Ein Jahr nach der Nationalratswahl: Parteien stabil in der Wählergunst
Seit der Nationalratswahl vor rund einem Jahr am 15. Oktober liegen die Parteien in der Wählergunst quasi unverändert. Das belegen nicht nur die seit dem Urnengang veröffentlichten Umfragen, auch Meinungsforscher und Politologen teilen diesen Befund. "Die Regierung hat, bei allen Turbulenzen, ein stabiles Jahr hinter sich", sagte etwa der Politikwissenschafter Peter Filzmaier im APA-Gespräch.
Laut Umfragen konnte sich die ÖVP, die bei der Wahl auf 31,5 Prozent gekommen war, noch leicht nach oben verbessern, sie lag zuletzt zwischen 32 und 34 Prozent. Die FPÖ wurde in den jüngsten Erhebungen mit Werten etwas unter ihrem Wahlergebnis von 26 Prozent ausgewiesen, die SPÖ blieb quasi bei ihren knapp 27 Prozent. Von den Oppositionsparteien dürfen sich die NEOS in den Umfragen derzeit über den größten Zuspruch freuen, sie würden derzeit knapp über ihrem Wahlergebnis von 5,3 Prozent landen. Auch die Grünen könnten laut den letzten Umfragen den Sprung in den Nationalrat wieder schaffen. Die Liste Pilz hingegen wird seit Monaten unter der Vier-Prozent-Hürde (Ergebnis 2017; 4,4 Prozent) gehandelt.
Filzmaier verwies darauf, dass laut Umfragen jene Wähler, die bei der Nationalratswahl ÖVP oder FPÖ gewählt hatten, nun auch mit der Arbeit der Regierung zufrieden sind. Jene aber, die eine der Oppositionsparteien bzw. die Grünen gewählt hatten, können sich für die Regierung wenig erwärmen. "Das zeigt, dass es ein stabiles Jahr war." Auch Peter Hajek (Public Opinion Strategies) sagte im APA-Gespräch, dass sich in den Daten seit der Wahl relativ wenig bewegt habe. "Die Wählerschaft ist relativ gefestigt, sowohl was die Regierung als auch die Oppositionswähler betrifft."
Bemerkenswert ist laut Filzmaier, dass (im Gegensatz zur ersten Auflage der schwarz-blauen Koalition Anfang der 2000er-Jahre) die FPÖ dieses Mal die Rolle des Zweiten akzeptiert zu haben scheint. Es habe bisher "zu keinen Turbulenzen geführt", dass die Freiheitlichen in den Erhebungen klar hinter dem Koalitionspartner ÖVP liegen (bzw. auch auf Platz drei hinter der SPÖ). Die Partei dürfte das Regierungsprojekt "stabiler" als die FPÖ im Jahr 2000 anlegen und bereits an eine weitere Legislaturperiode denken, so Filzmaier. In der FPÖ herrsche die Ansicht vor: "Wir wollen lange regieren, nicht nur fünf Jahre, sondern zehn."
Den Grund für die anhaltend guten Werte für die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ sehen die Experten durch mehrere Faktoren begründet. Maßgeblich seien die derzeit günstigen Bedingungen im Wirtschafts- und Arbeitsmarkt. Es gebe mehr Steuereinnahmen als erwartet, "die Rahmenbedingungen haben die bisher möglichen Bruchstellen gar nicht auftreten lassen", so Filzmaier.
Gelungene Kommunikation
Darüber hinaus sehen die Experten die Kommunikation der Regierung nach außen hin als äußerst gelungen an. Im Gegensatz zur Vorgänger-Regierung gebe es nur "eine Regierungskommunikation", so Filzmaier. Unter Rot-Schwarz seien hingegen "zwei völlig getrennte Parteizentralen" am Werk gewesen, dazu hätten auch noch alle Minister ihre eigene Kommunikation betrieben. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe dies vereinheitlicht. Für den ÖVP-Chef sei das insofern einfach gewesen, als die meisten ÖVP-Minister über keine Hausmacht innerhalb der Partei verfügen und "daher leichter auf Linie zu bringen" sind, so der Experte. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wiederum profitiert laut Filzmaier davon, dass er innerhalb der Partei als jener angesehen wird, der die Freiheitlichen nach mühsamen Oppositions-Jahren in die Regierung geführt habe, daher blieben alle auf Linie.
