Politik/Inland

Van der Bellen: „Die Klimakrise ist erschreckend real“

Bereits zum zweiten Mal findet am Dienstag in Wien die Klimakonferenz R20 unter dem Ehrenschutz des Bundespräsidenten statt. Ziel ist eine engere Vernetzung und Kooperation von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft.

KURIER: Sie sind bei der R20-Konferenz wieder dabei, wie sehen Sie die Initiative von Arnold Schwarzenegger?

Van der Bellen: Ja, selbstverständlich bin ich dabei und habe mit Freude nach 2017 auch für heuer den Ehrenschutz übernommen. Der R20 Austrian World Summit in Wien ist mittlerweile Teil des so genannten UN-Talanoa-Dialogs und damit wichtiger Teil des Umsetzungsprozesses des Pariser Klimaabkommens. Es geht darum, der Welt an Hand ganz konkreter innovativer Klimaschutzprojekte zu zeigen, dass wir die Klimakrise lösen können. Ich werde diese wichtige Initiative von Arnold Schwarzenegger und Monika Langthaler auch weiterhin aktiv unterstützen und bin zuversichtlich, dass es uns gelingt, mit dem jährlichen Klimagipfel in Wien eine Art Grünes Davos zu etablieren.

KURIER: Weltweit werden laufend Rekorde gebrochen – Negativrekorde wie der wärmste je gemessene April oder eine -Konzentration, wie sie zuletzt vor einigen Millionen Jahren gewesen sein soll. Wie sehen Sie die Situation heute?

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat vor kurzem gemeint, die Klimakrise sei die größte Herausforderung für die Menschheit. Ich teile seinen Befund. Die Zeit drängt. Als Weltgemeinschaft entscheiden wir jetzt, ob unser Wirtschaftssystem bis Mitte des Jahrhunderts auf neue, klimaverträgliche Beine gestellt wird oder ob wir weitermachen wie bisher. Die erwartenden negativen Folgen werden uns alle, vor allem aber unsere Kinder und Kindeskinder betreffen. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Jetzt braucht es den politischen Mut und Willen, rasch zu handeln.

Ist der Klimawandel für Sie eine reale Gefahr für die Welt und für die Österreicher? Wie groß schätzen Sie diese Gefahr ein, was droht den Österreichern?

Die Klimawissenschaftler haben eine klare Botschaft. Die Erderhitzung wird gravierende negative Auswirkungen auf uns alle haben. Hitzewellen, stärkere Unwetter, Muren, Ernteausfälle, Dürre, das Verschwinden der Gletscher, um nur einige zu nennen. In einigen Orten im Wein- und Waldviertel ist durch die große Trockenheit heuer bereits im April das Trinkwasser knapp geworden, das kennen wir sonst nur aus dem Hochsommer. Die Klimakrise ist erschreckend real. Daher sollten wir alles tun, um für aktiven Klimaschutz zu sorgen.

Die Regierung hat einen Entwurf für eine Klima- und Energiestrategie vorgelegt, die insbesonders die Wissenschaft als wenig sinnvoll oder ambitioniert bewertet. Sollte die Politik aus Ihrer Sicht deutlich härtere und umfassendere Klimaziele formulieren und konkrete Maßnahmen setzen?

Auch ein kleines Land wie Österreich hat beim Klimaschutz große Verantwortung. Ich will einzelne Maßnahmen jetzt nicht kommentieren. Ich wünsche aber der Bundesregierung und allen an der Erarbeitung der Klimastrategie Beteiligten alles Gute. Vor allem großen Mut. Denn den wird es brauchen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Österreich ist dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Nimmt man dieses ernst, bedeutet das bis 2050 eine Reduktion der klimaschädlichen CO2-Emissionen in der EU um bis zu 95 Prozent . Die Klimastrategie wird daran zu messen sein, ob sie einen verbindlichen Weg Österreichs dorthin festlegt. Das ist unsere Verantwortung gegenüber künftigen Generationen.

Wenn jeder Einzelne aufgerufen ist, sich am Klimaschutz zu beteiligen – was ist Ihr Beitrag, und worauf sollten die Österreicher mehr achten?

Jeder kann etwas zum Klimaschutz beitragen. Mein Team und ich fahren beispielsweise in Österreich und bei Reisen ins benachbarte Ausland, wo immer das gut möglich ist mit der Bahn. Vom klimafreundlichen Einkaufen bis zum energieeffizienten Wohnen und Bauen, die Möglichkeiten sind unerschöpflich. Der Beitrag der Bürgerinnen und Bürger ist wichtig. Die entscheidenden Weichenstellungen muss aber die Politik vornehmen. Und Aufgabe der Politik ist es auch, die Bevölkerung über die Bedrohungen zu informieren und zum Handeln zu ermutigen.