Der Mann, der Frauen erlaubte, zu arbeiten
Von Bernhard Gaul
Der Mann ist das Oberhaupt der Familie. Will eine verheiratete Frau arbeiten, braucht sie die Erlaubnis ihres Mannes. So stand es im Gesetz. Oder: Als Inhaber der "väterlichen Gewalt" bestimmte der Mann Erziehungsziele, Ausbildungsgang und Berufswahl der ihm zu Gehorsam verpflichteten Kinder. Uneheliche Kinder hatten keine Rechte bei Unterhalt oder Erbschaft.
Haft für Homosexuelle
Aber auch: Homosexualität wird mit Gefängnisstrafe geahndet, für Ehebruch gibt’s detto Gefängnis. Ebenso für Frauen und Ärzte, die abtreiben. Und Strafverschärfungen wie "hartes Lager", Fasten oder "einsames Absperren im Dunkeln" waren keine Seltenheit.
Altes Recht
Klingt das wie der Rechtsbrauch in einem fernen Land? Bis zum 31. Dezember 1974 gehörten diese Beispiele zum Österreichischen Familien- beziehungsweise Strafrecht. Radikal reformiert wurde das meiste davon in der Ära Kreisky. Die Reformen sind eng mit dem damaligen Justizminister verbunden, der diesen Samstag seinen 100. Geburtstag feiern würde, und der mit einem großen Symposium gewürdigt wird: Christian Broda (1916–1987).
Rechtsreformer, Humanist
"Man kann nur staunen"
Schirmherr der Gedenkfeier ist Justizminister Wolfgang Brandstetter: "Die Fülle an Reformen, die damals unter Broda umgesetzt werden konnten, sind aus heutiger Sicht so gewaltig, dass man nur staunen kann. Was bleibt, ist ein wirklich großes Reformwerk, von dem wir noch heute profitieren."
Überfällige Reform
Die Modernisierung der Rechtsprechung, sowohl des Straf- als auch des Familienrechts, sei damals aber auch "überfällig" gewesen, erklärt der Justizminister. "Aus heutiger Sicht wirkt das Strafrecht, das bis 1975 gegolten hat, erschreckend befremdend. Da gab es Tatbestände, die man sich gar nicht mehr vorstellen kann, da dreht’s einem den Magen um."
Nicht anders bei der Reform des Familienrechts: "Es war schon noch der Hauch der 68er zu spüren. Aber jedes Gesetz spiegelt auch den Zeitgeist wider, und mit und durch die Ära Broda ist der Zeitgeist in Österreich ein anderer geworden. Ich habe 1975 angefangen zu studieren, und kann mich jedenfalls erinnern, dass wir Studenten das gut fanden, weil die Reformen Sinn machten."
Reformen im Konsens
Der Sozialist Broda, Minister von 1960–’66 und 1970–’83, werde heute noch und nicht nur in Juristenkreisen mit großem Respekt behandelt, sagt Brandstetter. "Für alle seine großen Reformen hat er immer einen breiten Konsens in der Politik gesucht. Mit Ausnahme der Fristenregelung ist ihm das auch gelungen."
Die "Fristenregelung" wurde damals in allen Bevölkerungsschichten heiß diskutiert. Es ging darum, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht mehr strafbar sein soll, wenn er "innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher Beratung von einem Arzt vorgenommen wird". Hier verweigerten ÖVP als auch FPÖ den Sozialisten, die mit absoluter Mehrheit regierten, die Zustimmung.
Mehr zum Symposium "100 Jahre Dr. Christian Broda" finden sie hier.