Kanzlerbonus: Was hinter dem Misstrauensantrag steckt
Von Ida Metzger
Seit Samstag bastelt die Opposition eifrig an einer stimmigen Argumentationslinie, um Sebastian Kurz in der Sondersitzung als Kanzler abzuwählen. "Allerdings macht sie das nicht sehr clever. Denn nur zu sagen, Kurz ist böse, ist zu wenig", kritisiert Politikberater Thomas Hofer.
Bei der Abstimmung geht es weniger um Misstrauen, die Motive hinter diesem politischen Schachzug sind andere, die auch mit Staatsräson nicht viel zu tun haben. Das Ziel von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt, das sie aber öffentlich nicht artikulieren, lautet: Kurz im Wahlkampf nicht die Kanzlerbühne zu bieten. "Den Wert des Kanzlerbonus kann man nicht beziffern, weil er unschätzbar hoch ist", analysiert Politberater Josef Kalina, der 2006 den Wahlkampf von Alfred Gusenbauer leitete.
Verdoppelung
Als Kanzler in den Wahlkampf zu gehen, bedeutet eine "Verdoppelung der unmittelbaren Medienresonanz. Es ist, als hätte man eine zweite Kampagne laufen. Das ist Millionen wert", bestätigt Stefan Sengl, der den Wahlkampf von Alt-Bundespräsident Heinz Fischer 2010 leitete und 2017 aus dem Wahlkampfteam von Christian Kern ausstieg.
Kurz vom Kanzlerstuhl auf die Abgeordnetenbank zu setzen – also auf gleiche Augenhöhe zu holen – ist die eigentliche Intension. "Man will ihn degradieren", meint Hofer.
Denn Kurz ist ein Zugpferd. 2017 war Kurz , obwohl "nur" Außenminister, als Wahlmotiv unter den ÖVP-Wählern doppelt so stark wie der damalige Kanzler Kern bei den SPÖ- und Strache bei den FPÖ-Wählern.
Aber was ist mit der Reaktion der Bevölkerung auf eine Kanzler-Abwahl? Würden SPÖ und FPÖ Kurz nicht zum Märtyrer machen?
In diesem Punkt sind sich die Experten uneins, welche Auswirkungen ein Opferstatus haben könnte. "Bei ÖVP-Anhängern und FPÖ-Wählern, die wechselwillig sind, könnte die Absetzung einen Mobilisierungseffekt haben", so Hofer. Politologe Peter Filzmaier, beurteilt das anders: "Der Märtyrereffekt hält nicht vier Monate lang."
Doch was macht den Kanzlerbonus so wertvoll? Das sind vier Gründe:
- Macht der Bilder So banal es vielleicht klingen mag, aber ein Treffen mit Angela Merkel, ein Meeting mit dem neuen EU-Kommissionspräsidenten "sind wichtiger als jedes Wahlprogramm", weiß Kalina. Wenn man als Kanzler in den Wahlkampf geht, hat man automatisch eine Bühne. "Alle anderen Spitzenkandidaten müssen diese erst schaffen", so Hofer.
- Regierungsstab Ein Wahlkampfteam hat bei einer Großpartei vielleicht zwischen 30 und 40 Mitarbeiter. Kurz greift im Bundeskanzleramt auf einen Mitarbeiterstab zurück, der die Mitbewerber neidig macht. Da gibt es ein eigenes Team, das nur seine medialen Auftritte professionell betreut. Dazu kommen die strategischen Berater. Insider schätzen, dass es insgesamt über 100 Mitarbeiter sind, die Kanzler Kurz perfekt inszenieren.
Regierungsinserate Kalina hält die Wirkung der Regierungsinserate zwar für überschaubar. "Aber natürlich ist es kein Nachteil. Das hat möglicherweise Einfluss bei manchen Medien auf die Berichterstattung", sagt er.
Kurz verspricht nun, im Wahlkampf keine Werbung aus Steuergeld zu schalten (siehe links)
- Hierarchie. Last but not least insinuiert "der Titel Kanzler: er ist der Chef", so Hofer. Bei TV-Diskussionen macht es einen kleinen, aber feinen Unterschied, wenn einer der Kanzler ist und das Gegenüber nur der Parteichef", so Hofer.