Politik/Inland

Wieso Quereinsteiger gerne scheitern

Ich bin lieber ein politisch denkender Schauspieler als ein schauspielender Politiker.“ Das sagt Peter Sodann gerne, wenn man ihn nach seiner Zeit in der Politik fragt: Der Schauspieler, vor allem als „Tatort“-Kommissar bekannt, versuchte sich für die deutsche Linke zunächst als Bundestagsmandatar, später als Bundespräsidentschafts-Kandidat – etwas, was er heute wohl nicht mehr leichtfertig machen würde.

Denn Sodann war beliebter Fernsehermittler – bis er in die Politik ging. Kaum hatte er den Schritt aufs politische Parkett gewagt, zog er sich wegen deftiger Ausdrucksweise den Unmut der medialen Landschaft zu. DerMDR untersagte ihm sogar kurzfristig sein Kommissars-Dasein. Ähnlich ging es auchMonika Lindner, Kurzzeit-Gast im Parlament, undEugen Freund, dem einst beliebten TV-Moderator – sie können ein Lied davon singen, wie es sich im medialen Wirbelsturm anfühlt.

Im Brennglas der Öffentlichkeit

Wäre der Gegenwind bei einem ganz normalen Parteisoldaten, der sich einen kleinen Fehltritt geleistet hat, auch derart heftig gewesen? Ziemlich sicher nicht. „Bekannte Quereinsteiger stehen extrem im Brennglas der Öffentlichkeit“, sagt Moritz Küpper – Fehltritte würden dementsprechend schneller bemerkt und deutlich weniger leicht verziehen. Der Kölner Autor hat sich für sein Buch „Politik kann man lernen“ mit der Frage beschäftigt, was Quereinsteigern in der Politik das Leben schwer macht. Eine Erklärung: „Die Politik ist ein schwer unterschätztes Geschäft.“

Bei Eugen Freund, wegen einiger unbedachter Aussagen vom beliebten ORF-Moderator zur Zielscheibe des Spotts degradiert, zeigt sich deutlich: Die Annahme, dass man als politischer Beobachter auch Ahnung von den inneren Mechanismen der Politik hat, ist falsch. „Als einfacher Abgeordneter ist man plötzlich stärker und vor allem anders gefragt als zu Zeiten, als man noch DAX-Vorstand war“, vergleicht Küpper Freunds Situation. „Da kann man nicht mehr sagen, ‚hier ist jetzt Schluss, dazu sage ich nichts mehr’.“ Man muss rund um die Uhr ansprechbar sein und auf jede Frage eine passende Antwort liefern können.

Die fehlende Ochsentour als Bürde

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Was Quereinsteigern zudem oft die Freude am neuen Beruf vergällt, ist der fehlende Rückhalt. Hat man nicht die mühsame Ochsentour durch sämtliche Ebenen der Partei absolviert, fehlt es an Seilschaften – haut man dann ein paar Mal kräftig daneben, rücken die Parteifreunde nur ungern zur Schadensbegrenzung aus.

Denn die frischen Gesichter dienen, wie auch ZiB-Moderator Armin Wolf in seiner Dissertation zu eben diesem Thema festgestellt hat, oft nur als PR-Aushängeschild während des Wahlkampfes. „Und dabei reiben sie sich dann oft auf, weil sie nicht dafür geeignet sind“, ergänzt Küpper. Wenn die Konsequenz dann auch noch die ist, später ein tristes Dasein auf der Hinterbank fristen zu müssen und nicht mehr im Rampenlicht zu stehen, ist das höchste Frustrationslevel erreicht.

Quereinsteiger als Partei-Kritik

Apropos Frustration: Ist nicht eben der Frust der Wählerschaft über das altbekannte Personal mit ein Grund für den Politbetrieb, sich mit neuen – und bekannten - Gesichtern zu schmücken? „Natürlich“, meint Küpper. „Somit kann man Quereinsteiger durchaus auch als Kritik an der Partei werten.“ Oder anders gesagt: „Quereinsteiger zeugen auch von der Inkompetenz des eigenen Nachwuchses.“

Anhand der SPÖ lässt sich dies momentan gut nachvollziehen: Denn die Basis fühlt sich durch die Bestellung Freunds zum EU-Wahl-Spitzenkandidaten nicht gerade geschmeichelt – die Wiener Sektion 8 etwa beschwert sich offen über ein parteiinternes „Demokratiedefizit“, die roten Pensionisten unterstützen ihren eigenen Kandidaten.

Keine Befehlsmechanismen

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Dass man einer Partei schwer etwas von oben verordnen kann, ist für viele Polit-Neulinge ebenso unverständlich. Monika Lindner ist es alsORF-Chefin gewohnt gewesen, den Ton anzugeben; davon muss man sich als Quereinsteiger verabschieden – ebenso wie ihr Parteichef Frank Stronach dies als altgedienter Firmenchef lernen musste. „In der Politik gelten keine Befehlsmechanismen“, erklärt Küpper. „Dort muss man Überzeugungsarbeit leisten, schnelles Umsetzen ist da nicht möglich. Und als Unternehmer ist man das nicht gewohnt.“ Der oft gebrauchte „Frank sagt“-Stehsatz der Stronachianer ist ein hübsches Beispiel dafür.

Auch die Irrationalität des politischen Lebens zermürbe die „Artfremden“, sagt Küpper. „Vor allem Wissenschaftler tun sich schwer mit politischen Entscheidungsfindungen.“ Die Mechanismen wären oft rational schlichtweg nicht nachvollziehbar, ein auf Exaktheit bedachter Forscher würde oft nur kopfschüttelnd reagieren. Ein gutes Beispiel ist für Küpper der Atomausstieg der Deutschen: Schon vor der Atomkatastrophe in Fukushima waren die Gefahren der Kernkraft bekannt, die CDU hätte einen Ausstieg aber dennoch nie befürwortet – um nach der Katastrophe dann eine radikale Kehrtwende zu vollziehen.

Politische Ungenauigkeit

Umgekehrt kann man bei Quereinsteigern aus dem Wissenschaftsbetrieb oft noch nicht das richtige Maß an politischer Ungenauigkeit feststellen: Wer Neo-Familienministerin Sophie Karmasin bei ihrer Antrittsrede im Nationalrat zugehört hat, musste bei manchen Sätzen schmunzeln – im gängigen Polit-Sprech sind Sätze wie „die Österreicher sollen mehr Kinder realisieren können - derzeit sind es nur 1,4“ nämlich eine Seltenheit.

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