Politik/Inland

Obergrenze: Auch gegen den Willen der EU

Das Wichtigste in Kürze:

  • Österreich plant Asyl-Obergrenzen, nur mehr 80 Anträge sollen am Tag möglich sein. Die EU kritisiert dies als Verstoß gegen die Menschenrechte und EU-Recht. Österreich bleibt dabei.
  • Donnerstag und Freitag findet in Brüssel ein EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise statt. Ein konkretes Ergebnis wird nicht erwartet.
  • Die EU dürfte laut Medienberichten am 1. März ihre Außengrenzen für Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak schließen.
  • An der EU-Anti-Schleppermission "Sophia" im Mittelmeer nehmen seit Donnerstag sieben Stabsoffiziere des Bundesheeres teil.
  • Ein Foto von einem Flüchtling mit seinem Baby am Grenzzaun von Ungarn ist das Welt-Presse-Foto des Jahres 2015.

Die von Österreich angekündigten jährlichen und täglichen Asyl-Obergrenzen verstoßen nach Auffassung der EU-Kommission gegen europäisches und internationales Recht. "Eine solche Politik wäre klar inkompatibel mit Österreichs Verpflichtungen unter europäischem und internationalem Recht", heißt es in einem der APA vorliegendem Brief der EU-Behörde vom Donnerstag.

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag sagte bereits EU-Kommissionschef Juncker scharf: "Ich mag die österreichische Entscheidung der Grenzschließungen und -kontrollen nicht", und kündigte eine rechtliche Prüfung an. Juncker will nun mit Kanzler Faymann ein "freundschaftliches Gespräch" diesbezüglich führen.

Faymann verteidigt Vorgehen

Dieser verteidigte Österreichs Linie prompt: "Österreich kann man nach 90.000 Flüchtlingen, die wir im Vorjahr aufgenommen haben, nicht vorwerfen, nicht auf Solidarität zu setzen." Und weiter: "Dass wir aufschreien und sagen, jetzt kommen auch die anderen dran, ist nicht nur unser Recht, sondern unsere Pflicht", sagte Faymann in einer Stellungnahme weiter. Österreich sei "mit Sicherheit nicht das Land, das einer europäischen Lösung im Wege stehe, im Gegenteil". Faymann blieb hart: Rechtliche Fragen müssten die Juristen klären. "Politisch sage ich, wir bleiben dabei."

Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention

Die EU-Kommission kritisiert in dem Schreiben von EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner insbesondere einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die Genfer Konvention und Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. "Österreich hat die rechtliche Verpflichtung, jeden Asylantrag zu akzeptieren, der auf seinem Territorium oder an seiner Grenze gestellt wird", schreibt die Kommission. Außerdem kritisiert die EU-Behörde, dass Kontingente für den Transit von Flüchtlingen nicht zulässig seien. Schutzbedürftige dürften nicht in das Land ihrer Wahl weiterreisen.

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Mikl-Leitner bleibt aber bei ihrem Vorhaben und will die Kontingente ab morgen einführen. Das sei vor Monaten für Deutschland rechtskonform gewesen und "ist es selbstverständlich auch jetzt für Österreich".

Bereits Mittwochabend wurde beim Treffen der EU-Spitzen in Brüssel mit den Staats-bzw. Regierungschefs von Kroatien, Serbien, Mazedonien und Slowenien die Besorgnis über Österreichs Entscheidung, nur noch 80 Asylanträge täglich anzunehmen, formuliert. Die EU und die Balkanstaaten befürchten eine humanitäre Krise binnen weniger Tage.

An dem Treffen nahmen auch EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und ein Vertreter der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft teil. Der allgemeine Konsens bei dem Treffen habe gelautet, "Slowenien ist ein Opfer Österreichs", hieß es in EU-Kreisen gegenüber der APA. Slowenien aber folgt Österreich mit Maßnahmen, die den Zustrom an Flüchtlingen begrenzen sollen. Am Donnerstag wurden rund 100 Soldaten an die Grenze zu Kroatien entsandt, sie sollen die Grüne Grenze bewachen helfen.

Schulz fordert mehr Solidarität

Vor dem EU-Gipfel hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz von den Mitgliedsstaaten mehr Solidarität eingefordert. "Die Migrationskrise kann nur im europäischen Verbund gelöst werden", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. "Wenn wir zwei Millionen Flüchtlinge auf 500 Millionen Menschen in 28 Ländern verteilen, dann wird das geräuschlos funktionieren."

Es gebe aber noch zu viele Länder in der EU, "die sich aus der Verantwortung stehlen". "In dem Augenblick, in dem die Flüchtlinge in allen EU-Staaten verteilt würden, gäbe es keine Krise mehr."

"Wer meint, durch hohe Mauern und Stacheldraht ein globales Problem lösen zu können, vergisst, wie ähnliche Versuche in der Vergangenheit ausgegangen sind."


Schulz warnte die EU-Mitgliedsstaaten davor, die nationalen Grenzen zu schließen. "Wer meint, durch hohe Mauern und Stacheldraht ein globales Problem lösen zu können, vergisst, wie ähnliche Versuche in der Vergangenheit ausgegangen sind."

Gemeinsames Vorgehen

Der SPD-Politiker nahm die Regierung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingsdebatte in Schutz. "In einer akuten Notsituation hat die Bundesregierung richtig gehandelt", sagte Schulz. Merkel setzt sich in der Flüchtlingskrise für ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten ein, stößt damit aber auf Widerstand.