmen? Die Außenwirkung, die unsere Bundesregierung Monat für Monat abgibt, ist ja katastrophal." Löschnak meint die aktuelle Situation am Brenner. "Der Verteidigungsminister hat Bedenken, dass Flüchtlinge über den Brenner kommen werden, und mobilisiert Panzerspähwagen, um dann zu sehen, dass die Situation ruhig ist wie immer. Dann muss der Kanzler ausrücken und die Italiener wieder beruhigen. Das hätte es zu meiner Zeit niemals gegeben, dass jeder in der Regierung plaudern und Szenarien entwerfen kann, die gar keine faktische Grundlage haben."

Kein Fenstermuppet

1999 schied Löschnak auch aus dem Parlament aus, er brach damals alle Brücken zur Spitzenpolitik ab. "Es gibt ja nichts Schlimmeres, als weiterhin Ratschläge zu erteilen. Ein Fenstermuppet wollte ich nie sein, damit niemand sagen kann, ich bin einer von den Gscheitln, der allen klug erklärt, wie die Welt zu ordnen wäre."

Eine Lösung für die aktuelle Flüchtlingskrise hat er auch nicht. "Hätte ich eine, wäre ich damit schon beim Patentamt." Aber eine Meinung. "Was mich am meisten stört, ist, dass alle so tun, als wäre das plötzlich über uns hereingebrochen. Die Flüchtlingswelle 2015 hatte sich über Monate und Jahre abgezeichnet. Das muss allen bewusst gewesen sein."

Löschnak kritisiert, dass es bis heute keine gemeinsame EU-Strategie gebe, sondern nur populistische Forderungen einzelner Politiker.

Und schon ist er bei Sebastian Kurz, dem neuen ÖVP-Chef. "Warum der Kurz dauernd erzählt, er habe die Balkanroute geschlossen, ist mir ein Rätsel. Da ging es immer nur um die Haltung Deutschlands, die hatten hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen, dann begonnen zu kontingentieren und immer mehr reduziert. Da mussten dann am Balkan alle rasch handeln."

Noch mehr missfällt ihm Kurz’ Forderung, die Mittelmeerroute zu schließen. "Warum schlägt er nicht gleich vor, einen Zaun um ganz Afrika zu errichten? Das klingt noch besser, ist aber genauso unrealistisch." Natürlich sei das "super für die Leute zu hören, dass der Kurz die Mittelmeerroute sperrt. Aber das kann er nicht, auch die EU kann das nicht".

Er sage das nicht aus Boshaftigkeit. "Der Kurz hat mir anfangs sehr gut gefallen, weil er eine klare, verständliche Sprache spricht. Leider bin ich draufgekommen, dass ist das einzige, was er gut kann: schön sprechen."

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Als Integrationsminister habe Kurz seine Arbeit nicht gemacht, meint Löschnak. "Wenn ich hunderttausend Menschen hereinlasse, muss ich die Infrastruktur so rasch wie möglich bereitstellen. Kindergärten, Schulen, Wohnungen, Lehrer. Und rasche Asylverfahren – das muss nach wenigen Wochen abgeschlossen sein. Da hat Kurz nichts gemacht. Seine Ankündigungen helfen da nicht."

Was dem Ex-Minister fehlt, ist eine aktive Afrikapolitik. "Das beginnt damit, dass wir keine Waffen mehr liefern dürfen." Auch US-Präsident Trump trage aktiv dazu bei, dass in den Krisenregionen Kriege noch jahrelang weitergehen, wenn er für hunderte Milliarden Dollar Waffendeals, etwa in Saudi-Arabien, abschließe.

"Und solange wir in den Industriestaaten nicht bereit sind, in Afrika sinnvoll zu investieren, damit die Menschen dort nicht verhungern, solange wird es Menschen geben, die so verzweifelt sind, dass sie versuchen, bis nach Europa zu kommen. Das muss angegangen werden, es braucht ein Umdenken – auch wenn das Jahrzehnte dauert."

Deshalb sei auch Kurz’ Vorschlag, Flüchtlinge nach einer Seerettung im Mittelmeer kein Ticket nach Europa zu geben, sinnlos. "Wenn sie einmal in einem Gummiboot sitzen, ist es zu spät. Das Problem wird man nur an der Wurzel langfristig lösen können, also in Afrika."

Weiche SPÖ-Position

Löschnak wundert sich aber auch über die Position seines SPÖ-Chefs Christian Kern. "Er hat sicher die weichere Position in der Flüchtlingsfrage. Aber ich denke nicht, dass man damit Wahlen gewinnen kann."

Immerhin, dass die SPÖ nach den Wahlen auf die FPÖ zugehen wolle, sieht er positiv. "Auch in der Regierung Vranitzky war ich immer der Meinung, dass man mit der FPÖ reden muss. Die strikte Verweigerung war nicht klug, weil man damit auch den FPÖ-Wählern, viele davon ehemalige SPÖ-Wähler, signalisiert hat, dass ihre Stimme nichts wert ist. Die FPÖ ist trotzdem immer stärker geworden."