Diesen Befund teilt auch der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM): "Es wird nicht gestritten, es gibt keine gegenseitigen Blockaden mehr und keinen Stillstand", das sei der wesentliche Unterschied zur Vorgänger-Regierung.
Auch die Themenlandschaft spiele der Koalition in die Hände, betonte Filzmaier: Die Zuwanderung sei weiter das "Top-Thema" und dieses sei ein "klassisches Mitte-Rechts-Thema". Es sei auch keine Änderung bei den Themen in Sicht.
Laut Bachmayer komme der Koalition auch zugute, dass es derzeit "kaum eine Opposition" gebe: Die SPÖ sei mit sich selbst beschäftigt, die Grünen gar nicht im Parlament und die Liste Pilz habe ebenfalls vor allem mit internen Problemen zu kämpfen. Bei den NEOS müsse sich nach dem Wechsel an der Spitze von Matthias Strolz zu Beate Meinl-Reisinger erst zeigen, ob der Kurs so erfolgreich fortgesetzt werden könne, so Bachmayer.
Und die Kritik an einzelnen getroffenen Maßnahmen (wie etwa der Arbeitszeitflexibilisierung) komme bei der Bevölkerung bisher "nicht wirklich an", sagte der OGM-Chef. Vielmehr würden die Bilder wirken, die durch die EU-Ratspräsidentschaft in die Wohnzimmer geliefert werden. Es entstehe bei den Wählern das "gewisse wohlige Gefühl, Österreich ist wer". Dazu fahre Kurz die "sehr kluge Strategie, dass er sich aus der Innenpolitik weitgehend heraushält" - eine Taktik, die er schon seit seinem Einstieg als ÖVP-Obmann verfolge.
Diskussion um Kickl
Auch die jüngste Diskussion um das aus dem Innenministerium von Herbert Kickl (FPÖ) stammende E-Mail, das (scharf kritisierte) Empfehlungen für den Umgang mit kritischen Medien enthielt, sei für einen Großteil der Wählerschaft nicht so wichtig, meinte Hajek. Allerdings sei der Innenminister "dauernd in der Ziehung". "Die Kumulation verschiedenster Themen" werde "auf Dauer belastend". Kickl sollte schauen, "dass er aus den Schlagzeilen kommt", sonst könnte es zu internem Handlungsbedarf kommen, so der Meinungsforscher.
Dass sich bei der SPÖ in den Umfragen auch nach dem Wechsel an der Spitze von Christian Kern zu Pamela Rendi-Wagner kaum etwas getan hat, verwundert Hajek nicht. Denn es gebe kaum Bewegung der Wähler zwischen den Lagern. Selbst wenn es einen "Rendi-Effekt" geben würde: "Woher sollen die Wähler kommen?", so der Meinungsforscher.
Für strategisch richtig hält es Filzmaier, dass Rendi-Wagner eine klaren Akzent auf "Mitte-Links-Themen" setze wie Bildung, Gesundheit, Soziales oder den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig versuche sie nicht, die Regierungsfraktionen beim Thema Migration rechts zur überholen. Dies sei ein "Strategiewechsel, den die SPÖ vorher nicht so klar hatte". Allerdings brauche sie auch eine Stärkung innerhalb der Partei - nämlich, dass diese Prioritäten auch von allen intern mitgetragen werden, erklärte Filzmaier.
Als "Dilemma" Rendi-Wagners sieht Filzmaier, dass es zur nächsten Nationalratswahl noch vier Jahre lang hin ist. Somit könne sie den Teilorganisationen und Funktionären nicht viel versprechen: Sie habe als Oppositionspolitikerin derzeit nichts zu verteilen, weder Posten noch Macht. Wichtig werde es für die neue Parteichefin sein, die mittlere Funktionärsebene für sich zu gewinnen. Sie müsse diesen das Gefühl vermitteln, "sie ist eine von uns". "Da muss sie viel Zeit investieren", etwa mit Besuchen vor Ort, so Filzmaier.