Medien & Politik: "Duzen" ist in Berlin die Ausnahme
Von Evelyn Peternel
Wie nahe dürfen Journalisten und Politiker einander sein? Das ist eine Frage, die die Deutschen seit Langem umtreibt – allerdings ein wenig anders als in Österreich.
Duzen, was in Wiener Kreisen durchaus üblich ist, ist etwa im Berliner Polit-Zirkus eher die Ausnahme; man kennt sich, man mag sich vielleicht, und man ist privat sogar per Du: das allerdings öffentlich zu zelebrieren, ist durch die Bank verpönt. Ähnliches gilt für gemeinsame Urlaube, wie sie ja jetzt in Österreich diskutiert werden: Dass etwa Sandra Maischberger, die die Kanzlerin ja mit drei Kollegen im TV-Duell befragt hat, mit Angela Merkel gemeinsam auf Urlaub fahren würde, ist in Deutschland undenkbar. Das gilt auch für Politiker mit weniger hohem Amt – zumindest, wenn es an die Öffentlichkeit kommt.
Wohnzimmerkreis & Gelbe Karte
Denn: Viel passiert freilich hinter verschlossenen Türen. In der Hauptstadt gibt es 9000 Journalisten, 400 ausländische Korrespondenten berichten von hier. Zugang zu den Mächtigen hat allerdings nur eine Handvoll davon. Besonders berühmt und zeitgleich ein wenig berüchtigt sind dabei zwei exklusive Zirkel: die "Gelbe Karte", ein in den 1970er gegründeter SPD-naher Journalisten-Politiker-Zirkel, und der "Wohnzimmerkreis", ein Hintergrund-Zirkel, bei dem man sich gegenseitig ins eigene Wohnzimmer einlädt.
Fragt man jene, die dort dabei sind – das sind freilich vor allem Vertreter der großen Leitmedien –, so stehen hochrangige Politiker dort Schlange: Merkel, Steinmeier, Steinbrück oder Schäuble waren bereits zu Gast. Wieso? Nicht, um Interna auszuplaudern – das wäre taktisch ja auch nicht gerade klug –, sondern schlicht, um Nähe herzustellen. Den Journalisten wird so erlaubt, hinter die antrainierte Fassade der Politiker zu blicken; den Politikern, ihr Bild geradezurücken.
"Duzkumpelsaufnähe"
Dass diese Kreise für Außenstehende dubios wirken können und damit natürlich auch Material für von der AfD befeuerte Verschwörungstheorien liefern, ist nur logisch. Zugang erhält man schließlich nur per Closed-Shop-Prinzip, also ausschließlich dann, wenn man vom Kollegenkreis als vertrauenswürdig angesehen wird. Dennoch entstehe dabei aber keine "Duzkumpelsaufnähe" , wie Thomas Kröter vom Kölner Stadt-Anzeiger im 2010 erschienenen Buch "Die Meinungsmacher" sagt: In Bonn, vor dem Umzug der Regierung, habe es das durch die Überschaubarkeit des politischen Betriebs gegeben; in Berlin allerdings nicht mehr.
Nichtsdestotrotz bleibt ein "Geschmäckle" übrig, wie man in Deutschland sagt – auch, weil es immer wieder Wechsel zwischen politischen Büros und Redaktionen und retour gibt. Tissy Bruns vom Tagesspiegel bringt es im selben Buch auf den Punkt: "Es gibt ein Nähe- und Distanzproblem, wenn man Politiker sehr gut kennt. Davor ist niemand geschützt."